22. Jahrgang | Nummer 26 | 23. Dezember 2019

Antworten

Angela Merkel, spät berufene Kabarettistin? – Die jüngste Ausgabe des Satiremagazins „Die Anstalt“ nahm sich das Mautdebakel und die semi-, wenn nicht vollkriminelle Rolle von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer gehörig zur Brust. Scheuers Finanzmauscheleien in diesem Kontext seien offenbar dem Algorithmus gefolgt „1+1 = 3“.
In der Sendung fiel darüber hinaus ein denkwürdiger Satz (seitens HG Butzko), der das Zeug zum Allzeitklassiker hat: „Wer im Glashaus sitzt, der sollte … zum Kacken in den Keller gehen.“
Doch all dies haben Sie jetzt realsatirisch ein für alle Mal getoppt, und zwar in Ihrer jüngsten Fragestunde im Bundestag am 18. Dezember. Da sagten Sie: „Ich finde, dass Andy Scheuer eine sehr gute Arbeit macht.“

Annalena Baerbock (Kovorsitzende der Grünen) & Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU-Chefin und Bundesverteidigungsministerin), Sprücheklopferinnen – Sie, Frau Baerbock, tönten jüngst: „Für die Klimaziele brauchen wir die Wucht der Märkte.“
Da wüssten wir schon gern, wie Sie sich das konkret vorstellen. So wie 2008, als jene Wucht sich im weltweiten Finanzcrash entlud?
Und Sie, werte AKK, meinten in einer Rede an der Bundeswehruniversität München: „Deutschland muss Gestaltungsmacht werden.“
Das hätten wir auch gern etwas konkreter. So wie die USA in Somalia und Irak? Oder wie der Westen in Afghanistan, in Libyen und Syrien?
Da fällt uns bloß ein lateinisches Sprichwort ein: „Si tacuisses philosophus mansisses.“

Marianne Birthler & Dr. Ilko-Sascha Kowalczuk, Analytiker – In Ihrer Expertise zur Stasi-Vergangenheit des neuen Verlegers der Berliner Zeitung und des Berliner Kuriers, Holger Friedrich, erläuterten Sie dem Publikum vorsichtshalber auch die schlimmsten Seiten der DDR – unter anderem so: „Der Grundwehrdienst und der dreijährige Unteroffizierdienst gehörten in der DDR wie die vormilitärische Ausbildung und der schulische Wehrkundeunterricht zum politisch-ideologischen System. Dieses verfolgte das Ziel, insbesondere junge Männer ihrer Individualität zu berauben und für das kollektivistische System dienstbar zu machen.“
Ihnen beiden ist vermutlich der Grundwehrdienst in der NVA erspart geblieben, was Ihnen den Abgleich der eigenen Meinung mit der eigenen Erfahrung natürlich erspart. Wenn Sie aber tatsächlich wissen wollen, wie man beim Militär vorgeht, wenn man junge Männer ihrer Individualität berauben will, informieren Sie sich doch mal über den Rekrutendrill bei der Marineinfanterie der USA. Oder schauen Sie sich Kubricks „Full Metal Jacket“ an. Eigentlich reicht schon dieser Ausschnitt – zur Szene hier klicken. (Kubrick hatte den früheren Militärausbilder Ronald Lee Ermey, den späteren Darsteller des Drill-Instructors Gunnery Sergeant Hartman im Film, ursprünglich als Berater in Sachen Marines-Ausbildung angeheuert, fand dann aber keinen adäquaten Schauspieler und ließ den Mann schließlich quasi sich selbst spielen.)
Zum Schlimmsten in der DDR teilten Sie zudem mit: „Hunderttausende junge Männer erlebten die NVA als Institution, in der sie politisch genormt werden und ins System gepresst werden sollten. Insofern zeigte sich hier für viele junge Männer, die sonst mit dem Regime politisch nicht in Konflikt gerieten, die SED-Diktatur in ihrer offensten und gewalttätigsten Form.“
Nun ja, wo die eigene Erfahrung fehlt … Hunderttausende junger Männer erlebten die NVA nämlich eher als Institution, die man keinesfalls so ernst nahm, wie es die Politoffiziere gern gehabt hätten, und in der man sich den Versuchen, politisch genormt und ins System gepresst zu werden, ohne bleibende Schäden entziehen konnte. Aktiver Widerstand war dazu gar nicht erforderlich. Passiver in Gestalt von Desinteresse, innerer Verweigerung und oberflächlicher Anpassung reichte dazu völlig aus.

Mart Helme, rechtsradikaler estnischer Innenminister – Sie fanden es für angebracht, die 34-jährige neue finnische Regierungschefin Sanna Marin zu beleidigen: „Jetzt sehen, wir wie ein Mädchen aus dem Verkauf Premierministerin wird und wie andere Straßenaktivisten und ungebildete Leute ebenfalls dem Kabinett beigetreten sind.“ Tatsächlich war Marin vor Jahren als Verkäuferin tätig. Sie aber fürchteten womöglich, dass im Nachbarland das Gespenst des Kommunismus wieder aufersteht. War es doch Lenin, der einst jeder Köchin die Fähigkeit zuschrieb, den Staat zu führen. Wenigstens empfand Ihre Staatspräsidentin Kersti Kaljulaid Ihren Alarmruf als „peinlich“ und entschuldigte sich dafür bei den Finnen. „Peinlich“, scheint uns allerdings, ist noch sehr milde ausgedrückt.

Mezut Özil, politisierender Fußballprofi – Neulich haben Sie die Verfolgung Ihrer muslimischen Glaubensbrüder in Xinjiang durch die chinesischen Behörden angeprangert. Und gleich noch die Tatsache, dass die muslimische Welt vor „den Leiden unserer gefolterten Brüder“, der Uiguren, weitgehend die Augen verschließe. Wenn Sie es damit ehrlich meinten, erwarten wir, dass Sie demnächst Ihrem Freund und Trauzeugen Recep Tayyip Erdogan wegen der Verfolgung von Oppositionellen und ethnischen Minderheiten in der Türkei ebenso deutlich die Meinung sagen.