Erstmals sind im vergangenen Jahr zwei wissenschaftliche Studien über die CO2-Emissionen des US-Militärs veröffentlicht worden. Die Konfliktforscherin Neta Crawford von der Bostoner Universität kam zu folgendem Ergebnis; „Im Finanzjahr 2018 hat das US-Verteidigungsministerium 56 Millionen Tonnen an CO2 Emissionen verursacht. Damit gehört das Pentagon zu den 50 größten Kohlendioxid-Verursachern der Welt. Die Emissionen des US-Militärs sind größer als die von Dänemark, Schweden oder Portugal.“
Rechnet man noch den jährlichen Kohlendioxid-Fußabdruck der US-Rüstungsindustrie hinzu, beträgt der jährliche CO2-Ausstoß laut Crawford sogar über 200 Millionen Tonnen. Allerdings sind zwei Dinge zu berücksichtigen. Zum einen machen die auf militärische Aktivitäten zurückzuführenden Emissionen nur einen kleinen Teil der gesamten CO2-Emissionen der USA aus – weniger als vier Prozent. Zum anderen hat das Pentagon seine Emissionen in den vergangenen 15 Jahren deutlich reduziert: Von 85 Millionen Tonnen im Jahre 2005 auf 56 Millionen Tonnen 2018, dem letzten Jahr, für das Zahlen zur Verfügung stehen.
In einer anderen Studie analysierten britische Wissenschaftler den Kauf von Öl und Gas durch die „Defense Logistics Agency Energy“ – einer speziellen Pentagon-Behörde, die weltweit für die Energieversorgung des US-Militärs zuständig ist. Der Autor Oliver Belcher von der englischen Universität in Durham hat das Ergebnis seiner Forschung folgendermaßen zusammengefasst: „Das US-Militär hat seit 2001, dem Beginn des ‚Kriegs gegen den Terror‘, 1,2 Milliarden Tonnen an Treibhausgasen verursacht. Und etwa ein Drittel davon, 400 Millionen Tonnen, sind auf die US-Kriegseinsätze in dieser Zeit zurückzuführen.“
Das Pentagon ist nicht sonderlich transparent, wenn es um den Ausstoß von CO2 geht, hat Belcher festgestellt. Von anderen Staaten, wie Russland und China, ist in dieser Sache allerdings noch viel weniger zu erfahren. Präzise Aussagen über den weltweiten CO2-Fußabdruck des Militärs sind deshalb nur schwer möglich. Doch wie Belcher geht auch der Politikwissenschaftler Karl-Heinz Peil von der „Informationsstelle Militarisierung“ in Tübingen davon aus, dass die USA weltweit den Löwenanteil der militärisch bedingten Treibhausgase emittieren – nicht nur, weil auf die USA mehr als ein Drittel der weltweiten Rüstungsausgaben entfallen: „Das Ganze wird noch dadurch verstärkt, dass die USA nicht nur drastisch höhere Rüstungsausgaben haben, sondern dass mit diesen Rüstungsgütern ja permanent ein weltweiter Einsatz verbunden ist mit einer sehr aufwendigen Logistik, mit Kampfjets, mit Flugzeugträgern und dergleichen mehr.“ Sowie mit über 700 militärischen-Stützpunkten außerhalb der USA, wäre zu ergänzen.
Nicht nur das US-Militär, auch die Bundeswehr hat in den vergangenen Jahren die Treibhausgasemissionen reduziert, sagt Daniel Nitsch vom Bundesverteidigungsministerium: „Im Jahr 2005 waren es 2,66 Millionen Tonnen CO2--Äquivalente und im Jahr 2019 waren es noch 1,45 Millionen Tonnen CO2. Das entspricht einer Reduktion von etwas mehr als 45 Prozent.“
Die deutliche Verringerung der von der Bundeswehr verursachten Treibhausgase hat verschiedene Ursachen: Zum einen ist sie zurückzuführen auf die klimaeffiziente Modernisierung von Gebäuden und auf energiesparende Neubauten. Eine große Rolle dürfte auch die Reduzierung der Truppenstärke gespielt haben: 2005 hatte die Bundeswehr noch einen Umfang von rund 250.000 Soldatinnen und Soldaten – heute sind es rund ein Viertel weniger. Auch Kritiker der Ökobilanz der Bundeswehr wie Peil erkennen an, dass beim Einsatz von zivilen Elektro-Fahrzeugen die Bundeswehr eine Vorbildfunktion hat. Aber er bemängelt, dass die Truppe in ihren Berichten den CO2-Ausstoß bei Auslandseinsätzen unberücksichtigt lässt. Zugleich warnt Peil davor, einzelne Vorzeigeobjekte zu überschätzen: „Die Bundeswehr hat derzeit 1500 Liegenschaften mit 34.000 Gebäuden, und in dem letzten Nachhaltigkeitsbericht der Bundesregierung ist davon die Rede, dass man 34 Photovoltaik-Anlagen dort installiert hat. Diese Zahl muss man allerdings vor dem Hintergrund sehen, dass in Deutschland insgesamt 1,7 Millionen Photovoltaikanlagen installiert sind.“
