24. Jahrgang | Nummer 7 | 29. März 2021

Ein Vivat für Armin Forker

von Frank-Rainer Schurich

Wir sind uns vor 53 Jahren das erste Mal begegnet. Ich studierte an der Humboldt-Universität zu Berlin, und Armin Forker, damals 37 Jahre alt, eröffnete uns in Vorlesungen und Seminaren auf hochinteressante Weise die Welt der Kriminalistik. Er schätzte den kreativen Dialog mit den Studenten und weckte in uns vor allen Dingen durch die Art des Diskurses etwas, was man als wissenschaftliche Neugierde bezeichnen kann. Die Kriminalistik als praxisorientierte Disziplin war für Armin Forker kein leeres Definitionsgehabe. Er arbeitete zunächst selbst bei der Kriminalpolizei und machte für die Ausbildung von Fern- und Direktstudenten Mitschnitte von Beschuldigten- und Zeugenvernehmungen, die er den Studenten vorspielte – zur Diskussion und für theoretische Ableitungen. Der Vernehmer war Armin Forker. Über einige Umwege kamen die historischen Tonbänder zu mir, und ich habe sie noch heute in meinem „Archiv“.

Armin Forker ist ein blendender Theoretiker, er ging gegenüber allen auf vorsichtige Distanz, die in reiner Selbstüberschätzung oder aus Unwissenheit nur theoretisierten, schwadronierten und die Praxis als lästig ansahen. Wenn er „etwas absolut nicht abkonnte, waren es mit Phrasen und Dummschwatz gewürzte Thesen ohne hinreichende wissenschaftliche Fundamentierung“, wie es Wolfgang Brauer kürzlich bezogen auf den Wissenschaftler Wolfgang Wippermann im Blättchen so treffend formuliert hat.

Armin Forker, der am 2. April 1931 in Dresden geboren wurde, hat für sich selbst den Beweis angetreten, dass das Leben immer eine Sache von Stufen ist und nicht in der Länge der Zeit gemessen werden kann, sondern nur darin, wie sie genutzt wird. Als besonders bedrückend erlebte er, als Luftschutzhelfer seiner Schule eingesetzt, den Luftangriff auf Dresden am 13. und 14. Februar 1945 durch vier Angriffswellen der Royal Air Force und United States Army Air Forces. Dresden versank im Feuersturm. Ein Inferno, das seine ganze Lebens- und Friedenshaltung bis zum heutigen Tag prägt.

Seit 1950 bei der Kriminalpolizei, konnte er 1952 eine wissenschaftliche Aspirantur am Institut für Kriminalistik der Humboldt-Universität aufnehmen und gleichzeitig an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Jura studieren. Er erhielt Lehraufträge für Kriminalistik an der Juristenfakultät der Universität Leipzig. Als 27-Jähriger (!) wurde ihm, nunmehr wissenschaftlicher Oberassistent am Institut für Strafrecht der Leipziger Uni, die Aufgabe übertragen, eine Abteilung Kriminalistik für Forschung und Lehre einzurichten. Dann ging es Schlag auf Schlag: 1961 Promotion zur Untersuchung von Bränden, 1966 Habilitation mit dem damals revolutionären Thema „Informationsaspekte in der Kriminalistik“, 1967 Hochschuldozent für Kriminalistik und 1968 außerordentlichen Professor für Kriminalistik an der Juristenfakultät der Universität Leipzig. Armin Forker wechselte an die Sektion Kriminalistik der Humboldt-Universität zu Berlin als Leiter des Lehrstuhls Kriminaltaktik, später lehrte und forschte er an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena mit einem eigenen Lehrstuhl für Kriminalistik. 1997 ging er in den schöpferischen Ruhestand.

