La guerre, ce sont nos parents.
Der Studien-Assessor Hein Herbers in Kassel hat Kummer mit seiner Schulbehörde, weil er im Andern Deutschland einen volkstümlichen, klaren und wirksamen Pazifismus getrieben hat. Das können sie ihm nicht verzeihn. Was hat er gesagt –?
Ja, er hat ein paar böse Dinge gesagt. Er hat vor allem das Vernünftigste getan, was sich überhaupt tun läßt: er hat den Krieg entehrt. Das ist ein altes Rezept; es wird aber viel zu wenig befolgt. Im Gegenteil: wenn Hitler die blödsinnigsten patriotischen Parolen ausgibt, dann verteidigen sie sich noch auf der andern Seite; statt ihn auszulachen, wollen sie sich an Patriotismus weder von ihm noch von einem andern übertreffen lassen. Grade darin aber siegt er – und mit Recht. Man lasse ihn mit seiner Staatenvergötzung allein, lache ihn aus und gehe zur Tagesordnung über.
Auf der andres steht. Nämlich: wie bewahrt man die nächste Generation davor, sich für ein Nichts abschießen zu lassen –?
Eben das hat Herbers getan: er hat das Nichts aufgezeigt, und er hat die militärische Religion gelästert, indem er dartat, dass ein General eigentlich kein Soldat mehr sei. (Das Tagebuch nannte diesen Stand einmal sehr gut Schlachtendirektoren. Groener muß glatt vergessen haben, zu klagen.) Herbers hat den Wahnwitz dieses modernen Krieges aufgezeigt: hinten die Dirigenten, die gar nicht in die Lage kommen, Heldenmut zu zeigen. Und hier ist zu sagen, dass es auf den Mechanismus ankommt, nicht darauf, dass zahllose Generale – darunter bestimmt Hindenburg – genau so tapfer und brav in den Tod gegangen wären wie der Ackerknecht des Todes, der unbekannte Soldat. Was in unsern Augen kein Vorzug ist.
Herbers wies auf das hohe Alter der meisten Generale hin – und gleich fanden sich Leisetreter des Pazifismus, die ihm das verübelten. Man könne doch nicht … und das sei doch … kurz: Gerechtigkeits-Kasperles, die dem Militär nicht nur das Soldbuch, sondern die ganze schöngeistige Bibliothek hinhielten.
Böser waren die amtlichen Feinde von Herbers.
Wer da weiß, unter welchen Opfern dieser Mann seit Jahren seinen Kampf durchführt; wer weiß, dass ihm auch der ärgste Feind nicht nachsagen kann, er habe seinen Pazifismus etwa – Gottbehüte! – in die Schulstunde getragen, wo es flott imperialistisch und militaristisch zuzugehn hat, der versteht vor allem nicht, wie der Elternrat der Schule, an die er anläßlich dieser Angelegenheit versetzt wurde, sich gegen ihn hat aussprechen können. Die Herren Eltern wünschen eben ihre Kinder in den Schützengraben – es sind feine Leute.
Herbers hat den Krieg angeklagt, und nun haben sie ihn selber angeklagt. Es ist auch sehr gut möglich, dass ich ihm noch damit schade, wenn ich mich hier seiner annehme.
Der Geisteszustand in den kleinen Städten und vor allem in den amtlichen Kreisen ist schlechteste Metternichzeit: vermufft, borniert, böse reaktionär und das alles ganz und gar ungeistig. Siegreich hat Frankreich sie geschlagen, und daran denken sie Tag und Nacht. Statt Männer zu unterstützen, die, wie Herbers, mit einer heißen Liebe zu Deutschland das schlimmste aus der Welt ausrotten möchten, was es gibt: den organisierten Massenmord, propagieren sie diesen Mord. Der Krieg wird von den besten Denkern in den Anklagezustand versetzt: Herbers hat nichts weiter getan, als ihnen zu folgen. Und das darf er nicht. Und tuts doch. Und ist im Begriff, Stellung, Verdienst, Arbeitsplatz zu verlieren, nur, weil er außerhalb der Schule durchsetzen möchte, dass Menschen sich nicht deshalb ungestraft töten dürfen, weil sie sich vorher dazu einen Schlachterkittel anziehn. Denn der macht nicht straflos.
Es gibt, besonders im deutschen Westen, weite Kreise von alten und jungen Leuten, denen Krieg eine Abscheulichkeit bedeutet, Leute, die deshalb weder ›schlechte Deutsche‹ noch ›bezahlte Agenten‹ sind. Man sollte sich gegen solche törichten Vorwürfe gar nicht verteidigen.
Wovon wird Deutschland geschüttelt? Von dem Wunsch, den Frieden zu organisieren? So sehn wir aus.
Weder eine Schulbehörde noch sonst eine Behörde hat das Recht, für Deutschland zu sprechen. Deutschland sind auch wir. Wems nicht paßt, der sehe nicht hin.
Wer da ahnt, auf welche unermeßlichen Schwierigkeiten die pazifistische Kleinarbeit auf dem Lande stößt, der wird dem tapfern Friedenssoldaten Hein Herbers wünschen, dass er etwas sehr Seltenes findet: faire Beamte, die sein Streben nach Wahrheit und Sauberkeit und seinen Kampf für den Frieden so aufnehmen, wie er gemeint ist. Es gibt viele Arten, pazifistisch tätig zu sein – und ich will meine Art, unsre Kriegsminister zu beurteilen, keinem aufdrängen. Aber über eines sollte es unter anständigen Menschen nur Einstimmigkeit geben:
Déshonorons la guerre! Entehren wir den Krieg.
Ein Pädagoge, der da mithilft, verdient Förderung, aber keine Verfolgung.
Laßt euch nicht narren: Militarismus sei keine Religion. Er ist eine Bestialität.
Erstmals erschienen in Die Weltbühne 16/1932. La guerre, ce sont nos parents: „Der Krieg, das sind unsere Eltern“ – Anm. der Red.
Schlagwörter: Ignaz Wrobel, Militarismus, Pazifismus, Schulbehörde