von Arndt Peltner, aus Somaliland und Oakland
Hargeisa ist die Hauptstadt der unabhängigen Republik Somaliland. Einst war Somalia mit Puntland eine italienische Kolonie, Somaliland hingegen gehörte zum britischen Königreich. Nach der Unabhängigkeit 1960 vereinigte man sich mit Somalia, doch mehr schlecht als recht. Eine große Bewegung wollte die Unabhängigkeit für Somaliland zurück. Der teils militärische Dauerkonflikt gipfelte in der Bombardierung Hargeisas durch die Truppen des somalischen Präsidenten Siad Barre Ende der 1980er Jahre. Es kam zu einer Massenflucht. Nach dem Sturz von Barre 1991 ergriff man in Somaliland die Gunst der Stunde und verkündete die Unabhängigkeit. Die wird jedoch bis heute von keinem anderen Staat anerkannt. Dennoch trifft man niemanden in Somaliland, der eine Wiedervereinigung mit Somalia anstrebt.
Wer ein Interview mit der früheren First Lady und Außenministerin und der bekannten Kämpferin gegen die weibliche Genitalverstümmelung, Edna Adan, führen will, der muss genau auf die Formulierung der Fragen aufpassen. Denn Adan ist eine lautstarke Verfechterin der Unabhängigkeit Somalilands. „Die internationale Gemeinschaft hat darin versagt, zu erkennen, dass Somalia und Somaliland zwei unterschiedliche Länder sind, zwei unterschiedliche Nationen, zwei unterschiedliche Charaktere, zwei unterschiedliche Wertesysteme und zwei unterschiedliche Lebenseinstellungen haben. Somaliland würde lieber international nicht anerkannt bleiben, unseren Stolz und unsere Ehre bewahren, als mit Somalia wiedervereint werden.“
Die Unabhängigkeit ist eine Sache in Somaliland, mit der man zu leben gelernt hat. Die Sicherheitsfrage ist hier kein großes Problem. Der Terror der Al-Shabaab ist weit weg. Hoffnung auf einen allgemeinen Frieden für die Region schöpft man nun auch aus dem Friedensprozess im benachbarten Äthiopien mit Eritrea. Für den leitenden Direktor im Umweltministerium von Somaliland, Dr. Abdirizak Jama Nuur, sind allerdings andere Brennpunkte aktueller: „Was wir versuchen, ist die Umwelt zu schützen, die Tiere, das Land, das Meer. Wir wollen auch, dass der Meeresspiegel nicht steigt aufgrund des Klimawandels und der Erderwärmung. Aber wir haben die Mittel und das Know How dafür nicht. Ohne werden wir nicht weit kommen. Der Klimawandel bringt uns alle fünf Jahre eine neue Dürrekatastrophe.“
Der Klimawandel ist etwas Abstraktes, was man, so Nuur, der Bevölkerung nur schwer vermitteln kann. Aber seine Behörde hat ganz konkrete Ziele, und will das mit kleinen Schritten erreichen. Allen voran der Kampf gegen die Abholzung der Bäume: „Bäume zu roden, um Holzkohle zu produzieren ist derzeit das größte Problem in Somaliland, denn das Abholzen der Bäume ist der Beginn der Versteppung. Das Land wird zur Wüste. Als die Menschen ihr Vieh verloren, brauchten sie etwas zum Essen, deshalb fingen sie mit den Rodungen an, um damit Geld zu verdienen, sie zerstörten riesige Baumbestände. Wenn man heute 50 Kilometer aus Hargeisa rausfährt, zu den Weideflächen, dann kann man die Feuer 24 Stunden lang beobachten. An jedem Tag werden allein in dieser Region Tausende von Bäumen abgeholzt. Das ist unser größtes Problem und dafür haben wir noch keine Lösung. Denn die Menschen müssen von etwas leben, aber wir müssen überleben und die Umwelt schützen.“
Die Holzkohle wird nicht nur für den Eigenbedarf produziert. Der Großteil wird auf die arabische Halbinsel exportiert, so verdienen sich viele in Somaliland nach der verheerenden Dürre, in der Millionen Stück Vieh verendeten, ihren Lebensunterhalt.
