23. Jahrgang | Nummer 26 | 21. Dezember 2020

Antworten

David John Moore Cornwell, Ex-Schlapphut und Schriftsteller – Dass Ihre Bücher, sobald DDR abgeschildert wurde, nicht das Gelbe vom Ei waren, ist in diesem Magazin nicht zu Unrecht moniert worden. Andererseits soll hier natürlich überhaupt nicht in Abrede gestellt werden, dass Sie ein internationaler Großmeister der Sonderklasse Ihres Genres waren – die des Spionage-Thrillers. Sie lieferten ein ums andere Mal die gelungene Antithese zur Fülle des Leerlaufs und zur Todsünde der Langeweile im Tsunami täglicher Unterhaltungsliteratur. Mit Ihrer Gestalt des George Smiley gaben Sie überdies dem unvergleichlichen Sir Alec Guiness eine brillante Vorlage für dessen so unnachahmliche milde Melancholie, die selbst den gelungensten Coup noch durch das Wissen um die schlussendliche existenzielle Vergeblichkeit relativierte.
Chapeau!
Nun sind Sie, 89-jährig, zu einem womöglich noch größeren Schöpfer beordert worden. Doch Ihre Bücher werden uns noch lange an Sie erinnern, und selbst wer noch keines davon gelesen haben sollte, hat Ihren (Künstler)Namen gewiss schon einmal gehört – John le Carré.

Armin Mueller-Stahl, Ausnahmekönner – Wir gratulieren auf diesem Wege zum 90. Geburtstag. Sie haben große Schauspielkunst gezeigt, waren erfolgreich in DDR, BRD und in Hollywood. Die besten Regisseure haben Sie begleitet, von Frank Beyer und Egon Günther über Rainer Werner Fassbinder und Bernhard Wicki zu Jim Jarmusch, Andrej Wajda . . . Nur wenige Künstler haben eine solch beeindruckende Palette des Ausdrucks zu bieten wie Sie. Dazu gehören unbedingt auch Ihre „Nebenbeschäftigungen“ wie Musik und Malerei. Wir freuen uns, dass Blättchen-Autor F.-B. Habel Ihr filmisches Werk passend zum Geburtstag in einem Buch festgehalten hat.

Ilko-Sascha Kowalczuk, Historiker – Sie bedauern, dass die „Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik“ (BStU), kurz: Stasi-Unterlagen-Behörde, zum 17. Juni 2021 ihre Pforten schließen wird. Die Bestände – etwa 111 laufende Kilometer Akten sowie Millionen Fotos und Karteikarten – werden ins Bundesarchiv eingegliedert. Zur Begründung Ihres Bedauerns führten Sie an: „Um diese Behörde hat die halbe Welt Deutschland seit den 90er-Jahren geradezu beneidet.“ Das ist wahrlich ein eindrückliches Beispiel für einen historischen Narzissmus, der den eigenen Nabel mit dem Dreh- und Angelpunkt wenn schon nicht der ganzen, so doch wenigstens der halben Welt verwechselt.
Auch Ihr Rückblick auf Anfang der 1990er Jahre wirft Fragen auf: „So wurde die Behörde (BStU – die Redaktion) zum Symbol der Revolution von 1989, denn ihre Ursprünge lagen in der Erstürmung und Auflösung des MfS im Winter 1989/90.“ Wessen Ursprünge? Die der Behörde? Da soll Ihnen nicht widersprochen werden. Oder etwa gar die der Revolution von 1989? Das wäre denn noch ein Narzissmus-Symptom, denn deren Ursprünge liegen doch eher bei Gorbatschow, den mutigen Montagsmarschierern von Leipzig und Reformkräften im nur oberflächlich monolith erscheinenden Staats- und Parteiapparat der DDR.
Doch wir wollen nicht weiter insistieren, zumal Sie selbst ja wissen, dass Sie mit Ihrem Bedauern „nur einer sehr kleinen Minderheit angehöre[n]“.

Berliner Zeitung, orthografisch Irritierende – Sie haben uns etwas erschreckt mit Ihrer Überschrift „Botschafter werden ans Bellevue projiziert“. Was für eine Nachricht! Für Botschafter in Berlin klingt das gefährlich, Berlin steht nun womöglich nicht mehr auf deren Karrierewunschliste. Kündigt sich so das Ende der Diplomatie an?
Der Text gab dann übrigens Entwarnung, nur Botschaften werden projiziert … Unser Stoßgebet: Ein Himmelreich für einen Lektor!

2020, Corona-Jahr – Wir verabschieden uns von Dir mit Zeilen, die von einem alten Kinderlied geklaut worden sind:
2020 adé, Scheiden tut weh, aber Dein Scheiden macht, dass mir das Herze lacht …
Wir hoffen auf ein besseres 2021!