24. Jahrgang | Nummer 5 | 1. März 2021

Bekenntnisse

von Hans-Peter Götz

Es gibt Menschen, denen ist mit Gendern allein überhaupt nicht geholfen, weil sie sich beim Binnen-„I“ (LehrerInnen) noch ebenso ausgeschlossen fühlen wie beim Sternchen (Läufer*innen), beim Unterstrich (Literat_innen) oder bei der Partizipialverwendung (Lappländernde). Selbst der Glottisschlag – den Götz Aly so hübsch als Petra Gersters „‚gendergerechten‘ ZDF-Schluckauf“ beschrieben hat – verhilft ihnen zu keinem befriedigenden Inklusionsgefühl. Daher nimmt gerade eine neue Panazee Fahrt auf, deren Inhalt und Funktion Lann Hornscheidt im Interview mit der Berliner Zeitung kürzlich folgendermaßen erläuterte: „[…] wir schlagen eine neue Form und eine neue Endung vor, die alle Menschen meint, entkoppelt vom grammatikalischen Geschlecht. Frauen können sich weiterhin über ein feminines Genus ausdrücken. Die Studentin beispielsweise, Männer über maskulines, der Student. Menschen, die solche Geschlechter hinter sich lassen, zum Beispiel über ex oder they. Und für alle Menschen schlagen wir – jenseits der eigenen Geschlechtereinordnung – als neue, allgemeine Form vor, -ens als Endung zu nehmen. ‚Ens‘ ist der Mittelteil aus ‚Mensch‘. ‚Studens‘ wäre das, ‚Lesens‘, ‚Hörens‘. Und das Pronomen ist dann ‚ens‘, der bestimmte Artikel ist ‚dens‘, der unbestimmte ist ‚einens‘. Wir haben das genderfrei genannt.“

Durchaus passend dazu planen Grüne und FDP ein sogenanntes Transsexuellengesetz, dem zufolge jeder beim Standesamt vorsprechen dürfen soll, um Geschlecht und Namen ändern zu lassen, und zwar nicht nur in den begründeten Fällen, in denen das heute schon einmalig möglich ist, sondern erstens unbegründet und zweitens alle Jahre wieder. Götz Aly spöttelte: „Ich könnte mich also ohne jeden operativen oder hormonellen Eingriff als Frau Gottfreda Maria Aly beim Standesamt eintragen lassen, anschließend die stets angenehm wenig frequentierte Frauensauna aufsuchen, die Frauenquote in einem Aufsichtsgremium heben und spezielle Programme zur Frauenförderung in Anspruch nehmen. […] Im Sinne dieser Weltanschauungspolitik wird Robert Habeck als Spitzenkandidatin der Grünen antreten. Da sich Annalena Baerbock weiter als Frau fühlt, verfügen die Grünen dann über eine weibliche Doppelspitze.“

Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Ich bin ohne Einschränkungen gegen die Diskriminierung von gesellschaftlichen Minderheiten. Auch die Meinungsfreiheit halte ich für ein unverzichtbares Gut – völlig unabhängig davon, welche Meinungen da geäußert werden, solange diese weder mit dem Grundgesetz noch mit anderer einschlägiger Gesetzgebung kollidieren.

Zugleich bin ich jedoch zutiefst davon überzeugt, dass im Interesse eines gewaltlosen gesellschaftlichen Zusammenlebens die Kirche stets im Dorfe bleiben muss. Oder anders ausgedrückt, dass die Freiheit des Einzelnen sowie jeglicher Gruppen dort zu enden hat, wo die Freiheit anderer beschädigt wird, was ohne jeweils neu auszuhandelnde Kompromisse schwer vorstellbar ist.

Und ich bekenne allerdings auch, dass ich im Hinblick auf Verhunzungen der Sprache strikt dagegen bin, dass ein subversiver Witz, der in der DDR hinter vorgehaltener Hand die Runde machte, heutzutage hierzulande sukzessive zur Beschreibung einer sich fundamental wandelnden gesellschaftlichen Realität wird:

Frage: Worin besteht der Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie?
Antwort: Ganz einfach – in der Demokratie macht die Mehrheit mit der Minderheit, was in der Diktatur die Minderheit mit der Mehrheit macht.

Doch was tun gegen den um sich greifenden Gender & Co.-Extremismus? Götz Aly empfiehlt zumindest dieses: „Überlegen Sie, liebe Leserinnen und Leser, sich bitte genau, wen Sie bei nächster Gelegenheit wählen – und wen nicht.“ Ich will ihm da keinesfalls widersprechen.