Joachim Krause war bis 2016 Professor für Politologie an der Universität Kiel und ist derzeit dort noch Leiter des Instituts für Sicherheitspolitik sowie im Nebenberuf Mitherausgeber von Sirius. Zeitschrift für Strategische Analysen. Krause für einen Experten in sicherheitspolitischen Fragen zu halten, dürfte daher statthaft sein. Wenn man allerdings dagegenhält, was Joachim Krause regelmäßig so von sich gibt, dann können einem in dieser Hinsicht allerdings Zweifel kommen.
Jüngst ließ sich Krause zu den deutschen Rüstungsexporten ein – in der Wochenzeitung DIE ZEIT. Bekanntlich hatte im vergangenen Jahr die Bewilligung von Rüstungsexporten durch den Bundessicherheitsrat (BSR), dem unter der Leitung der Kanzlerin mit den Ressortchefs für Äußeres, Finanzen sowie Justiz auch drei SPD-Minister angehören, nach Auskunft des Bundeswirtschaftsministeriums mit über acht Milliarden Euro die bisherige Höchstmarke aus dem Jahre 2015 (7,86 Milliarden Euro) noch übertroffen. Im Vergleich zu 2018 (4,82 Milliarden) immerhin eine Steigerung um beachtliche über 65 Prozent.
Wo es von Greenpeace angesichts dieser regierungsoffiziellen Angaben für „eine Schande“ gehalten wird, „dass Deutschland zu den größten Rüstungsexporteuren der Welt zählt“, da weiß Krause: „Die von der Bundesregierung veröffentlichten Zahlen über Exportgenehmigungen für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter sind nur begrenzt aussagefähig. Sie spiegeln nicht die Höhe der tatsächlichen Exporte wider, denn in diesen Zahlen sind auch die Wertevolumina von Voranfragen enthalten, bei denen gar nicht gesichert ist, ob daraus mal Rüstungsexporte werden.“
Exkulpierung durch Relativierung könnte man dieses Argumentationsmuster nennen. Und im Falle von Krause damit jede ernsthafte Auseinandersetzung mit ihm beenden, denn Ernsthaftigkeit setzt Seriosität voraus. Die ist bei Krause jedoch offensichtlich nicht gegeben. Ein Blick in einen der offiziellen jährlichen Rüstungsexportberichte der Bundesregierung, etwa den für 2018 (da der für 2019 beim Abfassen dieses Beitrages noch nicht vorlag) zeigt nämlich, dass die Regierungsangaben eben nicht durch Einschluss von Voranfragen und deren Volumina „aufgebläht“ sind, sondern dass „nur“ ausgewiesen wird, was im betreffenden Jahr an Lieferungen tatsächlich genehmigt oder bereits geliefert worden ist.
Da Krause aber in hiesigen Leitmedien und auf anderen, in Fachkreisen nicht unprominenten Plattformen regelmäßig zu Wort kommt, soll die Exegese seiner Einlassungen doch noch etwas fortgeführt werden. Generell scheint Exkulpierung durch Relativierung so etwas wie Krauses Leitprinzip bei der Bewertung der deutschen Rüstungsexporte zu sein:
- „Deutschland“, so der Kieler Professor, „ist als Lieferant für die derzeit laufenden Konflikte und Kriege in der Welt eine vernachlässigbare Größe.“ Dies zu wissen, wird den zivilen Opfern und ihren Hinterbliebenen im Bürgerkriegsland Jemen, wo sich seit Jahren die „größte humanitäre Katastrophe der Welt“ (O-Ton Tagesschau) abspielt, gewiss ein Trost sein.
Und der nachgewiesene Einsatz von saudi-arabischen Eurofightern und Tornados – europäischen Co-Produktionen mit deutschem Anteil – im Jemen? Oder von gepanzerten Fahrzeugen der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) mit Waffenstationen vom Typ FeWas der deutschen Firma Dynamit Nobel Defence in oder nahe den jemenitischen Städten Aden, Al Khawkhah und Hudaida? Oder von G-36-Gewehren, Maschinengewehren MG4, Luna-Drohnen, Unimog-Fahrzeugen – alles deutsche „Produkte“? Quantités négligeables? In Krauses Diktion jedenfalls „nur Einzelfälle“. - Nachgewiesen ist ebenfalls, dass die VAE in Deutschland gebaute Kriegsschiffe im Jemen-Krieg einsetzt haben und dass die Blockade jemenitischer Häfen wie Hodeida durch Kriegsschiffe der saudisch geführten Kriegskoalition maßgeblich zur Notlage der jemenitischen Bevölkerung beigetragen hat. Wie ist da Krauses Einlassung zu werten, wonach „Schiffe […] heute vor allem dem Schutz von Küsten [dienen]“? Als einfach nur zynisch?
