23. Jahrgang | Nummer 8 | 13. April 2020

Trump setzt auf militärische Stärke

von Otfried Nassauer

Der Führungsstil von Präsident Donald Trump wird oft als autokratisch, sprunghaft oder gar erratisch kritisiert. Auf ein Thema trifft das jedoch nicht zu: Trump setzt auf militärische Stärke und die konkurrenzlose Überlegenheit der USA bei nuklearen Waffen. Die wichtigsten Konkurrenten sind für ihn Russland und China.

In seiner ersten Rede an die Nation im Januar 2018 kündige Trump die Modernisierung des Nukleararsenals an. „Wir müssen es hoffentlich nie einsetzen, aber so stark und mächtig machen, dass es jeden Akt der Aggression abschreckt.“ Der Präsident bekräftigte, dass „Schwäche der sicherste Weg in den Konflikt ist, während konkurrenzlose Überlegenheit das sicherste Mittel unserer Verteidigung ist“.

Wenige Tage zuvor hatte seine Regierung eine neue Nationale Verteidigungsstrategie veröffentlicht. Deren Zielsetzung fasste das US-amerikanische Verteidigungsministerium in zwei Punkten zusammenfasst. Es gelte „1. den Wettbewerbsvorsprung Amerikas wiederherzustellen, indem die globalen Rivalen China und Russland daran gehindert werden, die USA und ihre Verbündeten herauszufordern [und] 2. diese Rivalen davon abzuhalten, die gegenwärtige internationale Ordnung aus der Balance zu bringen“. Das vom damaligen Verteidigungsminister Jim Mattis unterzeichnete Dokument enthält darüber hinaus einen programmatischen Satz zur Zukunft des Atomwaffenarsenals der USA. Es heißt dort wörtlich: „Das Ministerium wird die nukleare Triade modernisieren – einschließlich der nuklearen Befehls-, Kontroll- und Führungssysteme und der unterstützenden Infrastruktur. Die Modernisierung der nuklearen Streitkräfte wird auch die Entwicklung von Optionen beinhalten, um erpresserischen Strategien eines Konkurrenten entgegenzutreten, die auf dem angedrohten Einsatz nuklearer oder strategisch nichtnuklearer Angriffe beruhen.“

Mit den „erpresserischen Strategien“ wird auf eine konservative US-amerikanische Lesart der russischen Militärdoktrin Bezug genommen. Diese besagt, Russland plane einen Ersteinsatz mit kleinen taktisch-atomaren Waffen – zum Beispiel im Baltikum. Der solle die westlichen Gegner Moskaus vor die Wahl stellen, entweder mit großen, strategischen Atomwaffen zu antworten oder auf einen Gegenschlag zu verzichten. Verzichte der Westen, so müsse er Russland seinen politischen Willen lassen, also einer Erpressung nachgeben. „Eskalieren um zu de-eskalieren“ wird diese Lesart genannt.

Die Rückkehr der „Rivalität der Großmächte“ als Narrativ der politischen Agenda Trumps fand ihre Fortsetzung in dem Grundlagendokument zur künftigen Nuklearwaffenpolitik der USA, dem Nuclear Posture Review, das einen Monat später, im Februar 2018, veröffentlicht wurde. Es enthält das Konzept einer auf mögliche Kontrahenten der USA zu- und maßgeschneiderten nuklearen Abschreckung – vor allem der rivalisierenden Großmächte Russland und China. Sie hervorzuheben bietet offenbar die beste Rechtfertigung für eine umfassende Modernisierung der US-Nuklearstreitkräfte. Mit dem Nuclear Posture Review kündigte Trump nämlich an, alle nuklearen Modernisierungsvorhaben seines Vorgängers Barack Obama weiterzuführen und dessen Pläne zur Außerdienststellung älterer Nuklearwaffen zu verlangsamen. Darüber hinaus sieht das Dokument vor, sich von Obamas Vorgabe zu verabschieden, keine neuen Atomwaffen und keine Atomwaffen mit neuen Fähigkeiten mehr einzuführen.

Angekündigt wurde dagegen die Einführung von U-Boot-gestützten Langstreckenraketen mit nur einem nuklearen Gefechtskopf vergleichsweise geringer Sprengkraft, der den USA eine zusätzliche Handlungsoption gegen den befürchteten russischen Ersteinsatz taktischer Atomwaffen in erpresserischer Absicht geben soll. Zudem sieht das Dokument vor, seegestützte atomare Marschflugkörper wiedereinzuführen und auch in Zukunft bei see- und landgestützten Langstreckenraketen auf unterschiedliche Sprengkopfmodelle zu setzen. Der Nuclear Posture Review sieht also im Kern vor, mehr leistungsfähigere sowie flexibler nutzbare Sprengkopftypen einzuplanen, als dies noch unter Obama der Fall war.