Im Osten Somalilands sind die Folgen der jüngsten Dürre noch deutlich zu spüren. Und hier sieht man ganz konkret auch die großen Herausforderungen für dieses Land. Das Land ist karg, es gibt nur wenig Landwirtschaft, hier lebt man vor allem von Viehzucht. Die lange Trockenperiode führte zum Massensterben von Ziegen, Schafen, Kamelen und Kühen. So langsam erholt man sich davon, doch die Spuren sind noch deutlich zu sehen. Am offensichtlichsten: Flüchtlingslager mit Menschen, die vor der Dürre flohen und bislang noch nicht zurückkehren konnten. Auch in vielen Dörfern wurden die Neuankömmlinge aufgenommen, wie in Suuqsade, einer kleinen Gemeinde im scheinbaren Nirgendwo. Eine der wenigen internationalen Hilfsorganisationen, die hier vor Ort aktiv ist, ist CARE. Mit Wasser/Solar Projekten wird versucht, die Dorfgemeinschaft zu unterstützen. Ein Techniker wird dafür in Hargeisa geschult, anschließend wartet er die Wasserpumpe, die mit Solarzellen betrieben wird. Finanziert wird er über den zusätzlichen Strom, der an lokale Geschäfte verkauft wird, die dann wiederum den Dorfbewohnern eine Möglichkeit bieten, ihre Mobiltelefone aufzuladen. Das ist wichtig, denn per Telefon wird am Horn von Afrika alles bezahlt. Von der Busfahrt bis zum Tee. Eine Wasserpumpe wird somit zu einem Wirtschaftsfaktor einer ganzen Gemeinde.
Die Herausforderungen sind groß in diesem Teil Afrikas. Vielleicht zu groß für eine Region, die schon jetzt mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen hat. Und dass vor dem Hintergrund eines schwachen Staatsapparates. Keine guten Aussichten, so der Wissenschaftler Ahmed Ibrahim Awale von der University of Hargeisa: „Die Landschaft wurde über Jahrzehnte ausgebeutet. Entwaldung, Überweidung, ungeeignete Landnutzung und da ist auch noch die Beziehung zwischen Konflikten und der Umweltbelastung. Auch die Jahre der sozialen und politischen Krise haben der Umwelt sehr geschadet. Es ist traurig mitanzusehen, dass es zu keinen notwendigen Konsequenzen geführt hat. Natürlich gibt es Organisationen, die reagieren, aber es dauert viel zu lange, es gibt keine Pläne. Auch die Regierung hat keinen umfassenden Reaktionsplan auf die Dürre.“
Es fehlt einfach der große Plan für das Horn von Afrika, ja, für ganz Afrika. Die USA unter Donald Trump senden mit Travel Ban, der Militarisierung der Außenpolitik, der Androhung, die Entwicklungshilfegelder zu kürzen oder ganz zu streichen, ein gegenteiliges Zeichen Richtung Afrika. Der US Präsident drohte bei seinem jüngsten Auftritt vor den Vereinten Nationen ganz offen: „In der Zukunft werden wir nur noch jenen Entwicklungshilfe geben, die uns respektieren und, ganz offen, unsere Freunde sind.“
Amerika zieht sich aus Afrika zurück und das, obwohl die USA noch der größte Geldgeber in der Entwicklungshilfe für Somalia und den Rest Afrikas sind. Doch das soll sich ändern, fordert Präsident Trump. Kein anderes Land und auch nicht die gesamte Europäische Gemeinschaft zusammen genommen könnte den Ausfall an amerikanischen Hilfs- und Projektgeldern auffangen.
