von Mathias Iven
Im Sommer 1913 verkündete Albert Einstein: „Ostern gehe ich nämlich nach Berlin als Akademie-Mensch ohne irgendwelche Verpflichtung, quasi als lebendige Mumie. Ich freue mich auf diesen schwierigen Beruf.“ Fast zwei Jahrzehnte sollte er hier leben und arbeiten. Zwischen März 1914 und Dezember 1932 wurden der Weltruhm und der Mythos Einsteins begründet. Neben der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Anerkennung gab es aber noch eine andere Seite. Es mehrten sich die politischen und antisemitisch geprägten Angriffe. Trotz dieser in Morddrohungen gipfelnden Anfeindungen fühlte sich Einstein mit der Stadt und seinem persönlichen Umfeld so stark verbunden, dass er selbst Berufungen renommierter ausländischer Forschungseinrichtungen ausschlug. Dem damaligen preußischen Kultusminister gestand er, „daß Berlin die Stätte ist, mit der ich durch menschliche und wissenschaftliche Beziehungen am meisten verwachsen bin“.
Der Berliner Wissenschaftshistoriker und Physiker Dieter Hoffmann hat sich schon vor Jahren auf den Weg gemacht und all jene Orte aufgesucht, die mit Einsteins Berliner Zeit in Verbindung stehen. Da sind zunächst die drei Wohnadressen. Als Einstein im Frühjahr 1914 nach Berlin kam, bezog er mit seiner Frau Mileva und den beiden Söhnen eine geräumige Wohnung in der Ehrenbergstraße 33 in Dahlem. Doch die Ehe war seit Längerem von Streitigkeiten überschattet. Bereits im Juni 1914 trennte sich das Paar, ein paar Wochen darauf ging Mileva mit den Kindern zurück nach Zürich. Einstein sah sich nach etwas Neuem um. Zum Jahresende war ein geeignetes Domizil in Wilmersdorf gefunden. Ein letztes Mal sollte Einstein im Spätsommer 1917 umziehen. Von der Wittelsbacherstraße 13 ging es nach Schöneberg, in die Haberlandstraße 5. Neben der Stadtwohnung stand ihm ab Herbst 1929 außerdem ein von dem damals noch unbekannten Architekten Konrad Wachsmann entworfenes Haus in Caputh zur Verfügung. Weit entfernt vom gesellschaftlichen Trubel der Großstadt konnte er sich dort auf seine wissenschaftliche Arbeit konzentrieren und seiner Leidenschaft für lange Waldspaziergänge und Segeltouren nachgehen.
Doch nicht nur um Einsteins Wohnungen geht es in Hoffmanns Buch. Welches waren die eigentlichen Wirkungsstätten des genialen Physikers? Da ist das Gebäude der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu nennen, heute Teil der Staatsbibliothek Unter den Linden. Oder die Friedrich-Wilhelms-Universität, die jetzige Humboldt-Universität, an der Einstein im Sommersemester 1915 die erste Vorlesung zur Relativitätstheorie hielt. Auch das Dahlemer Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie gehört dazu, heute hat dort das Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft seinen Sitz. Die an diesen und weiteren, von Hoffmann ausführlich beschriebenen Orten tätigen Wissenschaftler bildeten das Zentrum von Einsteins gesellschaftlichem Beziehungsgeflecht. In einem aus dem amerikanischen Exil an Max von Laue gerichteten Brief erinnerte sich Einstein 1934 an den ihm so wichtigen „kleinen Kreis von Menschen, der früher harmonisch verbunden war, wirklich einzigartig gewesen ist und in dieser menschlichen Beziehung kaum mehr angetroffen worden ist“.
Dieter Hoffmann: Einsteins Berlin, Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin 2018, 160 Seiten, 25,00 Euro.
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Am 21. Februar 1920 reiste Bertolt Brecht zum ersten Mal von Augsburg nach Berlin. Eine Woche nach seiner Ankunft schrieb er an den mit ihm befreundeten Jacob Geis: „Ich liebe Berlin, aber m. b. H.“ Mitte März verließ er die Stadt, doch er sollte wiederkehren.
