21. Jahrgang | Nummer 4 | 12. Febuar 2018

Film ab

von Clemens Fischer

„Three Billboards outside Ebbing, Missouri“ ist die Geschichte einer Mutter, die sieben Monate nach der Vergewaltigung und Ermordung ihrer Tochter, in denen die örtliche Polizei keinen brauchbaren Ermittlungsansatz vorlegen konnte, die Sache zwar nicht selbst in die Hand nimmt, aber doch auf unorthodoxe Weise Bewegung in den längst zu den Akten gelegten Fall bringt. Dabei heiligt ihr der Zweck durchaus die Mittel, und auch wenn diese Mildred Hayes niemandem vorsätzlich leiblichen Schaden zufügen will, geschieht das doch. Das Opfer allerdings ist die mit Abstand ekelhafteste, rassistischste und gewalttätigste Figur der ganzen Polizeiwache von Ebbing. Die persönliche Läuterung dieses Jason Dixon fügt dem ansonsten äußerst schwarzhumorigen Streifen eine sympathische, wenn auch leicht märchenhafte Nuance hinzu.
Mit dem Etikett „brillant“ wird an dieser Stelle bekanntlich gegeizt. Hier soll es vergeben werden. Nicht zuletzt wegen des Soundtracks, der noch einen drauf setzt!
Sein Langfilmdebüt „Brügge sehen … und sterben“ hatte Drehbuchautor und Regisseur Martin McDonagh 2008 neben dem British Academy Film Award eine Oscar-Nominierung als „Bester Spielfilm“ eingebracht. Dabei sollte es dieses Mal nicht bleiben! Und Frances McDormand hat nach „Fargo“ (1997) jetzt erneut die Rolle einer bodenständigen, charakterstarken und kaum einzuschüchternden Frau in der USA tristester Provinz abgeliefert, die ebenfalls oscarreif ist. Einen Golden Globe dafür hat sie zu recht bereits abgeräumt. Woody Harrelson (schon großartig in Staffel eins von „True Detective“) als Polizeichef Willoughby und Sam Rockwell als das Oberarschloch von der Wache sind ihr völlig ebenbürtige Partner.
Würde man alle rassistischen Polizisten in den USA suspendieren, blieben nur noch drei übrig, und das wären dann – „Schwulenhasser“. Für eine solche Bemerkung wäre Karl Eduard von Schnitzler einmal mehr als „Sudelede“ apostrophiert worden.  Aber was ist ein weißer US-Provinzpolizeichef, der solches äußert?
„Three Billboards outside Ebbing, Missouri“, Drehbuch und Regie: Martin McDonagh. Derzeit in den Kinos.

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Um es gleich vorweg zu sagen: So leicht verständlich wie die vorangegangene, mit zwei Oscars dekorierte Zusammenarbeit zwischen Drehbuchautor/Regisseur und Hauptdarsteller („There will be blood“, 2007) ist dieser Streifen nicht.
Eine „schwerelose Etüde in Moll“, befand der Kritiker der Berliner Zeitung. Nicht unoriginell! Aber worum geht es?
Wenn in einer heterosexuellen Zweierbeziehung er, ein manischer Meister Nadelöhr, ein Rad ab hat (es können gut auch mehrere sein), und sie, seine vergleichsweise ländliche Muse, ebenfalls unrund läuft, ihm aber ordentlich veromelettierte Giftpilze reicht, dann hängt die ganze Kiste im Wortsinn am seidenen Faden. Der muss aber nicht unbedingt reißen, und dann fällt gegebenenfalls selbst noch Nachwuchs an. Ende offen …
Ob es die speziellen kulinarischen Aspekte dieses kranken Pas de deux waren, die die Kritikerin eines einschlägigen Hamburger Nachrichtemagazins von einem „köstlichen (Hervorhebung – C.F.) Beziehungsfilm“ schwadronieren ließen, sei dahingestellt. Ein opulenter Augenschmaus ist es allemal geworden – mit jeder Menge Haute Couture für die High Society im London der frühen 1950er Jahre.
Sollte Daniel Day-Lewis – der bisher einzige Schauspieler, dem der Oscar als bester Hauptdarsteller dreimal verliehen wurde – seine Ankündigung wahr machen, nie wieder vor der Kamera zu agieren – die „Verantwortung eines kreativen Lebens“ werde ihm immer mehr zur Last; der Meister zählt schließlich bereits 61 Lenze! –, dann wäre ihm ein würdiger Abschied gelungen beziehungsweise eine fürs Publikum bleibende Veranlassung, seine Entscheidung nachhaltig zu bedauern. Und selten wurde die Spruchweisheit, wonach stille Wasser tief (= kreuzgefährlich) seien, so eindrücklich personifiziert wie von der immer noch blutjung wirkenden Vicky Krieps. Wer die im vergangenen Jahr als Jenny in „Der junge Marx“ verpasst hat, der sollte das vielleicht schleunigst nachholen …
„Der seidene Faden“, Drehbuch und Regie: Paul Thomas Anderson. Derzeit in den Kinos.