Puntland, Somalia, die gesamte Region am Horn von Afrika sind nur ein Nebenschauplatz der neuen amerikanischen Außenpolitik. Die internationale Gemeinschaft, allen voran Hilfsorganisationen blicken besorgt auf die unter Donald Trump wiedereingeführte sogenannte „Mexico City Policy“ auch „Global Gag Rule“ genannt. Diese 1984 unter Ronald Reagan eingeführte Regel besagt, dass keine amerikanischen Entwicklungshilfegelder für die Beratung, die Vermittlung oder für Abtreibungen selbst hergenommen werden dürfen. Bergen Cooper von der Organisation „Center for Health and Gender Equity“, kurz Change, mit Sitz in Washington, erklärt, dass Trump diese Politik noch ausgeweitet hat: „Was Trump nun gemacht hat, ist diese Richtlinie auf die gesamte US Entwicklungshilfe auszuweiten, nicht nur die Familienplanung. Bisher waren so 500 Millionen Dollar an Geldern betroffen, nun sind es ungefähr 8 bis 9 Milliarden Dollar.“
Das heißt, eine Hilfsorganisation, die beispielsweise in Kenia arbeitet und Projektfinanzierungen aus den USA erhält, darf weder diese Gelder noch Finanzmittel aus anderen Ländern, beispielsweise Schweden, Niederlande, Deutschland, für die Vermittlung, Aufklärung oder Durchführung von Abtreibung nutzen. Damit greift die Trump Administration massiv in die Budgets von Organisationen und die Entwicklungshilfeziele anderer Nationen ein. Der Effekt war umgehend zu spüren. Schon kurz nach der Amtsübernahme durch Donald Trump schlossen Gesundheitszentren in mehreren afrikanischen Ländern, was dramatische Folge hatte. Nicht nur im Bereich der Familienplanung, sondern auch bei HIV-Beratungen von Frauen und Mädchen. In Mozambique fand Change eine lokale NGO, die die Richtlinien der Mexico City Policy nicht unterschreiben wollte, und so 60 Prozent ihrer Fördergelder verlor. Aufgrund von Kürzungen fielen die HIV-Beratungen innerhalb von drei Monaten von 6800 auf nur noch 833, berichtet Bergen Cooper.
Hinter der Wiedereinführung der harmlos klingenden Mexico City Policy steht Vize-Präsident Mike Pence. Er sieht sich mit der Christlichen Rechten in den USA verbunden. Seit Trumps Amtsantritt wurden viele offene Stellen im State Department und in der Entwicklungshilfebehörde USAID mit christlichen Fundamentalisten besetzt, die nun offen ihre Pro-Life und Anti-Gay Ziele verfolgen und öffentliche Gelder dementsprechend einsetzen. Für Beirne Roose-Snyder von Change ist das eine zynische Politik: „Für konservative Mitglieder im Kongress ist es einfach, diese Sache zu unterstützen. Sie müssen sich nicht mit den Frauen und Mädchen beschäftigen, die deshalb sterben. Sie erfahren nichts von den Frauen und Mädchen, die ihren Zugang zu Gesundheitszentren verlieren. Die Menschen, die davon betroffen sind, sind keine amerikanischen Wähler. Es ist also leicht für Politiker in den USA, dies als politischen Sieg zu feiern und die Konsequenzen zu ignorieren.“ Das Ziel von Pence und der Christlichen Rechten mit der Wiedereinführung der Mexico City Policy ist die Reduzierung der Abtreibungszahlen. Doch genau dem widerspricht die Expertin von Change, die darauf verweist, dass diese Politik zu mehr Abtreibungen, verringertem Zugang zur Familienplanung, zu Klinikschließungen und zu Unterbrechungen bei der HIV Prävention geführt hat.
Die amerikanische Außenpolitik unter Donald Trump ist zum einen durch eine Verschiebung der Interessen vom State Department hin zum Pentagon gekennzeichnet. Zum anderen hat Donald Trump mit Mike Pence einen fundamentalistischen Kulturkrieger an seiner Seite, den er einfach machen lässt, damit dieser seine Wählerbasis bei der christlichen Rechten halten kann. Für den Politikwissenschaftler James Davis von der Universität in St. Gallen steckt dahinter das Desinteresse Trumps an afrikanischen Ländern, mit folgenreichen Konsequenzen: „Der derzeitige Präsident sieht die Welt durch die Augen eines Durchschnittsamerikaners, der es überhaupt nicht versteht, warum wir uns um Afrika kümmern müssen.“
Die Recherchen wurden durch ein Reisestipendium der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW) unterstützt.
Schlagwörter: Aids, Arndt Peltner, Dürre, Entwicklungshilfe, Klimawandel, Mike Pence, Somaliland, US-Politik