23. Jahrgang | Nummer 15 | 20. Juli 2020

Wieland Förster: Bildhauer – Zeichner – Erzähler

von Ulrich Kaufmann

Der über Deutschlands Grenzen hinaus bekannte Bildhauer Wieland Förster wurde im Frühjahr, am Ende seines neunten Lebensjahrzehnts, im Erfurter Angermuseum mit einer Ausstellung geehrt. Zu sehen waren 60 seiner Skulpturen und 70 Zeichnungen. Die bildhauerischen Werke kamen aus Försters Geburtsstadt Dresden, aus der Skulpturensammlung des Albertinums. Ein Großteil seiner Plastiken gehört zur Förster-Stiftung. Zahlreiche andere Skulpturen stehen im öffentlichen Raum – so die Hommage á Schiller in Weimar. Zeigen kann man deshalb immer nur Teile seines gigantischen Gesamtschaffens. Die Zeichnungen sind im Besitz des Künstlers.

Dem Besucher bleiben sinnliche Paare, wunderbare weibliche Akte, viele Torsi in Erinnerung. Der Liebe und Lebensfreude setzt Förster sein Generalthema entgegen: Bereits die Titel vieler seiner Skulpturen verweisen darauf: Kopf der Gelähmten, Großer trauernder Mann, Das Opfer, Der Gefesselte, Namenlos – Ohne Gesicht, Erschossener, Großes und Kleines Martyrium, Passion, Marsyas … Seine Aufmerksamkeit gilt den Geschlagenen, Machtlosen, den Gedemütigten.

Zudem schuf Förster  eine beträchtliche Zahl vorzüglicher Künstler-Büsten und Skulpturen, darunter Arbeiten zu Bernhard Minetti, Otmar Suitner, Hans Theo Richter, Hanns Eisler, Walter Felsenstein sowie 1965 ein Selbstporträt (Maske). Auffallend viele Schriftsteller hat Wieland Förster porträtiert, darunter auch einige, die nicht zu den Arrivierten zählten. Er porträtierte Kleist, Jean Genet, Huchel, Jelinek, Arendt und Böll, dem er eine besonders einprägsame Stele gewidmet hatte. Seine letzte bildhauerische Arbeit ist eine über 2 Meter hohe  Bronze für Uwe Johnson. Dieses Kunstwerk von 2006 steht vor der Güstrower Schule, in die der spätere Erzähler gegangen war. Für den hochverehrten Bobrowski schuf Förster den Grabstein. Die körperlich schwere bildhauerische Arbeit musste Förster 2007 einstellen. Seitdem ist er als Zeichner, vor allem als Autor tätig.

Ende der 1960er Jahre saß Franz Fühmann, später ein enger Freund des Bildhauers, fünfmal Modell für eine Bronze-Büste. Zögerlich legte Förster das Manuskript seines „Tunesien-Tagebuchs“ auf den Tisch, um den Gast als Leser beobachten zu können. Schnell begriff Fühmann, dass der große Bildhauer zugleich Schriftsteller war. Fühmann sorgte dafür, dass aus den Blättern 1974 ein Buch wurde, das er mit einem Nachwort begleitete. Förster legte Reisebilder, Erzählungen, Essays und eine Autobiographie vor. Der Rang Försters als Schriftsteller würde, meint Volker Braun, noch spürbarer sein, wenn dem paradoxerweise nicht die überragende Bedeutung als Bildhauer entgegenstünde.

Wer Försters Buch „Tamaschito“, den „Roman einer Gefangenschaft“ (2017) gelesen hat, wird diesen nie vergessen. Die geschilderten bestialischen Erlebnisse sind so authentisch erfasst, dass der Leser spürt: Durch diese Hölle musste der Autor selbst gegangen sein. Infolge einer unerhörten Denunziation geriet der gebrechliche Junge für Jahre in die Fänge des NKWD. Nur der Zufall schützte den TBC-Kranken vor einem Arbeitsdienst im sibirischen Gulag. Wer dies weiß, versteht, weshalb der Bildhauer Wieland Förster ein Leben lang Opfer jeglicher Gewalt in das Zentrum seines Schaffens gestellt hat.

Kai Uwe Schierz, Thomas von Taschitzki (Herausgeber): Wieland Förster – Skulpturen und Zeichnungen – Zum 90. Geburtstag des Bildhauers. Ausstellungskatalog. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2020, 191 Seiten, 25,00 Euro.