Vom 9. Februar bis zum 11. März 1953 wurde auf der Insel unter dem Decknamen „Aktion Rose“ gegen die Besitzer von Hotels, Pensionen und anderen Privatbetrieben wegen angeblicher Wirtschaftsvergehen oder Agententätigkeit für Westdeutschland ermittelt. Herkunft und Bedeutung des Decknamens sind bis heute ungeklärt. Mandelkow (Urlaub auf Rügen. Seit wann und für wen?) verweist darauf, dass ursprünglich der Deckname „Ferien“ vorgesehen war.
Die II. Parteikonferenz der SED im Juli 1952 hatte den Aufbau des Sozialismus (sowie die „Notwendigkeit einer Verschärfung des Klassenkampfes“ und der verstärkten Aufrüstung, verbunden mit der Schaffung einer „Schutzzone Ostseeküste“) beschlossen, wobei die steigenden Arbeitsanforderungen durch Urlaubsangebote für die Werktätigen flankiert werden sollten. Den Urlaub sollte ein staatlich beziehungsweise gewerkschaftlich organisiertes Erholungswesen gewährleisten, dass sich jedoch noch im Aufbau befand. Zwar gewann der 1947 gegründete Feriendienst des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes um 1948/49 in den Badeorten zunehmend an Bedeutung, dies aber nur durch die vertragliche Bindung privater Hotels und Pensionen. FDGB-eigene Einrichtungen waren dagegen in der Minderzahl. So verweist eine kleine Broschüre des FDGB-Feriendienstes um 1950 für Göhren und Binz auf jeweils nur ein Eigenheim des Feriendienstes, das „Wilhelm-Pieck-Heim“ beziehungsweise den „Berliner Hof“. Rund 80 Prozent der „FDGB-Urlaubsplätze“ befanden sich in den Händen privater Hoteliers und Zimmervermieter, die die mit „Dringlichkeitsbescheinigung des FDGB“ alle14 Tage anreisende Urlauber aufnahmen. Für viele der Besitzer waren damit eine kontinuierliche Auslastung ihrer Häuser und sichere Einnahmen verbunden. Der Anteil der FDGB-Urlauber stieg – auch durch die Bevorteilung der „SDAG-Wismut“ – in den einzelnen Badeorten unterschiedlich und lag teilweise erheblich unter den angestrebten 30 Prozent, die in Sellin, Baabe und Göhren erst 1951 übertroffen wurde.
Welchen Anteil Walter Ulbrichts Unmut über die vielen Privatunterkünfte bei seiner Reise 1952 auf die Insel Rügen an den folgenden Ereignissen hatte, sei dahingestellt. Entscheidend dürften die oben genannten Parteibeschlüsse gewesen sein, die auch zum rigorosen Vorgehen gegen das Verhalten der (Originaltext der Ostseezeitung Ende Februar 1953:) „verfaulenden kleinbürgerlich-kapitalistischen Schicht“ führten, „die entlang der Ostseeküste die Hotels und Pensionen besaß und von Betrug und Unterschlagung lebte“.
In Vorbereitung der Aktion wurden durch falsche Bautechniker und Steuersachverständige mit echten Ausweisen vom Rat des Bezirkes Rostock die in Frage kommenden Objekte aufgelistet. „In Frage“ kamen Objekte mit einem Buchwert über 30.000 Deutsche Mark.
Laut im Internet veröffentlichtem Einsatzplan vom 30. Januar 1953 sollten die Einsatzkräfte so überraschend in die Häuser eindringen, dass es dem Besitzer oder Pächter nicht möglich wäre, Beweismaterial beiseite zu schaffen. Tatsächlich erfolgten die Durchsuchungen häufig keinesfalls überfallartig, so dass sich jeder Hotel- oder Pensionsbesitzer ausrechnen konnte, wann er „an der Reihe“ war, möglicherweise die Nerven verlor und floh. Insgesamt sollen 219 Personen noch vor der Aktion in den Westen geflohen sein, wobei sie teilweise heimlich durch Gemeindevertreter und andere Personen vor den bevorstehenden Durchsuchungen oder Verhaftungen gewarnt worden waren. Einige der Betroffenen, darunter Jasmunder Kreidewerksbesitzer, verübten Selbstmord.
Die „Einsatzkräfte“ waren 400 Teilnehmer und Angehörige des Lehrpersonals des IV. Lehrganges der Zentralschule der Volkspolizei K Arnsdorf bei Dresden sowie örtliche Kräfte der Volkspolizei-See und der Grenzpolizei, davon allein 30 im Kreis Bergen und 170 im Kreis Putbus. Von ihnen war wohl weniger Empathie mit den Betroffenen zu erwarten als von den örtlichen Polizeiangehörigen. In die Einsatzleitung in der Bezirksbehörde der Volkspolizei Rostock war Staatsanwalt Josef Streit integriert, ein Sondergericht hatte seinen Sitz in Bützow-Dreibergen.
Wurden bei den Durchsuchungen – die, weil es keinen begründeten Verdacht gab, selbst nach DDR-Recht gesetzwidrig waren – auch nur kleinste tatsächliche oder unterstellte Vergehen festgestellt, waren sie Anlass für Schnellverfahren, in denen die „Beschuldigten“ zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. „Rechtsgrundlage“ war das im Oktober 1952 in Kraft getretene „Gesetz zum Schutz des Volkseigentums und anderen gesellschaftlichen Eigentums“.
