22. Jahrgang | Nummer 11 | 27. Mai 2019

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Wiglaf Droste, wortgewaltiger Brachialsatiriker – Hedonist der Sie waren, machten Sie nicht nur um Essen und Trinken keinen Bogen, sondern gaben gar zusammen mit dem Koch Vincent Klink eine Zeitschrift mit dem eigenwilligen Titel „Häuptling Eigener Herd“ heraus. Vor allem aber gründete sich Ihr Ruhm bei Freund und Feind auf Ihre Fähigkeit, äußerst gekonnt austeilen zu können – und zwar eher mit schwerem Säbel denn zierlichem Florett. Im Hinblick auf den Berliner Stadtteil Kreuzberg, wo Sie hinreichend lange gelebt haben, um das dieses spezielle Soziotop beurteilen zu können, sprachen Sie von „Arschgeigentum, das nichts mit Freiheit, aber viel mit Rücksichtslosigkeit zu tun hat“. Den 8. März 1988, den Internationalen Frauentag, feierten Sie mit einigen – weiblichen wie männlichen – Kollegen im Lokalteil der taz mit der Abbildung einer Banane in einer Vagina und lösten damit einen Frauenstreik bei diesem Blatt aus. Ihrem Verbalrabaukentum knallte das Amtsgericht Berlin-Tiergarten den Rechtsstaat vor den Latz: 2700 Euro Geldstrafe, weil Sie die Bundeswehr unter dem damaligen Verteidigungsminister als „Wehrsportgruppe Wörner“ verhohnepiepelt hatten. Ein weiterer Eklat folgte 1996, als Sie als Buchautor gemeinsam mit Gerhard Henschel den satirischen Krimi „Der Barbier von Bebra“ herausbrachten und darin die ehemaligen DDR-Bürgerrechtler Wolfgang Thierse, Rainer Eppelmann und Jürgen Fuchs einem Serienmörder zum Fraß vorwarfen. „Solche Geschichten“, merkte Christian Schlüter jetzt in der Berliner Zeitung an, „promovierten den verbalradikalen Droste zum Heimatdichter der linken Szene.“ Sie konnten aber auch sehr einfühlsam laudatieren, wie Ihr Nachruf auf den Dichter Peter Hacks zeigte, den Sie uns vor Jahren zu übernehmen gestatteten.
Jetzt sind Sie, nur 57-jährig, abberufen worden.
Die Wege des Herrn sind nicht nur unerfindlich, sondern manchmal einfach nur zum Kotzen!

Hans Traxler, genialer Jubilar – Sie sind der Mann, der Kohl in den 1980er Jahren zur Birne machte. O-Ton Traxler: „Wie Vieles reiner Zufall. Es gab eine Kolumne, die hieß ‚Die sieben peinlichsten Persönlichkeiten‘, die hat Bernd Eilert gemacht, die war sehr populär. Und da war eine davon Kohl und da stand im Nebensatz etwas von ‚der birnenförmige Kanzler‘ – und da hat’s bei mir getickt.“ Sie gehörten neben solchen Solitären ihrer Genres – die da waren Satire, intellektueller Nonsens, Cartoons und dergleichen mehr – wie Robert Gernhardt (1937–2006), Chlodwig Poth (1930–2004), F. K. Waechter (1937–2005), F. W. Bernstein (1938–2018) und der soeben erwähnte Bernd Eilert zu den Mitbegründern der legendären Neuen Frankfurter Schule sowie zu den Machern der Satirezeitschriften Pardon und Titanic. Auch die grafische wie die bildhauerischen Umsetzung von Bernsteins unsterblichem Klassiker „Die schärfsten Kritiker der Elche / waren früher selber welche“ stammt von Ihnen. Ihr Longseller „Die Wahrheit über Hänsel und Gretel“ ist mittlerweile in über 50 Auflagen erschienen. Vor allem aber haben Sie Ihre Zeitgenossen mit unzähligen Cartoons immer wieder aufs Neue beglückt und ihnen so geholfen, über die Untiefen des Lebens zu manövrieren!
Das Caricatura Museum Frankfurt hat jetzt Ihnen aus Anlass Ihres 90. Geburtstage (am 21. Mai) eine Ausstellung ausgerichtet, die heute, am 27. Mai 2019, eröffnet wird. Wir wünschen gutes Gelingen, zahllose Besucher und Ihnen persönlich Gesundheit und immer die notwendigen Mal- und Zeichenutensilien zur Hand!

