24. Jahrgang | Nummer 16 | 2. August 2021

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Mireille Mathieu, zierlich, aber gewaltig – Als „Spatz von Avignon“ hat man Sie schon früh in Ihrer Karriere apostrophiert – in Anspielung auf den „Spatz von Paris“, die legendäre Edith Piaf. An die erinnern Sie sowohl mit Ihrer zierlichen Statur (1,53 Meter), vor allem aber mit Ihrer gewaltigen Stimme und Ihrem hinreißenden Timbre. Und ein Chanson der Piaf war es auch, mit dem Sie 1964 einen Gesangswettbewerb gewannen: „La vie en rose“. Da waren Sie gerade 17. Der Sieg eröffnete Ihnen den Weg ins Fernsehen und zu einer auch international atemberaubenden Karriere. Sie waren in späteren Jahren die erste europäische Künstlerin, die in die VR China eingeladen wurde. Schon 1966 gastierten Sie das erste Mal in der DDR, im Berliner Friedrichstadtpalast. Kurz darauf folgte eine erste große Tournee durch die Sowjetunion. 1973 eröffnete ein aus Leipzig ausgestrahlter „Galaabend mit Mireille Mathieu“ die Ära des Farbfernsehens in der DDR …
Unvergessen sind solche Hits von Ihnen wie „Hinter den Kulissen von Paris“, „Akropolis adieu“ oder „An einem Sonntag in Avignon“. Und auch heute noch begeistern Sie ein breites Publikum und füllen große Säle. Nach einem Ihrer Konzerte in Hamburg 2018, da waren Sie bereits über 70, schrieb die dortige Morgenpost am nächsten Tag: „Für diese Stimme wurde die Elbphilharmonie gebaut!“
Dabei sind ihre künstlerischen Erfolge Ihnen nicht in die Wiege gelegt worden. Aus ärmlichen Verhältnissen und als ältestes von 14 Kindern mussten Sie früh die Schule verlassen und eine Fabrikarbeit aufnehmen, um die Familie zu unterstützen.
Am 22. Juli 2021 haben Sie Ihren 75. Geburtstag gefeiert.
Nachträglich, doch umso herzlicher: Bon anniversaire, chère Mireille!

Annalena Baerbock, grüner Sirius am politischen Firmament – Als Kanzlerkandidatin treten Sie nun auch zunehmend mit außen- und sicherheitspolitischer Expertise ins Licht der Öffentlichkeit. Unmittelbar nach der Einigung zwischen den USA und Deutschland über Nord Stream 2 wussten Sie mitzuteilen, dass die Pipeline „gegen die Sicherheit der Ukraine gerichtet“ sei. Mit deren Sicherheit steht es tatsächlich nicht zum Besten. Das könnte allerdings auch daran liegen, dass Kiew sich hartnäckig darum drückt, seine Verpflichtungen aus dem Minsk-II-Abkommen zu erfüllen, mit dem der Konflikt in der Ostukraine beigelegt werden soll. Vielleicht könnten Sie zur Abwechslung mal diesen Punkt anmahnen? Doch so tief in die Einzelheiten sind Sie denn wohl doch noch nicht vorgedrungen.

Philipp Amthor (MdB), ziemlich volatile CDU-Nachwuchskraft – Dass Sie ein Aufstiegskader mit dem Potenzial sind, die eigene Karriere zu schreddern, haben Sie ja bereits unter Beweis gestellt. Als Sie vor einiger Zeit kurz vor dem Sprung an die Spitze des CDU-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern standen, wurden einige windige Verquickungen zwischen Abgeordnetenmandat und Aktivitäten, die Sie gefährlich nahe an den Dunstkreis privater Vorteilsnahme brachten, publik.
Aus der Traum.
„Senkrechtstarter im Sinkflug“, hämten seinerzeit die Medien.
Seither stricken Sie an Ihrem Comeback – auch als jemand, der nach eigener Aussage engagiert „gegen Gegner unseres Rechtsstaats“ kämpft.
Doch nun dieses: Offenbar jede Gelegenheit für Publicity nutzend, wenn das Volk auf Sie zuströmt, ließen Sie sich zusammen mit zwei Typen und einem T-Shirt ablichten, auf dem zu lesen war – „Solidarität mit Ursula Haverbeck“. Gottseidank trugen nicht Sie das Shirt sondern einer der Typen. Half aber nichts, denn Haverbeck, das ist jene optisch adrette Neonazi-Oma (92 Jahre), deren zweieinhalbjährige Haftstrafe wegen Leugnung des Holocaust (Straftatbestand: Volksverhetzung) erst im November 2020 zu Ende gegangen war und die inzwischen wegen des gleichen Delikts bereits erneut verurteilt worden ist.
Auf die rasch einsetzende Kritik an dem Foto haben Sie auf eine für Sie nicht untypische Weise reagiert: Es käme „ganz regelmäßig vor, dass ich von Bürgern nach Fotos gefragt werde […]. Die beiden Bürger, die auf einem Foto, das derzeit auf Twitter kursiert, gezeigt werden und ihren Hintergrund kannte und kenne ich nicht. Ob und inwieweit das auf Twitter veröffentlichte Foto bearbeitet wurde, lässt sich für mich nicht mit Sicherheit feststellen. Hätte ich die T-Shirt-Aufschrift bemerkt, hätte ich das Foto natürlich nicht gemacht.“
Wie heißt es doch so schön? „Wenn der Hund nicht gesch … hätte, hätt’ er den Hasen gekriegt.“

Dieter Schnaas, Textchef und Autor der WirtschaftsWoche – Ganz im Ernst und völlig ironiefrei gaben Sie folgendes über die Weltraumflüge der US-Milliardäre Branson, Bezos und (in Bälde) Musk zum Besten: „Die touristische Eroberung des Weltraums – nur ein Kick für Hochprivilegierte, ein Kräftemessen der Milliardäre? Von wegen. Das Trio feiert die Zukunft einer Ökonomie aus dem Geist der Verschwendung. Das ist wegweisend.“ Und Sie gaben Ihrer Hoffnung Ausdruck, die „Weltraumabenteurerei“ der drei Alphatiere könnte „Ausdruck einer […] produktiven Vergeudung, die unser Wirtschaften in den nächsten Jahrzehnten prägen wird“, sein.
Ihre „Lobhudelei“ sei „Beihilfe zum Irrsinn“, befand Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung. Dem haben wir nichts hinzuzufügen – außer vielleicht dieses: Ein trefflicheres Plädoyer für die überfällige Abschaffung des Raubtierkapitalismus haben wir schon lange nicht mehr gelesen! (Zum Wortlaut hier klicken.)

Verlag C. H. Beck (München), Herausgeber von Standardwerken – Bei Ihnen sind wichtige juristische Nachschlagewerke immer noch nach NSDAP-Mitgliedern betitelt. Wenn Richter hierzulande mal etwas nachschlagen müssen, ziehen sie zum Beispiel gern den „Palandt“ zu Rate, den wichtigsten Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Der, aktuell in der 80. Auflage, trägt seinen Titel seit 1938 nach Otto Palandt, Mitglied der NSDAP und Präsident des Reichsjustizprüfungsamtes.
Nach jahrelanger gehäufter Kritik von allen möglichen Seiten wollen Sie das bei diesem Nachschlagewerk (wie bei anderen) nun ganz schnell ändern. Da kommt zum Tatbestand der vorsätzlichen historischen Lahmarschigkeit nun also strafverschärfend auch noch fahrlässige Stilvergessenheit hinzu: Wenigstens bis zur 100. Ausgabe hätten Sie weiß Gott doch nun wirklich warten können!