21. Jahrgang | Nummer 16 | 30. Juli 2018

Film ab

von Clemens Fischer

Mit einer Jacht allein auf unendlichem Ozean, weitab jeglicher frequentierter Seewege – besonders geeignet für entsprechende Szenarien schon ob seiner schieren Größe ist der Doppelozean Indik-Pazifik. Dass aber auch dort und wider alle Erwartungen selbst ein alter Mann den Case vor dem Worst Case (Untergang des Schiffes mit Mann und Maus), nämlich die nahezu Totaldemolierung seiner Jacht, inklusive Zerstörung aller Kommunikationsmittel zum Erreichen der übrigen Welt, durch ein von außen einwirkendes Ereignis, die Kollision mit einem Frachtcontainer, überleiden und -leben kann, konnte bereits 2014 in hiesigen Kinos unter protagonistischer Beteiligung von Robert Redford besichtigt werden. Der Streifen hieß treffgenau „All Is Lost“ („Alles ist verloren“, auch im Sinne von einfach weg), was mit rien ne va plus (nichts geht mehr) allerdings falsch übersetzt gewesen wäre, denn Redford ertrotzte sich gegen die Elemente Einiges.
Wem nach immerhin vier Jahren an einem „Remake“ gelegen sein sollte, das en passant zugleich darüber aufklärt, ob auch eine 24-jährige Frau mit vergleichsweise geringer nautischer Erfahrung eine solche Tortur zu überstehen vermag und danach womöglich weiterhin passioniert hochseesegelt, dem sei der vom hiesigen Verleih euphemistisch-verkitscht „Die Farbe des Horizonts“ getaufte Streifen empfohlen. (Der Originaltitel: „Adrift“ – auf den Wellen treibend, verlassen, hilflos – trifft die Sache viel besser.)
In diesem Fall ist wenigstens kein blecherner Zivilisationsschrott, sondern ein formidabler Hurrikan der die Katastrophe auslösende Übeltäter, und die Darstellung der tosend-tobenden Elemente wird den Rezensenten noch ein Weilchen einen weiten Bogen selbst um die läppischen Kaulsdorfer Seen unweit seines Berliner Domizils schlagen lassen …
Wer sich schon mal auf den Kinogang einstimmen will, kann sich bei Spotify den letzten Song des Soundtracks – Tom Waits: „Picture in a Frame“ anhören. So ist die Stimmung am Ende des Streifens.
„Die Farbe des Horizonts“, Regie: Baltasar Kormákur. Derzeit in den Kinos.

*

Wer nach „Der seidene Faden“ die zauberhafte Aktrice Vicky Krieps nicht bis zu ihrem nächsten Kinofilm missen möchte, könnte ausnahmsweise mal aufs Fernsehen ausweichen. Dort lief in der ZDF-Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ vor einigen Tagen der zwar bereits 2016 – Vicky Krieps war da dem Rezensenten zugegebenermaßen noch mehr ein Gesicht, denn ein nicht mehr nachzuschlagender Name – im Kino gelaufene, doch jetzt erst im TV gezeigte Streifen „Outside the Box“. Eine Satire auf die kranke Führungskräfteassesmentmanie nicht nur in der Finanzbranche. Mit Spitzenbesetzung – neben Krieps unter anderem Lavinia Wilson, Hans Zischler und Samuel Finzi.
Leider haben die Drehbuchautoren Philip Koch und Anna Katrin Schneider sowie Regisseur Philip Koch sich nicht dazu entschlossen, ein wirklich rabenschwarzes Stück in den Fußtapfen der Coen-Brüder oder des dänischen Klassikers „In China essen sie Hunde“ zu drehen, wo am Ende – verdient wie unverdient – alle (also mehr oder weniger alle) tot sind. Das wäre der Botschaft, die der Film meinen könnte, adäquater gewesen. So bleiben Zweifel – auch an der Botschaft.
Der softige Schluss hat aber zumindest den Vorteil, dass man nicht zu streng darauf achten muss, ob die Kinder schon im Bett sind.
„Outside the Box“, Regie: Philip Koch; Video verfügbar in der ZDF-Mediathek bis zum bis 16.08.2018.