Die „Verbrechen“, die bei der Mehrzahl der Privatbesitzer festgestellt wurden, könnten als lächerlich bezeichnet werden – wenn sie nicht mit oft völlig unverhältnismäßigen Urteilen verbunden gewesen wären: Waren aus einer vergangenen Saison Nahrungsmittel übrig geblieben, wurde dies als „Lebensmittelhortung“ charakterisiert oder man unterstellte „Überschreitung der zugeteilten Menge“ ohne „Bezugsberechtigung der Wirtschaftsverwaltung“; selbst gemachte Salzheringe waren angebliche „Schwarzkäufe“ vom Fischer; das Fällen eines Baumes auf dem eigenen Grundstück konnte eine Anklage wegen „Wirtschaftssabotage“ zur Folge haben – das alles gefährdete „natürlich“ die Versorgung der Bevölkerung oder bedeutete, den Imperialismus in Westberlin und Westdeutschland zu unterstützen.
Amanda Wesch, die mit ihrer Freundin Elisabeth Suren die „Pension Gudrun“ in Binz betrieb, schilderte, dass man in ihrer Buchführung einen lächerlich kleinen Fehler fand, „den ich sofort aufklären konnte. Niemand hörte mir zu, niemand wollte meine Erklärung wissen […] Nach vielen Stunden verließen die Uniformierten mein Haus. Elisabeth und ich wurden aufgefordert, uns am nächsten Tag um 15 Uhr an der Strandpromenade einzufinden, mit Personalausweis und Verpflegung. Was das bedeutete, wusste jeder auf Rügen.“ Die beiden Pensionsinhaberinnen flüchteten in den Westen.
Das Vermögen der enteigneten Besitzer wurde zwangsversteigert. An der gesamten Ostseeküste wurden im Februar 1953 insgesamt 440 Hotels und Pensionen sowie 181 Gaststätten, Wohnungen, Betriebe, Grundstücke und 100 Kraftfahrzeuge konfisziert, die Familien wurden in einer „Küstenbereinigungsaktion“ in entfernte Landkreise umgesiedelt. 447 Personen wurden festgenommen, 408 Personen (212 Unternehmer, 45 Großbauern, 63 Angestellte, 2 Angehörige der Intelligenz, ein Bauer, 64 Arbeiter) wurden überwiegend nach der Wirtschaftsstrafverordnung vom 23. September 1948 angeklagt, 378 von ihnen mit Strafmaßen zwischen einigen Monaten Gefängnis und 10 Jahren Zuchthaus verurteilt. Der Wert der beschlagnahmten Objekte betrug rund 30 Millionen Mark, weitere 1,7 Millionen Mark Bargeld und etwa eine halbe Million Mark in Form von Schmuck und Wertsachen kamen hinzu.
Die Aktion war mit einem großen propagandistischen Aufwand verbunden, um die verunsicherte Bevölkerung zu beruhigen. In den verordneten „Aufklärungsversammlungen“ wurde gefragt, ob man noch private Hühner halten oder Salzheringe einlegen dürfe, ob es strafbar sei, Bismarckheringe zu marinieren. Bestandteil der Propaganda waren entsprechende Rundfunk- und Zeitungskommentare und angebliche Leserbriefe. In einem am 6. März 1953 in der Ostseezeitung veröffentlichten Leserbrief hieß es: „Einen Abscheu empfinden wird gegenüber diesen Bestien, denen es nur um höhere Profite ging. Während sie sich besoffen, prunkten und tummelten, ließen sie die von ihnen Abhängigen in Ställen hausen.“ Ein bezeichnendes Vokabular, das sich auch in anderen Medienberichten fand.
Schon im Juni 1953 wurden unter anderem auf Druck der Sowjetunion und infolge der Ereignisse um den 17. Juni einige der Maßnahmen zurückgenommen; die meisten der verurteilten Hotel- und Pensionsbesitzer wurden entlassen und erhielten ihren Besitz zurück – viele mussten später dennoch und meist zu niedrigen Preisen verkaufen, weil die geringen Mieteinnahmen und der ständige Materialmangel keine private Führung eines Hotels oder einer Pension zuließen. Misstrauen und Unsicherheit blieben, und erneut flüchteten Hotel- und Pensionsbesitzer in die Bundesrepublik. Zu einer wirklichen Rehabilitierung kam es nur vereinzelt. So bescheinigte Bürgermeister Hübner von Baabe einigen der Enteigneten, „dass sie anständige Menschen seien und sich in der Gemeinde einwandfrei benommen hätten“. Nach der Wende erhielten die noch 1953 geflüchteten Besitzer auf Antrag ihre Einrichtungen zurück. Diejenigen, die ihre Hotels und Pensionen verkaufen mussten, hatten dagegen häufig keine Chance, die entsprechenden Verträge juristisch rückgängig zu machen.
Das offizielle Ziel der „Aktion Rose“, „die Badeorte an der Ostseeküste zu wirklichen Erholungsstätten“ zu machen, wurde zunächst völlig verfehlt: Die Mehrzahl der enteigneten Unterkünfte waren nicht arbeitsfähig, das Fachpersonal war verhaftet oder vertrieben und konnte nicht von heute auf morgen ersetzt werden, ein Großteil der Einrichtungen wurde durch das Ministerium des Innern und die Kasernierte Volkspolizei belegt. Das Rügener Fremdenverkehrsgewerbe erreichte dadurch 1953 einen absoluten Tiefpunkt.
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