In den Beziehungen zwischen Deutschland und Russland haben sich, wie der russische Außenminister Sergej Lawrow am 8. Dezember zutreffend feststellte, „viele ernste Probleme angesammelt, die sich weiter vermehren“. Sie vermehren sich vor allem dann, wenn man nichts dagegen tut. Deshalb sprach er sich für einen „Neustart“ in den Beziehungen aus. So gewinne „der Dialog in allen Richtungen – zwischenstaatlich, zwischenparlamentarisch, zwischengesellschaftlich – in dieser Phase an besonderer Bedeutung“.
Für die deutschen „Qualitätsmedien“ war dies vor allem deshalb ein Problem, weil Lawrow es anlässlich eines Besuches des AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla, der zugleich Vizefraktionsvorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion ist, und des außenpolitischen Sprechers der Fraktion, Armin-Paul Hampel, in Moskau sagte. Süffisant hatte es von russischer Seite geheißen, es habe in Berlin Versuche gegeben, „Hindernisse in den Weg zu stellen und technische sowie Protokollschwierigkeiten zu schaffen“. Ein Sprecher der deutschen Botschaft in Moskau erklärte pflichtschuldigst, das Auswärtige Amt und die Moskauer Botschaft seien „in dem ganz normalen Maß, das gesetzlich vorgegeben ist, in die Reisevorbereitung und -durchführung involviert“ gewesen. Der Botschafter habe zudem mit Chrupalla und Hampel im Hotel gefrühstückt. Nun schließt das eine, dass man den Besuch zu verhindern suchte, das andere, dass man die gesetzlich vorgeschriebene Hilfestellung des Auswärtigen Amtes für eine Parlamentarierdelegation geleistet hat, gewiss nicht aus. Die größte Oppositionspartei hat Rechte, die die Exekutive nicht nach Gusto außer Kraft setzen kann.
Gleichwohl schreibt die Hamburger Die Zeit von einem „umstrittenen Besuch“ und kritisiert, dass Chrupalla „die Sanktionen gegen Russland“ kritisierte. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung nannte das Treffen Lawrows mit den AfD-Besuchern einen „unüblichen Empfang“. Verweist jedoch wenige Zeilen weiter darauf, dass Kanzlerin Merkel den russischen „Regimekritiker Nawalny“ in Berlin getroffen hatte. So hatte Lawrow völlig recht, als er anmerkte, „offizielle Personen Berlins“ träfen lieber „nichtsystemische Oppositionelle“, als Vertreter der in der Duma vertretenen Oppositionsparteien. Die „westlichen Kollegen treffen sich immer mit der Opposition“, zitierte die FAZ den russischen Außenminister, deshalb habe man in Moskau entschieden, mit der Opposition in anderen Ländern zusammenzuarbeiten, „ohne Rücksicht auf diejenigen, die versuchen, uns zu kritisieren“.
Der Bayerische Rundfunk wollte in seinem Newsletter eine besondere Nähe der AfD zu Russland unterstellen und machte dies daran fest, dass die Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier und Robby Schlund mit Frauen russischer Herkunft verheiratet sind. Wäre es um afrikanische Ehefrauen gegangen, hätte es ein lautes Aufheulen zum Thema „Rassismus“ gegeben. Aber mit Russinnen kann man ein solches Spiel offenbar auch 2020 noch treiben. Bei zwei anderen AfD-Bundestagsabgeordneten, Anton Friesen und Waldemar Herdt, wird auf ihre Herkunft aus Kasachstan verwiesen. Hat in Bezug auf die Akteure der „Atlantik-Brücke“ eigentlich auch schon mal ein Journalist derlei Herkunfts- und Verbindungsfragen gestellt?
Das eigentlich Traurige für die Linke in diesem Zusammenhang ist, dass früher die PDS einen speziellen Draht nach Moskau hatte. Den hatte die Partei Die Linke auch noch, solange Wolfgang Gehrcke der außenpolitische Akteur in Partei und Bundestagsfraktion war. Nachdem sich in der Partei eine Mehrheit jüngerer, vor allem aus dem Westen kommender Linker gefunden hatte, die lieber in Angela Merkels Beschwören von „Werten“ als Instrument deutscher Außenpolitik einstimmen, als sich ernsthaft um eine neue Politik der friedlichen Koexistenz gegenüber Russland zu bemühen, hat die Linkspartei dieses Erbe ausgeschlagen. Das Thema blieb liegen und wurde bei der Linken unter Geschwätz von „Äquidistanz“ gegenüber Russland und den USA begraben. Nachdem die Linke es hat liegen lassen, hat die AfD das Thema aufgenommen. Das bringt im Osten Punkte. Tino Chrupalla aus Weißwasser weiß das.
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