Aus den teils ruppigen Auseinandersetzungen um die Finanzierung zahlreicher Rüstungsprojekte ist das Verteidigungsministerium nun als klarer Sieger hervorgegangen. Ausgemacht war das keineswegs, denn als Ende März 2021 die Eckwerte des Bundeshaushaltes für 2022 bis 2025 vorgestellt wurden, hielt sich die Begeisterung beim Militär noch in engen Grenzen. Die Eckwerte sahen zwar für das kommende Jahr eine – erneute – Steigerung des Haushalts von aktuell 46,9 Milliarden Euro auf 49,3 Milliarden vor, um danach allerdings wieder abzusinken (2023: 46,32 Euro; 2024: 46,16 Euro; 2025: 45,73 Euro).
Obwohl damit trotz Pandemiefolgen und dergleichen die drastischen Zuwächse der letzten Jahre konsolidiert worden wären – zur Erinnerung: 2014 belief sich das Militärbudget auf aus heutiger Sicht noch bescheidene 32,5 Milliarden Euro –, war das Geschrei und Gezeter des Verteidigungsministeriums groß. Um die Zusagen gegenüber den Verbündeten und die zahlreichen – nicht zuletzt auch politisch gewollten – Rüstungsprojekte finanzieren zu können, reiche das nicht aus, wurde argumentiert.
Auf dieser Basis übermittelte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer dem Bundestag eine Liste mit Rüstungsprojekten, die der Haushaltsausschuss in seiner voraussichtlich letzten Sitzung vor Ende der Legislatur im Hauruckverfahren durchwinken soll. Ein absolutes Novum war dabei, dass viele davon – darunter so absolute Hochkaräter wie das „Future Combat Air System“ (FCAS) – zwar beantragt, aber mit dem Zusatz versehen wurden, sie seien aus dem Verteidigungshaushalt auf Grundlage der Eckwerteplanung nicht finanzierbar (siehe IMI-Analyse 2021/23).
Es folgten scharfe Auseinandersetzungen bis dann am 8. Juni ein Tweet von Spiegel-Redakteur Matthias Gebauer meldete, Verteidigungs- und Finanzministerium hätten sich auf fünf Milliarden Euro zusätzlich geeinigt. Anschließend hieß es bei der Süddeutschen Zeitung, vier Milliarden seien es geworden – weitere Details blieben aber bis jetzt unklar. Nun ist die Katze aus dem Sack, der Inhalt des Deals findet sich bei Augengeradeaus. Als Fortschreibung der Eckwerte soll der Entwurf des Bundeshaushalts 2022 und die Finanzplanung für die Jahre bis 2025 vom Kabinett beschlossen werden. Gegenüber den Eckwerten sind darin tatsächlich zusätzliche vier Milliarden Euro Militärausgaben vorgesehen, die sich folgendermaßen verteilen: 2022: 50,33 Milliarden Euro (statt 49,30 Milliarden); 2023: 47,34 Milliarden Euro (statt 46,33 Milliarden); 2024: 47,16 Milliarden Euro (statt 46,15 Milliarden); und 2025: 46,74 Milliarden Euro (statt 45,73 Milliarden).
Das zusätzliche Geld scheint explizit zur Finanzierung der vom Verteidigungsministerium infrage gestellten Rüstungsprojekte gedacht zu sein. Sollten die heute bewilligt werden, erhöhen sich aber die finanziell für bestimmte Projekte reservierten Teile des Verteidigungshaushaltes – sogenannte („Verpflichtungsermächtigungen“ – erheblich. Allein bis 2025 wären dadurch 11,4 Milliarden Euro fest gebunden, insgesamt sind es über viele Jahre hinweg 24,8 Milliarden Euro. Dadurch würde also der Spielraum einer künftigen Bundesregierung erheblich eingeengt. Da hilft es auch wenig, dass der Bundestag erst unter der neuen Zusammensetzung nach den Wahlen im September über den endgültigen Haushalt 2022 abschließend abstimmen wird – und auch dass die Planung für die Folgejahre 2023 bis 2025 für die neue Regierung so gut wie keine Bindewirkung hat, macht es nicht besser. Denn das Verteidigungsministerium und seine Unterstützer in der Politik haben sich den Ball auf dem argumentativen Spielfeld perfekt zurechtgelegt, um die – ohnehin äußert moderaten – Kürzungsvorschläge für 2023 bis 2025 wieder einzukassieren (das Spiel üppige Erhöhungen im kommenden Jahr zu beschließen und für die kommenden Jahre Kürzungen anzukündigen, die dann wieder rückgängig gemacht werden, ist übrigens ohnehin gängige Praxis der letzten Jahre).
Gut gepokert, muss man dem Verteidigungsministerium hier wohl leider zugestehen, eine Einschätzung, die auch eine Reihe militärnaher Beobachter teilen – bei Augengeradeaus wird der Vorgang etwa folgendermaßen beurteilt: „Damit war die Verteidigungsministerin mit ihren Verhandlungen – oder eher: mit ihrem Pokern? – erfolgreich: Sie hatte dem Haushaltsausschuss des Parlaments angekündigt, mehrere Rüstungsprojekte zur Billigung vorzulegen, auch wenn dafür keine Finanzierung im Haushalt absehbar war. Das hatte unter anderem zu Streit selbst mit Abgeordneten aus der Koalition geführt; letztendlich erhält Kramp-Karrenbauer aber nun nach der Planung für das kommende Jahr das Geld für diese bislang nicht finanzierten langfristigen Projekte. […] Die entsprechenden Verträge allerdings kann das Verteidigungsministerium schon in diesem Jahr schließen, sobald das Parlament zugestimmt hat – und die haben dann auch Einfluss auf den Spielraum, den ein künftiges Parlament und die künftige Bundesregierung im Verteidigungshaushalt der kommenden Jahre haben.“
IMI-Standpunkt 2021/036. Übernahme mit freundlicher Genegmigung des Verfassers.
Mehr Informationen zur Informationsstelle Militarisierung im Internet.
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