von Petra Erler
Das Ergebnis der Untersuchungen von Sonderermittler Robert Mueller ist öffentlich und es hat dem Narrativ, Donald Trump wäre nur ein USA-Präsident „von Moskaus Gnaden“, einen schweren Schlag versetzt. Diese These fußte auf zwei Behauptungen: Russland hätte die Wahl massiv zugunsten Trumps beeinflusst. Das befanden drei Geheimdienste (CIA, FBI, NSA) im Januar 2017. Beweise oder Quellen wurden der Öffentlichkeit vorenthalten. In besagtem Geheimdienstdokument heißt es, die russischen Aktivitäten, die Chancen Hillary Clintons zu unterminieren, hätten begonnen, als klar geworden sei, dass sie die Wahl gewinnen würde. Im März 2016.
Die einzige, die zu diesem Zeitpunkt dachte, sie hätte die Wahl in der Tasche, war Hillary Clinton. Sie hatte den Parteiapparat der Demokraten unter Kontrolle gebracht und wusste, dass der Wahlkampf ihres Opponenten Bernie Sanders unterminiert wurde. Die mit ihr sympathisierten, verleugneten damals mindestens drei Sachverhalte: Hillary Clinton war zweite Wahl, sie war an Barack Obama gescheitert. Sowohl Sanders als später auch Trump bedienten sich ausführlich aus dem Fundus Obamas. Der Libyen-Krieg erwies sich als mindestens ebenso großer Ballast. Clinton war die Hauptbetreiberin dieses gescheiterten Unternehmens, mit dem Ziel, sich als der wahre „commander-in-chief“ zu präsentieren, der Obama nur die Show stahl. Hinzu kam ihr Umgang mit der E-Mail-Affäre, die die New York Times 2015 öffentlich gemacht hatte. Hillary fehlte schlicht alles: das Charisma, die Botschaft, und vor allem, ihr fehlte die Achtung vor dem Wähler. Aber die Clintons verfügten und verfügen über ein mächtiges Netzwerk, laut Bernie Sanders „die mächtigste politische Organisation“ in den USA.
Die besagten drei Geheimdienste der USA behaupteten im Januar 2017 übrigens gar nicht, ihre Einschätzung entspräche den Tatsachen. Sie versteckten ihre Einschränkung allerdings in Annex B, wo sie keiner las oder lesen wollte. Denn wenn eine Hillary Clinton gegen einen Donald Trump verliert, kann nur eine fremde, böse Macht im Spiel gewesen sein. Dass zeitgleich beide Häuser des Kongresses an die Republikaner fielen, trieb die Geheimdienste nicht um. 2018 wiederum, als die Demokraten die Mehrheit im Kongress erreichten, war von russischer Einmischung keine Rede, obwohl „die Russen“ doch angeblich andauernd den Westen zu unterminieren trachten. Kurz, diese Behauptung stand immer auf tönernen Füßen.
Die zweite Behauptung lautete, „Moskau“ hätte belastendes Material, durch das Trump erpressbar wäre. Die Trump-Kampagne hätte mit der russischen Seite konspiriert. Das ist die Quintessenz des sogenannten Steele-Dossiers, das 2017 durch Buzzfeed öffentlich wurde. Nun, da der Mueller-Bericht vorliegt, ist das Steele-„Dossier“ als Desinformationsmaterial entblößt. Deshalb fragte die NYT am 19. April 2019 auch, ob Steele nicht möglicherweise einer russischen Desinformationskampagne aufgesessen wäre. Könnte sein, erklärte ein ungenannter CIA-Agent. Weiter spekulierte die NYT, dass die Russen möglicherweise unter die Trump-Präsidentschaft „eine Bombe“ legten. Das steht zwar im Widerspruch zum Narrativ der Russlandverschwörung zugunsten Trumps, aber wen schert das in einer Zeit, in der jede Rationalität längst zu Grabe getragen ist?
Bezahlt für das Steele-Dossier hat die Clinton-Kampagne, mit dem Ziel, Dreck über Trump herauszufinden. Dieses Ziel bediente Christopher Steele, der als Unternehmer schließlich seine Brötchen verdienen muss. Wären da nicht sein Hintergrund als MI6-Agent und Russland-Kenner, seine Platzierung auf der Lohnliste des FBI und seine Fähigkeit, jedem der Rang und Namen hatte in Washington, seinen Dreck über Trump zu präsentieren. Steeles „rohe Daten“ wurden vom FBI benutzt, um in die Trump-Kampagne hineinzuspähen Sie wurden von Hillary Clinton benutzt, die Trump in der dritten Debatte 2016 vorwarf, eine „Marionette Moskaus“ zu sein. Sie wurden von Medien ausgeschlachtet. Das „Dossier“ des Christopher Steele hat mindestens zwei Jahre lang den politischen und medialen Diskurs in den USA vergiftet und schweren Schaden für die Glaubwürdigkeit ihres politischen Systems angerichtet.
