von Henryk Goldberg
„Mama!“ schreit der Mann, und dann schneiden sie ihm den Kopf ab. Mit der Kreissäge. Das ist eine Szene aus dem Krimi „Der Gnom von Zürich“. Die Jungs von der Mafia fragen ihn nach einem bestimmten Passwort und dann schreit er. Das Wort, das er als Letztes schreit, ist auch zugleich das Erste, das er einst lallte. Wie wohl wir alle. Es heißt vermutlich „Muttersprache“, weil Männer, Väter diesen Begriff geprägt und zur Norm erhoben haben und ihnen „Mamasprache“ irgendwie fatal war. „Mama“ stellt eine Nähe her, da passt keine Windel zwischen Mutter und Kind, geschweige denn ein Vater. Außerdem hätten sie dann auch konsequent von der Treue zum Papaland sprechen müssen, und das klingt ein bisschen wie das Papperlapapp, das es ja auch oft war.
Mir fällt das grad ein, weil der Tag, an dem ich dies schreibe der Tag der Muttersprache ist. Und weil im Zusammenhang mit der Muttersprache, die ich wirklich liebe – Ehrenwort! – viel Papperlapapp abgesondert wird. Und wie das Leben so spielt, kommt der Quark über die Muttersprache häufig just aus jener Gegend, in der auch, mitunter an den Grenzen der Muttersprache, gehechelt wird über die Tragödie des Kindes, das mit zwei Müttern oder zwei Vätern aufzuwachsen gezwungen ist.
Tatsächlich. Wenn nun ein Kind von zwei lesbischen Frauen adoptiert ist – hat das dann überhaupt ein Vaterland? Ist das dann, wieder mal, ein vaterlandsloser Geselle – gern auch Gesellin –, oder geht es zur Not auch mit einem Mama- bzw. Mutterland?
Und wenn die Eltern zwei schwule Männer sind, wächst das Kind dann sprachlos auf? Oder darf es auch eine Papa- beziehungsweise Vatersprache sein? Und ist diese dann härter, brutaler, direkter? Manchmal denke ich, es wachsen schon ziemlich viele mit Vatersprache auf. Und nicht wenige davon sind engagierte Verteidiger der guten alten Muttersprache.
Stephan Brandner zum Beispiel, der vor etwa einem Jahr den Antrag der AfD im Bundestag begründete, im Grundgesetz die deutsche Sprache als Landessprache festzuschreiben. Ein solcher Paragraf würde lediglich die Wirklichkeit abbilden, also spräche eigentlich nichts dagegen, außer: Er ist völlig überflüssig. Aber gerührt hat es mich doch, wie der Liebhaber einer gepflegten deutschen Sprache sich da ins Zeug legt. Das tat er auch schon im Thüringer Landtag, und wie haben es ihm die versifften Altparteien gedankt? Mit 32 Ordnungsrufen. Das wird man ja noch sagen dürfen.
Aber auch sonst kann Brandner Tacheles reden. Zum Beispiel wenn er fröhliche Anhänger wissen lässt, der deutsche Außenminister sei bekannt durch „eine Liaison mit einer, ich hätte fast gesagt, abgetakelten, aber ich sage mal, die Liaison mit einer überreifen Schauspielerin, also mit einer Staatsfunk- und GEZ-Tussi“. Wer so sensibel über eine Frau spricht, deren Freund er nicht leiden kann, der muss einfach ein Freund, ach was: ein Liebhaber der Mutter Sprache sein. Und nicht weniger gilt das für einen, der die Fuchtel im Kanzleramt in den Knast wünscht. Oder den Humor der deutschen Sprache nutzt, um darzulegen, eine typische syrische Familie bestehe aus „Mutter, Vater und zwei Ziegen“. Es ist völlig unverständlich, weshalb so ein Mann dem Justizausschuss des Bundestages vorsteht. Er sollte für die Belange der deutschen Kultur verantwortlich sein.
In dieser Eigenschaft könnte er auch dem Verein Deutsche Sprache (VDS) eine deutliche Förderung zu Teil werden lassen, schließlich verstehen sich die Verteidiger des Deutschtums und die der Muttersprache auch so schon ganz gut. Um zu demonstrieren, wie sehr wir diese Bemühungen zu schätzen wissen, veröffentlichen wir dieses poetisch-analytische Gedicht, dass der VDS als eine der 25 besten unter 4000 Einsendungen auszeichnete und in einem Lyrikband unter dem Titel „Schillernde Verse“ verewigte:
„An die Sprache.
Füllst mir lang’ schon Ohr und Mund
Wohl mit Wort und Sang;
Horch ich aber in die Rund’,
Wird mir heute bang.
Wo ich dich gesprochen hör’
Mischen sich nun bei
Lauter anglophile Chör’
denglisches Geschrei.
Jedes Engldeutsch bricht das Herz;
Werbung, Funk, TV,
Machen uns mit Sprache Schmerz,
Machen dich zur Sau.
Wehre Mutter Sprache, dich,
Sonst bist Du verlor’n;
Stärken wir dich innerlich
Wirst du neu gebor’n.
Darum wirke jeder mit,
Vater, Mutter, Kind,
Geht’s auch erst nur Schritt für Schritt,
Wird’s doch bald geschwind.
Wer nur leidend Tränen drückt,
Ohne eig’ne Tat,
Sei vom VDS bestückt;
Der weiß guten Rat.
Was er nicht mehr hören mag,
Spreche jeder aus,
Schützen wir dich vor der Plag’
Mutter-Sprachen-Haus.“
Da kann ich nur mit kernigem deutschen Liedgut antworten: Oh Mamy Blue.
Schlagwörter: AfD, Henryk Goldberg, Muttersprache, Sprache, Vaterland, Verein Deutsche Sprache