Julian Assange, noch immer Gefangener – Am 3. Juli haben Sie Ihren 50. Geburtstag begangen, noch immer unter miesesten Bedingungen im Hochsicherheitsgefängnis von Belmarsh. Inzwischen wurde das schwedische Verfahren gegen Sie eingestellt und einer der Hauptzeugen der US-Anklage erhält Teile seiner Aussage nicht mehr aufrecht. Edward Snowden konstatiert, dass der US-Anklage damit jegliche Grundlage entzogen wurde. Grund zu Optimismus für Ihre baldige Freilassung? Leider ist solcherart Hoffnung bisher nie in Erfüllung gegangen. Aber – die Solidaritätsbewegung für Sie arbeitet weiter, Kundgebungen wurden am 3. Juli abgehalten. Ihr Anliegen für Transparenz und Pressefreiheit ist nicht vergessen.
Wir gratulieren zum Geburtstag – und möge Snowden recht behalten.
Götz Aly, streitbarer Kolumnist und Historiker – Sie haben sich gerade mit einer letzten Kolumne in der Berliner Zeitung von Ihren zahlreichen Lesern verabschiedet. Die Zeit fürs Bücherschreiben sei Ihnen gegönnt, aber Ihre klare Haltung zum Umgang mit den sowjetischen Opfern des deutschen Angriffskrieges, Ihre Erinnerung daran, wie viele „normale“ Deutsche vom Mord an den Juden profitiert haben, wie „Sozialmaßnahmen“ Hitlers Regime stabilisiert hatten, wird fehlen. Auch Ihr Hinsehen auf Syrien und den Nahen Osten und die Rolle des Westens im Krieg – gegen die Hirnwäsche auch der öffentlich-rechtlichen Nachrichten, war im aktuellen Kontext bemerkenswert. Sie wandten sich auch gegen die scheinbare „political correctness“ beim Umgang mit dem Kolonialerbe und mit Rassismus, gegen die damit verbundene Geschichtsvergessenheit. Und Sie haben nicht nur geschrieben, Sie haben viele Menschen aktiviert, mangels Regierungshandeln wenigstens das Ihre zu tun zur Ehrung der gefallenen Sowjetsoldaten in Berlin… – und immer wieder zum Nachdenken und Zweifeln.
Wir wünschten, Sie blieben weithin sichtbar im Medienalltag und hoffen von Ihnen zu hören. Erst einmal aber ein uneingeschränktes großes Danke!
Donald Rumsfeld, gerade verschiedener Bellizist – Es heißt zwar de mortuis nil nisi bene, doch in Ihrem Falle muss gelten, dass die Ausnahme die Regel bestätigt. Denn als US-Verteidigungsminister unter Bush junior waren Sie zusammen mit Ihrem Kumpel Dick Cheney (seinerzeit Vizepräsident) die treibende Kraft zu jenem Krieg gegen den Irak, der zwar den dortigen Diktator beseitigte, aber zugleich zahllosen Zivilisten den Tod brachte und mit der Zerstörung des irakischen Staates jenen Herd der Instabilität schuf, der hernach dem Terrorregime des Islamischen Staates den Boden bereitete und bis heute auf die gesamte Region ausstrahlt. Um den Krieg auszulösen, operierten Sie und Ihresgleichen mit der Lüge von angeblichen Massenvernichtungswaffen des Bagdader Diktators, die nach der Besetzung des Landes durch die USA und jene Koalition der Willigen, die Washington in diese völkerrechtswidrige, weil nicht von der UNO mandatierte Aggression gefolgt waren, niemals gefunden wurden. Weil sie niemals existiert hatten. Bereits zuvor hatten Sie ebenfalls zu den Antreibern für den US-Einmarsch in Afghanistan gehört, dessen unrühmliches Scheitern sich gerade vollendet.
