von Bernhard Romeike
Nachdem der sogenannte Mueller-Bericht zum Thema Trump und Russland abgeliefert war, resümierte Der Spiegel erstaunlich sachlich: „Der Bericht war von Trumps Gegnern mit messianischer Sehnsucht erwartet worden.“ Als Grundproblem benannte das Journal, „dass der Russland-Skandal bei Trumps Feinden und Kritikern, auch in Europa, auch in Deutschland, eine Erlösungsphantasie nährte, die nichts mit der Realität zu tun hat. Der Mann würde nicht lange Präsident bleiben – diese Vorhersage (gemeint ist „dieser Wunsch“ – B.R.) zog sich durch alle Diskussionen, noch bevor Trump den Amtseid abgelegt hatte. […] Die Russland-Affäre war nicht mehr nur ein Skandal von vielen, sie wurde zur vermeintlichen Wunderwaffe.“
Trump ist, wie man nun endgültig weiß, amerikanisches Eigengewächs, nicht „Putins Werk“. Das wollten die deutschen Wünschelrutengänger aber nicht einfach so stehenlassen. Also wurden Funde aus der eigenen Maschinerie zur Produktion von Fake News präsentiert. Mit bebender Stimme begann heute-journal-Mann Claus Kleber am 5. April 2019 seine Anmoderation zu 70 Jahre NATO so: „Guten Abend! Zu Wasser und in der Luft sind heute Nacht amerikanische, deutsche und andere europäische Verbündete unterwegs nach Estland, um die russischen Verbände zurückzuschlagen, die sich dort ähnlich wie vor einigen Jahren auf der Krim festgesetzt haben.“ Deutschland im Kriege? Hatte der Zuschauer diesen historischen Moment verschlafen? „Keine Sorge“, wiegelte Kleber rasch ab. „Das ist nicht so. Das ist nur eine Vision. Aber eine realistische. So etwa müsste nämlich im Ernstfall die Antwort der NATO aussehen auf einen Angriff auf das Territorium eines ihrer Mitgliedsstaaten. Und sei er so klein wie Estland.“ Wer sich mit Psychologie beschäftigt hat weiß, dass trotz des nachgeschobenen Dementis von der vorgeschobenen Fake-Meldung im Unterbewusstsein etwas hängenbleibt.
Diese Moderationsleistung Klebers ging durch die Medien und wurde auch von bürgerlichen Blättern, wie dem Münchner Merkur oder der Hamburger Morgenpost als schockierend kritisiert. Etwas anderes aus derselben Sendung ging dabei weitgehend unter, dessen Folgen um so nachhaltiger wirken sollen. Kleber zeigte vor der Kamera Ausdrucke von Mails aus den Hinterzimmern des Kremls – man konnte die russischsprachigen Originaltexte sehen, die auf Deutsch untertitelt waren. Sie sollten beweisen, dass der russische Geheimdienst einen deutschen Bundestagsabgeordneten direkt als politischen Einflussagenten führt und diesen in seinem Wahlkampf unterstützt. Absender sei ein früherer Geheimdienst-General, der jetzt in der Verwendung als Mitarbeiter eines Duma-Abgeordneten ist, der Empfänger ein hochrangiger Kreml-Mitarbeiter, Abteilungsleiter für Außenpolitik in der Präsidentenadministration.
Die vorgezeigte E-Mail ist auf den 3. April 2017 datiert und belege eine unmittelbare und zielgerichtete Einmischung Russlands in den Bundestagswahlkampf. Die Quelle dieser und anderer Mails soll ein in London beheimatetes „Document Center“ sein, das von Michail Chodorkowski bezahlt wird. Der figuriert bei Kleber als „russischer Oppositionspoltiker“. Tatsächlich ist er einer jener ehemaligen Komsomolfunktionäre, die es unter den Bedingungen der Gorbatschow-Zeit in den 1980er Jahren vermochten, sich riesige Vermögenswerte, die zuvor Staatseigentum waren, unter den Nagel zu reißen und Oligarchen zu werden. Chodorkowski war im Ölgeschäft unterwegs, wurde in Russland wegen Steuerhinterziehung verurteilt, ging deshalb seines Riesenkonzerns verlustig und lebt heute mit einem offenbar immer noch erklecklichen Restvermögen in der Schweiz. Der hat mit Russland und Putin noch eine Rechnung offen. Das „Document Center“ soll zum Schaden Russlands beitragen. Das im heute-journal vorgezeigte Schreiben, das dem Vernehmen nach ZDF, Spiegel, BBC und anderen einschlägigen Einrichtungen vorliegt, soll jedoch laut Spiegel aus einer anderen Quelle stammen. Bleiben nur die diversen Geheimdienste. Das ständige Gerede von der Einmischung russischer Dienste in Wahlen und anderes im Westen, hier also in Deutschland, soll auch davon ablenken, dass sich die westlichen Dienste in den 1980er Jahren beim Zusammenbruch der Sowjetunion engagierten und anschließend ihre Finger in alle Wahlen in Russland gesteckt haben.
Der deutsche Bundestagsabgeordnete, der von Kleber als Kreatur russischer Dienste präsentiert wurde, heißt Markus Frohnmeier und ist in der AfD. Da das ZDF nicht Lügenpresse sein will, werden auch das Dementi der AfD-Fraktion sowie der Widerspruch von Frohnmeiers Anwalt erwähnt. Das aber erscheint eher alibihaft, hängen bleibt der Vorwurf als solcher. Als ultimativer Beleg für den Agentencharakter des Inkriminierten gilt seine öffentlich gemachte Aussage: „Es ist nun mal so, dass die Krim jetzt die russische Krim ist“, daran sei nichts mehr zu ändern. „Die Krim kommt nicht mehr zurück. Und ich denke, das muss man jetzt auch akzeptieren.“ Deshalb forderte er, zur Entwicklung der Beziehungen mit Russland die Konflikte beiseite zu lassen und die Sanktionen gegen das Land aufzuheben.
So etwas haben aber auch kluge Beobachter wie General Harald Kujat, Antje Vollmer und Matthias Platzeck vorgeschlagen. Was man jetzt an Frohnmeier exemplifizieren will – inzwischen wabert der Casus durch den Blätterwald, CDU und SPD wollen den Mann zum Rücktritt nötigen –, meint: So etwas sagen nur russische Einflussagenten. Damit ist in erster Linie nicht der Mann Frohnmeier, sondern das Argument gemeint. Es soll verbrannt und für absehbare Zeit aus dem öffentlichen Diskurs in Deutschland verbannt werden. Man hat sich dafür einen AfD-Mann ausgesucht, augenscheinlich in der Erwartung, dass es keinen Solidarisierungseffekt bei Menschen anderen politischen Zuschnitts gibt. Und alle mittigen und links-grünen Kämpfer gegen das Rechte merken nicht einmal, dass eine „unsichtbare Hand“ auch ihnen den Mund verschließen will, wenn es um die deutsche Russland-Politik und die Abschaffung der kontraproduktiven Sanktionen geht.
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