21. Jahrgang | Nummer 25 | 3. Dezember 2018

Erinnerung

von Theobald Tiger

Bei allem, was ich tu und treibe,
denk ich an eine starke Hand;
die lenkt mich heut noch, wenn ich schreibe,
ob auch der Freund uns jäh entschwand.
Der Freund – ich nannt ihn dann und wann:
den kleinen Mann.

Er, war uns viel.
Der wollt nicht dämpfen,
er packte wuchtig seine Zeit.
In Lärm und Streit und lauten Kämpfen;
ein Blick – wir wußten gleich Bescheid.
Und kämpf ich heut – wie fehlt mir dann
der kleine Mann!

Er hat uns vieles hinterlassen:
den Dienst am Werk und Schuld und Pflicht.
Ich will im Lieben und im Hassen
so tun wie er – stets kann ichs nicht.
Ich hab mich oft in Zweifeln still gefragt:
„Was hätte wohl S. J. dazu gesagt –?“

In seinem Sinn will ich mir Mühe geben –
die Wahrheit an das helle Taglicht heben –
aus Liebe streiten – in der Stille leben …
Das sieht von oben freundlich lächelnd an
der kleine Mann.

Am 3. Dezember jährte sich zum neunzigsten Male der Todestag Siegfried Jacobsohns. Kurt Tucholsky veröffentlichte sein Gedicht anlässlich des zweiten Todestages des Weltbühnen-Begründers in deren Ausgabe 49/1928.