Das Verteidigungsministerium plant, den CO2-Ausstoß entsprechend dem Klimaschutzprogramm der Bundesregierung beim Energieverbrauch für die Bundeswehr-Liegenschaften noch weiter zu reduzieren. Doch darüberhinausgehende konkrete Reduktionsziele für die Emissionen durch die Bundeswehr insgesamt gibt es nicht. Trotzdem arbeite man an einem postfossilen Zeitalter für die deutschen Streitkräfte, so Nitsch: „Da haben wir ein großes Ziel, dass wir uns sehr intensiv dem Einsatz synthetisch erzeugter Kraftstoffe, das heißt CO2-neutral erzeugter Kraftstoffe, widmen und das intensiv untersuchen, um einfach unsere Versorgungslage sicherzustellen und da auch eine gewisse Autarkie zu erreichen.“
Allerdings: Der Einsatz von synthetischen Kraftstoffen für spritfressende Kampfflugzeuge und Panzer ist noch Zukunftsmusik. Und der inzwischen geplante Aufwuchs der Bundeswehr um 20.000 Mann wird sich ebenfalls negativ auf die Klimabilanz auswirken.
Das Ziel einer klimafreundlicheren Bundeswehr dürfe man ohnehin nicht überbewerten, meint Stefan Bayer vom sicherheitspolitischen Thinktank der Bundeswehr, dem German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS) in Hamburg. Denn die Hauptaufgabe der Bundeswehr sei, Sicherheit zu produzieren. Und der Klimawandel werde die deutschen Streitkräfte ganz anders fordern als bisher. Mehr Einsätze seien vielleicht nötig im Inneren bei Katastrophen oder im Ausland, zum Beispiel im Zusammenhang mit Migrationsströmen „Wenn die Bundeswehr dann mehr an Einsätzen realisieren wird“, so Bayer weiter, „ist die Frage, ob das nicht notwendigerweise möglicherweise mehr Emissionen verursacht. Das kann eine Folge sein. Der technische Fortschritt kann uns hier helfen. Aber in erster Linie geht es um den Hauptauftrag der Bundeswehr, nämlich so etwas wie Verteidigung sicherzustellen, Sicherheit und Frieden zu generieren. Und wenn das mit weniger Umweltschutz einhergeht, ist das eine lässliche Sünde“. Einen höheren Ausstoß an Treibhausgasen durch mehr Militäreinsätze könne man in Kauf nehmen, denn das Ausmaß der militärischen Emissionen sei insgesamt sehr gering, so Bayer. Tatsächlich beträgt es wohl nur etwa ein bis zwei Prozent aller deutschen CO2-Emissionen.
Auch wenn das Pentagon und die US-Rüstungsindustrie mehr, etwa drei bis vier Prozent der US-Emissionen verursachen, ist die Argumentation doch ähnlich. Die Bostoner Politologin Crawford kritisiert eine solche Sichtweise: „Das Pentagon sieht die eigenen CO-Emissionen nicht als eine der Ursachen des Klimawandels an. Wenn das Verteidigungsministerium einen Beitrag leisten wollte, könnten es zum Beispiel Stützpunkte in den USA schließen. Die US-Militärs schätzen selbst, dass dort jeder Fünfte überflüssig ist. Und das Pentagon könnte die Auslandsbasen reduzieren – außerdem See- und Luftpatrouillen zum Beispiel im Persischen Golf. Das würde den CO2-Ausstoß des US-Militärs um 25 Prozent vermindern.“
Weniger Soldaten und weniger Militäreinsätze – so könnte das Militär seinen Beitrag leisten, um die Klimaerwärmung zu stoppen. Diese weitreichende Forderung unterstützt der auch Oliver Belcher. Kurzfristig verlangt er vor allem mehr Transparenz von den Militärs – und zwar weltweit: „Das wichtigste wäre erst einmal, dass das Militär mehr Daten über den Treibstoffverbrauch und die CO2-Emissionen veröffentlichen muss. Jede militärische Operation verursacht CO2-Emissionen. In der Debatte um Militäreinsätze und Kriege müssen dann diese ökologischen Kosten eine große Rolle spielen.“
Bis es zu einer solchen Transparenz bei den CO2-Emissionen von Militäroperationen sowie den im Heimatland stationierten Streitkräften kommen wird, dürfte es noch eine Weile dauern.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag des Autors für die Senderreihe „Streitkräfte und Strategien“ (NDR-Info, 8.8.2020).
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