Jens Berger, Nachdenker von den NachDenkSeiten – Sie schreiben zum Ibiza-Gate um Heinz-Christian Strache von der FPÖ: „Doch mit zur Schau gestelltem Hochmut und Selbstgerechtigkeit sollte gerade die deutsche Politik ein wenig sparsamer sein. Schließlich sind wir es, die einen Bundestagspräsidenten haben, der sechsstellige Summen von dubiosen Waffenhändlern in einem Koffer entgegengenommen hat. Und das ist nur die Spitze des Eisberges, da Einflussnahme in der Regel natürlich wesentlich subtiler abläuft.“
Dem ist unsererseits nichts hinzuzufügen.

Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU-Chefin – Sie sahen sich offenbar genötigt, öffentlich zu versichern, Sie sägten nicht am Stuhl der Kanzlerin. Der Welt am Sonntag vertrauten Sie an, dass sie „nicht mutwillig“ auf einen Wechsel im Kanzleramt hinarbeiteten. Dies veranlasste Gabor Steingart, den früheren Herausgeber des Handelsblattes, zu folgender spitzfindigen Interpretation: „Wer sich ein feines Gehör bewahrt hat, hört hier die Nachtigall trapsen. Die Betonung liegt weniger auf dem ‚nicht‘ als auf dem ‚mutwillig‘. Das bedeutet Überstunden für die Strategieabteilung im Konrad-Adenauer-Haus: Sie muss weiter nach der richtigen Geschichte fahnden. Der plötzliche Bruch der Großen Koalition mit der anschließenden Kanzlerwerdung von AKK muss logisch, folgerichtig und vor allem staatsmännisch klingen; alles ist erlaubt, nur nicht ‚mutwillig‘.“
Oder war der Steingart – vor der Europa-Wahl – gar nicht spitzfindig? Die Wahl ist jedenfalls seit gestern Geschichte …

Harald Martenstein, kluger Erklärer – Zu den ubiquitären terminologischen Shooting- Stars des Internet-, Facebook- und Twitter-Universums gehört zweifelsfrei der Begriff „Framing“. Dessen Inhalt besonders prägnant auf den Punkt zu bringen, ist Ihnen gelungen: „Framing bedeutet, dass ein Begriff mit einer Wertung fest verkoppelt wird. Diese Kombination, Begriff und Wertung, wird ständig wiederholt. Eine brauchbare Übersetzung für Framing heißt ‚Gehirnwäsche‘. Du hörst ständig ‚weiße Männer‘ als Abwertung, und irgendwann hat es sich ins Hirn gebrannt, wie eine unhinterfragbare Tatsache, Schublade auf, die sind schuld. […] Mit der Wahrheit hat das nichts zu tun, es ist halt Framing.“
Bei gleicher Gelegenheit äußerten Sie ebenfalls: „Eine der größten Diskriminierungen besteht meiner Ansicht nach darin, von anderen für blöd und manipulierbar gehalten zu werden.“ Auch dieses ist uns ganz aus dem Herzen gesprochen.

Mike Pompeo, US-Außenminister – Durch besonders eigenwilligen oder hintergründigen Humor sind Sie alter Scharfmacher bisher eigentlich nicht aufgefallen. Oder wir haben da was übersehen. Bei Ihrem kürzlichen Zusammentreffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin und Ihrem russischen Amtskollege Sergej Lawrow in Sotschi am Schwarzen Meer jedenfalls sollen Sie Medienberichten zufolge Russland vor einer Einmischung in die kommende US-Präsidentenwahl gewarnt haben. Das hat was, denn glaubt man Leitmedien Ihres Landes wie der New York Times, dann wären Sie womöglich ohne solche Einflussnahme bei der vergangenen US-Präsidentenwahl jetzt gar kein Außenminister, der solche Warnungen aussprechen könnte. Aber womöglich haben Sie den Job auch einfach schon satt …