Michael Bienert, der sich seit Jahren mit den literarischen Schauplätzen in Berlin befasst und in diesem Zusammenhang zahlreiche eindrucksvolle und erhellende Bücher veröffentlicht hat, so zu Erich Kästner, Alfred Döblin oder E. T. A. Hoffmann, folgt in seinem jüngsten Buch den von Bertolt Brecht hinterlassenen Spuren. Es ist, so stellt er eingangs fest, „kein Zufall, dass fast alle Wohnadressen Brechts aus den Jahren bis zur Emigration in der Nähe der einschlägigen Künstlerlokale des Berliner Westens nachweisbar sind“. Doch leider ist davon nicht mehr viel zu sehen, da alle im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. Einzig an dem in der Spichernstraße 16 errichteten Nachfolgebau – Brecht übernahm hier im Februar 1925 die Atelierwohnung von Helene Weigel – findet sich heute eine Gedenktafel.
„Zurückgekehrt aus fünfzehnjährigem Exil / Bin ich eingezogen in ein schönes Haus.“ Auch an der Brecht und Weigel am 8. April 1949 zugewiesenen Villa an der Berliner Allee 185 erinnert nur noch der Schriftzug „Brecht-Haus-Weißensee“ an die einstigen Bewohner. Anders sieht es in der Chausseestraße 125 aus. Nach dem 17. Juni 1953 war Brecht hier eingezogen, am 14. August 1956 starb er in dem Haus, Helene Weigel lebte bis zu ihrem Tod am 6. Mai 1971 in den Räumen. Heute befinden sich dort das Brecht-Weigel-Museum, das Bertolt-Brecht-Archiv sowie das Literaturforum. Und schließlich wird die in der Märkischen Schweiz gelegene, von Brecht seit 1952 genutzte Villa in Buckow seit 1977 als Gedenkstätte betrieben.
Wenn es um Brecht geht, geht es natürlich immer auch um das Theater. Allen voran das Berliner Ensemble am Schiffbauerdamm, wo am 31. August 1928 die Uraufführung der „Dreigroschenoper“ stattfand. Jahrzehnte danach haben Brecht als Spielleiter und Weigel als Intendantin dem Haus zu Weltruhm verholfen. In einem Atemzug muss man aber auch vom Deutschen Theater in der Schumannstraße sprechen. Ihm, so Bienert, verdankte es Brecht, „dass er in Berlin dauerhaft Fuß fassen konnte, zunächst in der Weimarer Republik und erneut nach der Rückkehr aus dem Exil“. Schließlich fand hier am 12. November 1949 mit „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ die erste Premiere des Berliner Ensembles nach Gründung der DDR statt. Nicht zu vergessen die Volksbühne, wo am 4. Januar 1928 erstmals „Mann ist Mann“ in Berlin gezeigt wurde, in den Hauptrollen Heinrich George und Helene Weigel. Oder die Alte Philharmonie, die nicht nur der Konzertsaal der Berliner Philharmoniker war. In einer Nachtvorstellung fand hier am 13. Dezember 1930 die Uraufführung des Oratoriums „Die Maßnahme“ statt.
Für die schnelle Orientierung findet sich im Anhang des Buches eine „Brechts Berlin von A bis Z“ betitelte Zusammenstellung. Von „Adlon“ bis „Zollernhof“ enthält sie die wichtigsten Informationen zu den im Buch behandelten Orten.
Beide Bände sind hervorragend typographisch gestaltet und ausgestattet. Der Leser findet nicht nur zahlreiche historische und aktuelle Fotografien, sondern auch Karten für die Orientierung im heutigen Berlin. Alles in allem bekommt man sofort Lust, sich auf Spurensuche zu begeben! – Dank an die Autoren und Dank an den Verlag!
Michael Bienert: Brechts Berlin. Literarische Schauplätze, Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin 2018, 200 Seiten, 25,00 Euro.
Schlagwörter: Albert Einstein, Berlin, Bertolt Brecht, Dieter Hoffmann, Mathias Iven, Michael Bienert, Schauplätze