Erste Sprengköpfe für U-Boot-Raketen wurden bereits so umgebaut, dass sie nicht mehr mit 100 Kilotonnen Sprengkraft explodieren, sondern nur noch mit weniger als 10 Kilotonnen. Von den zwei atomaren Sprengsätzen, die ein solcher Sprengkopf gewöhnlich enthält, soll nur noch der kleinere gezündet werden. Das ließ sich einfach, schnell und mit weniger als 100 Millionen Dollar sowie ohne große Diskussion im Kongress realisieren. Schon um den Jahreswechsel 2019/2020 stach mit der „USS Tennessee“ das erste U-Boot mit modifizierten Sprengköpfen vom Typ W76-2 in See.

Im Haushaltsentwurf für 2021 werden jetzt weitere Pflöcke eingeschlagen. Im nächsten Jahr sollen die Mittel für Wartung und Modernisierung atomarer Sprengköpfe erneut deutlich – um 25 Prozent – steigen, auf rund 15,6 Milliarden Dollar. Mehr Geld soll es vor allem für die Modernisierung vorhandener Sprengköpfe und die Entwicklung künftiger Gefechtsköpfe geben. Also zum Beispiel für die B61-12-Atombombe, die auch in Europa gelagert werden soll, oder für eine neue Version von Sprengköpfen für luftgestützte Marschflugkörper. Erste Finanzmittel eingeplant hat die Trump-Regierung auch für Arbeiten an einem neuen Sprengkopf mit der Bezeichnung W93 Mark7 für U-Boot-Raketen. Einen Sprengkopf mit der Bezeichnung W93 gibt es bislang ebenso wenig wie einen Wiedereintrittsflugkörper Mark7. Beide sollen wohl neu entwickelt werden. Zusätzlich soll der Sprengkopf so ausgelegt werden, dass man aus ihm weitere neue Varianten ableiten kann.

Fehl ginge jedoch die Annahme, die Trump-Regierung plane parallel zu der angedachten umfangreichen technischen Modernisierung atomarer Sprengköpfe auch eine massive quantitative Ausweitung des Nuklearwaffenpotentials der USA. Das zeigt der Blick auf die geplanten Gelder zur Modernisierung der Trägersysteme. Die Mittel dafür sollen 2021 nicht wesentlich steigen. Mehr noch: Die Regierung will der Marine aufgegeben, die neuen Raketen-U-Boote der Columbus-Klasse ohne Aufstockung ihres Schiffbauetats zu finanzieren. Auch die Luftwaffe soll offenbar für ihre neuen B-21-Bomber und Interkontinentalraketen keine zusätzlichen Haushaltsmittel bekommen. Donald Trump und seine Regierung setzen offenbar vor allem auf qualitative Aufrüstung und technische Innovation im nuklearen Bereich. Atomwaffen sollen zielgenauer werden, weniger Sprengkraft benötigen und flexibler einsetzbar sein. Abschreckungsfähigkeiten werden von der Führung der USA vor allem dann als glaubwürdig und wirksam betrachtet, wenn man in einer Krise und im Krieg glaubwürdig mit deren tatsächlichem Einsatz drohen kann.

Dieses Denken spiegelt sich auch in der Vorschrift über „Nukleare Operationen“ wider, die im vergangenen Jahr in Kraft getreten ist. Eine Vorschrift zu diesem Thema wurde seit 2005 nicht mehr für notwendig gehalten. Zuletzt war ein solches Dokument 1995 in Kraft gesetzt worden.

Das Denken in kleinen, tatsächlich durchführbaren Nuklearoperationen begrenzter Art steht auch hinter konkreten Waffenentwicklungen wie zum Beispiel dem neuen Sprengkopf W76-2 für die U-Boot-Raketen vom Typ Trident D II. Das ist hoch riskant und ein Spiel mit dem Feuer. Würde eine solche Waffe je abgefeuert, so könnte Russland bis kurz vor oder gar bis zu deren Einschlag kaum sagen, ob es mit einem kleinen Nuklearsprengkopf oder mit bis zu acht großen Atomsprengköpfen angegriffen wird.

In diesem Kontext höchste Besorgnis auslösen muss es, wenn bei einer Anhörung im Senat im vergangenen Februar der US-Oberbefehlshaber für Europa, Tod Wolters, auf die Frage der Senatorin Debbie Fischer, ob ein Verzicht auf die Option eines nuklearen Ersteinsatzes aus seiner Sicht ein denkbarer Schritt sei, dies verneinte und hinzusetzte: Er sei ein Anhänger des flexiblen nuklearen Ersteinsatzes.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag des Autors für die Sendereihe „Streitkräfte und Strategien“ (NDR-Info, 4.4.2020).