- Trotz all dieser Sachverhalte wiegelt Krause munter weiter ab: Der Eindruck sei falsch, „dass deutsche Rüstungstechnik dort (im Jemen – S.) maßgeblich für den Verlauf des Krieges ist“. Das sei „nicht der Fall“. Worauf der Professor gleich noch eine Relativierung vom Stapel lässt: „Wir haben pro Jahr weltweit ungefähr 150.000 Kriegstote, vor allem in Afrika, im Mittleren Osten und in Asien. Die überwiegende Zahl an Waffen, die dort eingesetzt werden, kommen (sic!) nicht aus Deutschland.“ Doch macht dies Menschen, die mit Waffen und unter Zuhilfenahme weiterer Rüstungsgüter deutscher Provenienz ums Leben gebracht wurden, weniger tot?
- Auch Radpanzer vom Typ Fath (eine Lizenzproduktion aus Deutschland) während des Arabischen Frühlings auf dem Tahrir-Platz in Kairo oder 43 mutmaßlich mit aus Deutschland gelieferten G36-Gewehren in der mexikanischen Provinz Guerrero ermordete Studenten – für Krause nur Petitessen: „Solche Beispiele finden sich natürlich. Sie bleiben Einzelfälle.“
Und was meint Krause zur Lieferung von vier deutschen U-Booten an Kairo, wofür das Land Staatseinnahmen vergeudet, die zum Beispiel das ägyptische Gesundheitssystem dringend benötigte, wie nicht erst die Coronapandemie gezeigt hat? Da wirft sich der Professor in die Brust, den „Aspekt nehme ich ernst“, zeigt sich jedoch zugleich überzeugt, „dass das auch in der Exportentscheidung der Bundesregierung berücksichtigt worden ist“. Wie er auf diese Idee kommt bleibt sein Geheimnis. Doch darauf kommt es ihm augenscheinlich auch gar nicht wirklich an, denn er schiebt mit Verve ein ebenso schlichtes wie entlarvendes Totschlagsargument nach: „[…] wollen Sie anderen Staaten sagen, unsere Rüstungsgüter sind zu teuer für euch, gebt mal lieber mehr Geld für eure Gesundheitssysteme aus? Dann kaufen die sich das U-Boot halt woanders.“
Doch ein gänzlich undifferenzierter Heilsbeter deutscher Rüstungsexporte ist der Kieler Professor denn doch nicht. Etwa im Hinblick auf den Einsatz deutscher Leopard-2-Kampfpanzer durch die Türkei bei ihrem völkerrechtswidrigen Kriegseinsatz in Syrien lässt Krause kritische Einwände durchaus gelten. Allerdings nicht, ohne diesen Fall zum Plädoyer für mehr Laxheit in der Genehmigungspraxis gegenüber Nicht-NATO-Staaten zu drehen: Am Beispiel Türkei werde „der Nachteil einer deutschen Exportpolitik offenkundig, die zwischen Verbündeten und sogenannten Drittländern unterscheidet. Die Türkei gehört zur Nato und konnte deshalb mit fast allem beliefert werden. Andererseits behandeln wir Drittstaaten, als wären sie erst einmal Gangster und Ganoven, auch wenn sie politisch völlig unproblematisch sind.“
So „politisch völlig unproblematisch“ wie vor wenigen Jahren noch Saudi-Arabien, als Riad noch keinen Krieg im Jemen führte und zu den Hauptempfängern deutscher Rüstungsexporte zählte? Diesen Exporten stellt Krause insgesamt einen blütenweißen Persilschein aus: „Unsere Lieferungen dienen der Sicherheit.“
Dass ein solches Diktum nicht nur fragwürdig, sondern pure Apologetik ist, dürften die hier aufgeführten Exempel hinreichend verdeutlicht haben. Zumal die Aufzählung durch weitere Beispiele aus Vergangenheit und Gegenwart fortgesetzt werden könnte – siehe etwa die Bemerkung „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern …“ in der Blättchen-Ausgabe 8/2020.
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