von Jerry Sommer
Ab 2009 sind die US-Rüstungsausgaben jahrelang kontinuierlich zurückgegangen. 2015 waren sie auf ihrem niedrigsten Stand angelangt – bei 582 Milliarden Dollar. Doch ein Jahr später stieg das Budget wieder an. Mit Präsident Trump hat sich dieser Trend noch weiter verstärkt. Aude Fleurant vom Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI: „Schon im Wahlkampf um die Präsidentschaft hatte Trump versprochen, die Militärausgaben zu erhöhen. Jetzt setzt er diesen Plan um.“
Für das Haushaltsjahr 2020 hatte die Trump-Regierung ursprünglich 750 Milliarden Dollar für das Militär gefordert. Ganz so viel wird es aber nicht werden. Noch sind detaillierte Ausführungsgesetze für den Verteidigungshaushalt nicht verabschiedet. Denn es gibt Unterschiede zwischen dem Entwurf, den das von den Demokraten dominierte Repräsentantenhaus gebilligt, und dem Entwurf, der die Zustimmung des mehrheitlich von Republikanern besetzten Senats gefunden hat. Aber schon vorab haben sich Demokraten und Republikaner auf die Höhe der Militärausgaben für das in diesem Monat begonnene Haushaltsjahr 2020 geeinigt: Sie sollen 738 Milliarden US-Dollar betragen – drei Prozent mehr als im vergangenen Haushaltsjahr. In sechs Jahren ist der Etat damit um über 150 Milliarden Dollar angestiegen.
Ein klare Strategie hinter der erneuten Erhöhung für 2020 vermag der Rüstungsexperte Todd Harrison vom „Center for Strategic and International Studies“ (CSIS) in Washington nicht zu erkennen. Denn in allen Bereichen des Verteidigungshaushalts seien Steigerungen geplant: „Deshalb kann man kaum sagen, dass hinter den Plänen wirklich eine Strategie steckt.“ Damit werden vielmehr Solderhöhungen ebenso finanziert wie neue Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge sowie die Rüstungsforschung.
Die US-Regierung rechtfertigt die hohen Ausgaben vor allem mit der wachsenden Großmachtkonkurrenz zu Russland und China. Diese mache es notwendig, die weltweite militärische Überlegenheit der USA zu erhalten und auszubauen. CSIS-Experte Harrison fasst die Ziele so zusammen: „Es gibt ja viele Gefahren auf der Welt und in vielen Bereichen versuchen Länder wie Russland und China militärische Fähigkeiten aufzubauen, die die große militärische Überlegenheit der USA aufheben.“
Die USA sind bei Rüstungsausgaben die Nummer eins in der Welt. „Auf sie entfallen 35 Prozent aller Militärausgaben der Welt“, erläutert Aude Fleubert.
Die USA geben für die Streitkräfte circa dreimal so viel aus wie China, und zehnmal so viel wie Russland. Sie unterhalten über 800 Militärstützpunkte im Ausland. Das Bedrohungsbild, das die Trump-Administration zeichnet, wird jedoch nicht einhellig geteilt. Tom Collina von der rüstungskritischen Stiftung „Ploughshares Fund“ zum Beispiel kritisiert, dass es keine globale Bedrohung gebe, die solch einen hohen Rüstungshaushalt rechtfertige. Collina: „Er ist innenpolitisch begründet: Trump glaubt, dass das bei seinen Unterstützern gut ankommt. Auch mag er es, sich mit Generälen zu umgeben. Und deshalb hält er es für das Beste, so viel Geld wie möglich für das Militär einzuplanen.“
Trump hatte in seinem Wahlkampf ebenfalls angekündigt, die US-Streitkräfte aus Kriegen wie in Afghanistan und Syrien zurückzuziehen. Dieses Ziel ist bisher allerdings nicht umgesetzt worden. Und auch die Rolle der USA als allgegenwärtiger Weltpolizist mag die Trump-Regierung offensichtlich nicht ganz aufgeben. Die „Military First“-Orientierung hält Collina zwar für falsch, aber: „Selbst wenn die USA der Weltpolizist bleiben wollen, würde 700 Milliarden Dollar genügen. Man müsste nur Prioritäten setzen.“ 700 Milliarden – das wären immerhin 38 Milliarden Dollar weniger als für das Haushaltsjahr 2020 geplant.