Um es kurz zu halten: Sie gehörten zu jenen Zeitgenossen, wegen denen selbst Atheisten gelegentlich an der Vorstellung Gefallen finden, dass die Existenz einer Hölle durchaus einen Sinn haben könnte …
Andreas Frey, professoraler Spielverderber – Sie haben an der Goethe-Universität Frankfurt/Main den Lehrstuhl „Pädagogische Psychologie mit den Schwerpunkten Beratung, Diagnostik und Evaluation“ inne. Kraft dieser Aufgabenbeschreibung gehören Sie zu den Autoren einer Studie, die den „Distanzunterricht“ während der Corona-Krise anhand weltweit erhobener Daten unter die Lupe nimmt. Für unsere Leserschaft zur Begriffserklärung: Distanzunterricht ist, wenn Schüler und Lehrer räumlich getrennt agieren, die Schüler zudem noch personell separiert sind. Im allgemeinen dumm-deutschen Politik-Sprech hat sich dafür der Begriff „Homeschooling“ durchgesetzt. Das ist nicht ganz deckungsgleich: Distanzunterricht ist verpflichtender, kontrollierter Unterricht auf digitaler Basis. Auf Dauer für Schüler wie Lehrer gleichermaßen die Hölle.
Aber alle Fortschrittsgläubigen kriegen sofort glänzende Augen, die Sparkommissare in den Landesregierungen auch – und bemäkeln zugleich die unzureichenden technischen Voraussetzungen an den deutschen Schulen. Und jetzt kommen Sie mit Ihren Forschungen daher und erklären, das sei alles Murks: „Die durchschnittliche Kompetenzentwicklung während der Schulschließungen im Frühjahr 2020 ist als Stagnation mit Kompetenzeinbußen zu bezeichnen und liegt damit im Bereich der Effekte von Sommerferien.“ Wen interessiert das denn?
Und vielleicht sollte man nicht nur die Lehrerschaft Schritt für Schritt durch KI-Maschinen ablösen, sondern auch die Schüler? Mit ordentlich programmierten Datenautobahnen müsste dann doch das Problem der „Kompetenzentwicklung“ in den Griff zu bekommen sein. Aber was wird mit den Schülerinnen und Schülern, werden jetzt manche fragen. Also ernsthaft, für die interessiert sich im politischen Raum außerhalb von Wahlkampfzeiten sowieso niemand so richtig. Die werden schon irgendein trockenes Plätzchen finden.
Helena Fürst, Bemitleidenswerte – Bekannt wurden Sie durch reality-shows im Privatfernsehen und Ihr recht rabiates Auftreten in eben diesen. Im „Dschungelcamp“ erreichten Sie vor einigen Jahren sogar einen 4. Platz. Jetzt machen Sie wieder Schlagzeilen in den bunten Zeitungen. Im Gefolge eines Nachbarschaftsstreits, der offenbar selbst vor Stromkabeln im Hauskeller nicht zurückschreckte, wurden Sie von der hessischen Polizei in die geschlossene Psychiatrie geschafft. Gegen ihren Willen! Wir stehen den Berichten einigermaßen hilflos gegenüber: Einerseits denkt man sofort an Psychiatrie-Missbrauch – und sofort fällt einem der Name Gustl Mollath ein –, andererseits muss das im Frankfurter Hauskeller Geschehene wirklich heftig gewesen sein …
Obwohl, von gewissen Sendeformaten direttamente in die „Geschlossene“ ist ja wirklich nur ein kleiner Schritt. Das ist jetzt aber medienkritisch gemeint. Gesundheitspolitisch sind wir strikte Verfechter der Enthospitalisierung in der Psychiatrie!
Frank Jansen, ritterlicher Kollege mit rostigem Schwert – Die nicht immer sehr feinen Attacken von RT DE auf die deutschen Grünen und deren Protagonistin Annalena Baerbock trieben Sie auf die Palme. Im Tagesspiegel warfen Sie sich kürzlich mit Vehemenz wie ein Ritter der Tafelrunde vor die Kanzlerinnenkandidatin und attackierten Ihrerseits die Kollegen des russischen Senders. An sich nichts Ungewöhnliches und eigentlich nicht weiter erwähnenswert. Dass Sie sich aber dazu hinreißen ließen, von einem „Putin-Regime“ – das klingt wie „Pinochet-Regime“ – zu schwadronieren, halten wir nun wiederum für einen nicht hinnehmbaren journalistischen Tritt unter die Gürtellinie. Oder hat der Berliner Tagesspiegel neuerdings solche Probleme mit den Abozahlen, dass er dem Boulevard unbedingt Konkurrenz machen muss?
Schlagwörter: Andreas Frey, Distanzunterricht, Donald Rumsfeld, Edward Snowden, Frank Jansen, Götz Aly, Helena Fürst, Julian Assange, Psychiatrie