Er schrieb Fachbücher zur Branduntersuchung (1963) und zu den Kraftfahrzeugdelikten (1965). Besonders verdienstvoll widmete sich Armin Forker der „Bibliothek Historische Kriminalistik“, einer Auswahl von Nachdrucken mit entsprechenden Einführungen, Annotationen und Nachworten zu Verfasser und Werk, zur fachlichen Wirkung in seiner Zeit und mit gesellschaftlichen Bezügen. Mit diesen Reprints unter dem Lektorat des Zentralantiquariats Leipzig und der Einbandgestaltung durch Werner Klemke wurde die aufschlussreiche Geschichte der Kriminalistik einem breiteren Leserkreis zugänglich gemacht. Genannt werden soll von C. W. Zimmermann das Buch „Die Diebe in Berlin“, das 1847 in zwei Bänden erschien.

Bis zum heutigen Tage hat sich Armin Forker in die Belange der Kriminalpolitik eingemischt, manchmal viel zu verhalten, wie er vor einigen Jahren eingestand, was zum Beispiel die Absprachen zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten betrifft. Diese seien eine Ökonomisierung des Strafverfahrens und ein postmoderner Konsensprozess, in dessen Mittelpunkt die Zustimmung des Beschuldigten zur Sanktion steht. Und Armin Forker fragte: „Was muss man aber als Kriminalistin oder Kriminalist empfinden, wenn der Stellenwert der Strafverfolgung abgebaut, das Sicherheitserfordernis kriminalpolizeilicher Spezialisierung missachtet, durch fragwürdige Absprachen im Gericht die Wahrheitsfindung auf der Strecke bleibt, die Gerechtigkeit zur Ware verkommt und durch das ausgetüftelte Geständnis die Motivation zu aufwändiger, mühevoller kriminalistischer Ermittlung vernichtet und damit ihr berufliches Selbstbewusstsein zerstört wird?“

Armin Forker hat die Kriminalistik niemals als elitäre oder autarke Einzelwissenschaft angesehen, sich während seines ganzen langen Berufslebens aber immer für eine angemessene universitäre Vertretung der Kriminalistik eingesetzt. Mit großer Überzeugungskraft, Beharrlichkeit und Geduld, und das bis heute. Er arbeitete eng mit Vertretern verschiedener Naturwissenschaften und der Medizin, vor allen Dingen der Rechtsmedizin zusammen, um den Sachverstand aller forensisch relevanten Fächer im Dienste der Aufklärung von Verbrechen zusammenzuführen. Er besitzt auch heute noch als interdisziplinär orientierter Hochschullehrer bei den Rechtsmedizinern in Leipzig, Berlin, Jena und Halle ein hohes Ansehen, wie Prof. Dr. Stefan Pollak auf der Festveranstaltung zur Verleihung des „Hans-Gross-Preises für herausragende Verdienste um die Kriminalistik“ des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Landesverband Brandenburg, am 25. März 2013 in Frankfurt (Oder) sagte. „Der Blick über den Tellerrand des eigenen Spezialgebietes ist wohl nirgendwo so gefordert wie in der kriminalistischen Praxis, die ihrerseits auf einer soliden theoretischen Basis aufbauen muss. Für die hohe Schule der Kriminalistik stand und steht Herr Prof. Forker, der nicht nur durch Wissensvermittlung, sondern auch durch sein Vorbild viele Generationen von Studierenden nachhaltig geprägt hat. Lassen Sie mich noch einen Punkt erwähnen, der bei einer Würdigung der Lebensleistung nicht zu kurz kommen sollte, nämlich die menschlichen Qualitäten des Preisträgers, von denen ich nur seine vornehm zurückhaltende Kollegialität und seine treue Verbundenheit mit vielen Weggefährten erwähnen möchte.“

Diese treue Verbundenheit mit Schülern und Weggefährten kann ich nur unterstreichen. Wir sind heute noch in wissenschaftlichem und freundschaftlichem Kontakt und unterzeichnen unsere analogen und digitalen Depeschen mit unseren Namen „in alter Verbundenheit“. Armin Forker ist mein Lehrer, dem ich viel zu verdanken habe. Am 2. April 2021 begeht er seinen neunzigsten Geburtstag.

Wir lassen den Dreimännerwein im Schrank und stoßen mit einem guten Tropfen auf einen guten Menschen an. Vivat!