Andere Experten fordern jedoch noch mehr Geld für das US-Militär, um so die US-Truppenstärke und die Anzahl der Kampfflugzeuge, Schiffe und U-Boote schneller erhöhen zu können. Auch die US-Demokraten haben dem 738-Milliarden-Dollar-Rüstungshauhalt zugestimmt – wohl ebenfalls aus innenpolitischen Gründen: Offenbar hat man die Befürchtung, im Jahr vor den Präsidentschaftswahlen mit Forderungen nach Senkung der Militärausgaben Stimmen zu verlieren. Allerdings sind die Demokraten zumindest gegen einige militärische Vorhaben der Regierung. Das hat bisher eine Einigung zwischen Repräsentantenhaus und Senat in Washington über die verteidigungspolitischen Ausführungsgesetze verhindert. Deshalb ist jetzt erst einmal nur ein Übergangshaushalt für die nächsten Wochen für das US-Militär in Kraft getreten.
Einer der größten Streitpunkte ist, ob 7,2 Milliarden Dollar aus dem Verteidigungshaushalt für den Bau einer Grenzmauer zu Mexiko ausgegeben werden sollen. „Grenzsicherung ist ja eigentlich nicht Aufgabe des Verteidigungsministeriums“, bemerkt Todd Harrison.
Die Demokraten lehnen eine solche Umwidmung von Verteidigungsausgaben für Trumps Mauerprojekt an der Südgrenze ab. Die Republikaner wiederum haben damit kein Problem.
Umstritten sind auch Bestimmungen zu den von Trump gewünschten US-Weltraumstreitkräften. Allerding haben sowohl das Repräsentantenhaus wie auch der Senat prinzipiell zugestimmt, eine neue US-Streitmacht für den Weltraum zu errichten. Es gibt nur Meinungsverschiedenheiten zu Einzelheiten.
Ein weiterer Streitpunkt ist die Entwicklung einer neuen, sogenannten „kleinen“ Atombombe für seegestützte Marschflugkörper. Deren Finanzierung hat das Repräsentantenhaus mit seiner demokratischen Mehrheit abgelehnt. Solche Waffen seien nicht notwendig und außerdem destabilisierend, weil sie einen Atomwaffeneinsatz denkbarer erscheinen ließen. Die republikanische Senatsmehrheit aber unterstützt die Entwicklung solche Atomsprengköpfe. Jedoch geht es hier nicht um vergleichbar große Geldsummen.
Schon deutlich mehr ins Gewicht fallen allerdings die Pläne für eine grundlegende Modernisierung des gesamten US-Atomwaffenarsenals. Es geht unter anderem um nukleare Gefechtsköpfe und ihre Trägersysteme – also Flugzeuge, landgestützte Interkontinentalraketen und U-Boote. In den nächsten 30 Jahren wird die Runderneuerung der nuklearen Systeme über 2000 Milliarden Dollar kosten. Wie andere Rüstungskontrollexperten lehnt Tom Collina diese Planungen ab. Sie schadeten der US-Sicherheit und machten die Welt gefährlicher. Denn: „Russland wird so dazu gedrängt, das Gleiche zu tun. Gleichzeitig kündigt Präsident Trump Rüstungskontrollverträge. Wir befinden uns damit in einem neuen Wettrüsten.“
Gegenwärtig geben die USA jährlich rund 50 Milliarden US-Dollar für Atomwaffen aus. Diese Summe wird in den nächsten Jahren wegen der Modernisierungsprogramme steigen.
Bei den Nuklearwaffen könnten allein durch den Verzicht auf landgestützte Interkontinentalraketen in den nächsten zehn Jahren hunderte von Milliarden US-Dollar eingespart werden, rechnet Collina vor. Doch dieser Einschätzung folgen weder die Trump-Administration noch die Mehrheit der Demokraten im US-Kongress.
Es gäbe auch andere Möglichkeiten, Geld einzusparen, meint Harrsion des Weiteren: „Fast 10 Prozent des Verteidigungsbudgets werden für die medizinische Versorgung der Soldaten ausgegeben. Das Militär unterhält Supermärkte und ein vollständiges Schulsystem für die Kinder seiner Angehörigen in den USA und im Ausland. Und es gibt überflüssige Dinge aus der Vergangenheit. Wenn man bereit wäre, harte Entscheidungen zu treffen, könnten Milliarden Dollar eingespart werden.“
Doch danach sieht es nicht aus. Denn in den USA gibt es kaum öffentlichen Druck, die Militärausgaben zu verringern.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag des Autors für die Senderreihe „Streitkräfte und Strategien“ (NDR-Info, 5.10.2019).
Schlagwörter: Jerry Sommer, Rüstungsausgaben, Sicherheit, USA