Doris Mary Ann von Kappelhoff, 97-jährig Verstorbene – Böse Zungen behaupteten ja, Sie hätten in den 1950er und 1960er Jahren wie ein von Werbeprofis kreierter Ideal-Klon der amerikanischen Mittelstandshausfrau gewirkt – schlank, blondiert und antiseptisch, bestens geeignet für Anzeigen, in denen es um Kühlschränke, Waschmaschinen und Mixgeräte ging. Dazu passt, dass Sie ablehnten, als Ihnen die Rolle der Mrs. Robinson in dem heute legendären Streifen „Die Reifeprüfung“ mit Dustin Hoffman angeboten wurde, weil sie in diesem Film den Künftigen ihrer Filmtochter hätte verführen müssen. (Das übernahm dann die deutlich ambivalentere Anne Bancroft.) Als Schauspielerin entdeckt hatte Sie 1948 Michael Curtiz („Casablanca“, 1942). Da hatten Sie als Bandsängerin bereits reüssiert und sich, weil Ihr Nachnahme für amerikanische Zungen eine Zumutung war, den Künstlernamen Doris Day zugelegt. Bevor Sie auf der Leinwand endgültig ins seichte Fach der Liebeskomödien („Bettgeflüster“, „Schick mir keine Blumen“) wechselten und mit Ihrem (schwulen) Kollegen Rock Hudson zum Kino-Traumpaar avancierten, schrieben Sie 1956 mit einem Schrei, der den Attentäter aus dem Konzept brachte, so dass der Schuss danebenging, und einem Song („Que Será, Será“) zumindest etwas Filmgeschichte. In einem Hitchcock-Klassiker an der Seite von James Stewart: „Der Mann, der zu viel wusste“.
Der deutsche Text des Songs geht übrigens so: „Was wird sein? Was auch immer sein wird, wird sein. In die Zukunft zu schauen, ist nicht unsere Sache. Was wird sein? Was sein wird, wird sein.“ Eine zeitlos zutreffende Charakterisierung auch unserer Epoche, und so viel Tiefgang ist allemal eine Gedenkminute wert!

Georg Mascolo, Investigativer – 1990 interviewten Sie unmittelbar nach Erstürmung des Ministeriums für Staatssicherheit zwischen Rusche- und Normannenstraße in Berlin durch bürgerbewegte Massen und mutmaßliche Aktivisten konkurrierender Dienste Heinz Engelhardt, den Abwickler des MfS und jüngsten General desselben, der sie heute als seinen Freund bezeichnet. Doch das ist ’ne olle Kamelle. Ihr aktuelles Resümee im Hinblick auf Washingtons Agieren gegenüber Nordkorea und Iran hingegen lautet; „Trump hat bisher nichts vorzuweisen. Außer der Zerstörung eines Abkommens, das den Iran-Konflikt entschärft hatte. Der selbsternannte Meister des großen Deals spielt mit immer größerem Einsatz. Niemand weiß, wie er reagieren wird, wenn er scheitert. Vielleicht weiß er es nicht einmal selbst.“
Da stimmen wir Ihnen völlig zu und sehen uns in unserer Befürchtung bestätigt: Trump wird weiter so handeln wie die Kraft, die stets das Böse will und nie das Gute schafft.

Gianni Infantilo, pardon: Infantino, Fifa-Häuptling – Ihr die Fußball-WM 2022 um 16 auf dann 48 Teams aufzustocken, ist gescheitert. Das Gastgeberland Katar sollte das Turnier mit verfeindeten Nachbarländern wie Saudi-Arabien oder Bahrain teilen. Diese Idee promoteten Sie als Friedensprojekt und gerierten sich als „Brückenbauer“. Doch heute weiß ja jedes Kind, dass, egal worüber die Fifa-Spitze, dieser Klüngel aus Korrumpelstilzen, redet, doch immer nur Geld gemeint ist. Dagegen hätten die autokratischen Regime am Persischen Golf sicher nichts einzuwenden gehabt, aber sich die Hand zu reichen – nicht für Geld und gute Worte!
Den Trend zur weiteren Aufblähung der WM wird das allerdings nur verzögern: Für 2026 in den USA, Kanada und Mexiko sind die 48 beschlossene Sache. Doch das ist natürlich auch nur eine Zwischenstation. Schließlich sind ja 211 Nationalverbände Mitglied der Fifa. Zuletzt hinzugekommen sind solche Fußball-Schwergewichte wie Gibraltar, das Kosovo, der Südsudan, Montenegro, Osttimor und die Komoren, und die wollen auch mal zur WM. Alles andere wäre ja diskriminierend …