Das war nur möglich, weil man das politische Erdbeben in den USA, das eine Trump-Präsidentschaft bedeutet, nicht als Ausdruck eines Aufstands der „unerlösbaren Bedauernswerten“, denen sowieso nicht zu helfen ist (Hillary Clinton), gegen das Clinton-Establishment verkaufen wollte, sondern als fremdgesteuert darstellte. Nachzulesen ist das im Buch „Shattered: Inside Hillary Clinton’s Doomed Campaign“ von Jonathan Allen und Amie Parnes. 24 Stunden nach der Clinton-Niederlage entstand das Narrativ der russischen Schuld. In einem Artikel der Washington Post vom März 2017 schreibt Clintons ehemalige Kommunikationsdirektorin Jennifer Palmieri, wenn man den Wählern diese Nachricht erst einmal in den Kopf gehämmert hätte, kehrten sie in den Schoß der Demokraten zurück.
Nun ist der Kaiser nackt, die letzte Bastion der Demokraten lautet „Justizbehinderung“. Merkwürdig ist nur, dass Obama am Tag der Wahlniederlage Hillary regelrecht bedrängte, zügig die Niederlage zu akzeptieren, damit die Legitimität der Wahl nicht in Frage gestellt wird. Obama muss den Steele-Bericht gekannt haben, wusste, dass der nichts taugte. Er wollte vermeiden, dass ein großes Geschrei entsteht, das den Demokraten am Ende auf die Füße fiel.
Denn der Steele-Bericht enthielt eine Bombe, die nie öffentlich diskutiert wurde: Hatten die Geheimdienste und ihre engsten Verbündeten den größten geheimdienstlichen Coup Moskaus – die Kultivierung eines aussichtsreichen Präsidentschaftskandidaten in den USA – komplett verschlafen? Bis Steele, der das im aktiven MI6-Einsatz auch komplett verschlafen hatte, rein geschäftlich auf die große politische Verschwörung der russischen Seite zugunsten Trumps stieß und im Juni 2016, vom Gewissen umgetrieben, die Alarmglocke läutete? Ein solch ungeheuerlicher Verdacht musste den Präsidenten der USA erreichen. Er musste alle Geheimdienste beunruhigen, denn falls an den „rohen“ Daten des Christopher Steele etwas dran war, war es Zeit für die Notbremse. Die zog keiner. Weil alle Insider wussten, dass die Grundvoraussetzung schlicht lächerlich war.
Indes, Obama kannte die Idee. Sie spielte in seiner Auseinandersetzung mit John McCain 2008 eine Rolle. Dem Falken McCain sollte damals ein anrüchiges Verhältnis zu Russland angedichtet werden, wie aus den Podesta-E-Mails hervorgeht. John Podesta, der 2008 für Obama gearbeitet hatte, strickte für Hillary am gleichen Muster.
Die Manöver der Hillary Clinton & Co erschütterten die Gesellschaft der USA möglicherweise noch schwerer als die Trump-Wahl. Inzwischen stimmt die Hälfte der Bevölkerung Trump zu, es habe sich bei den Untersuchungen um eine „Hexenjagd“ gehandelt. Die Unterstützung für Trump liegt derzeit bei 50 Prozent. Das Vertrauen in liberale Medien ist schwer beschädigt. Man muss nur das vor sechs Monaten veröffentlichte Video „Donald Trump is Finished – Super Deluxe Super Cuts“ ansehen, um das Ausmaß des Debakels zu begreifen. Nicht umsonst verbreitet Trump auf Twitter genüsslich die Kommentare von Fox. Der Sender hielt zwei Jahre gegen den liberalen Mainstream Kurs und steht nun als glaubwürdig da. Das Verhältnis zu Russland ist noch schlechter als 2016.
Es besteht die große Gefahr, dass das alles so weitergeht. So bleibt auf der Strecke, was der Mehrheit der Menschen in den USA (aber nicht nur dort) unter den Nägeln brennt: ein guter Job, der mehr als das Überleben von Zahltag zu Zahltag garantiert, die Sorge um Gesundheitskosten, die Kosten der Bildung für die Kinder, sauberes Wasser, gute Infrastruktur. Wer diese Sorgen aufgreift, durch echte Konzepte, kann die nächste Wahl in den USA gewinnen. Wer sie ignoriert und weiter ins russische Horn bläst, öffnet den Weg für Trump. Die von den Konservativen geplante Untersuchung der „Untersucher“ lässt nichts Gutes ahnen, denn die Konturen einer Konspiration gegen Trump liegen längst nackt und bloß.
Die einzig gute Nachricht ist, dass es in den USA eine Reihe unabhängiger Journalisten und Persönlichkeiten gibt, die allen Anwürfen und Schmähungen zum Trotz die Russland-Verstrickung von Trump immer für ein Märchen und ein großes Ablenkungsmanöver hielten. Deren Reputation ist unbeschädigt. Bleibt zu hoffen, dass Bernie Sanders nicht wieder ausgebootet wird von den Demokraten. Denn nach wie vor scheint er der Einzige, der gegen Trump gewinnen könnte. Aber kann man in Zeiten der Hysterie auf Vernunft setzen?
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