von Hartmut Pätzke
Max Liebermanns Briefe aus den Jahren 1922 bis 1926 bilden den 7. Band der großen Briefausgabe, die Ernst Braun im Deutschen Wissenschafts-Verlag herausgegeben hat. Zu seinem 75. Geburtstag am 20. Juni 1922 erreichten Liebermann (1874–1935), Präsident der Preußischen Akademie der Künste, zahlreiche Würdigungen und Briefe. Für die Glückwünsche von Fritz Stahl im Berliner Tageblatt bedankt sich Liebermann am 25. Juli 1922 herzlich, ebenso für die der Stadt Berlin, von Max Slevogt, Gerhart Hauptmann und Olaf Gulbransson. Bei Piper in München erscheint die Liebermann-Monographie von Karl Scheffler in vierter Auflage, wofür der Geehrte dankt, da er sich vom Autor mehr als bisher geschätzt sieht.
Überhaupt war 1922 in vielfacher Hinsicht ein ereignisreiches Jahr für den Maler und Grafiker. Am 24. Juni wird Außenminister Walther Rathenau (1867–1922), Sohn des Liebermann-Vetters Emil Rathenau (1838–1915), des AEG-Gründers, im Grunewald ermordet. Im August wird der „Liebermann-Saal“ des deutschen Pavillons auf der internationalen Kunstausstellung in Venedig eröffnet. Im Oktober berichtet der Dresdner Galeriedirektor Hans Posse vom guten Abschneiden der Ausstellung. Gewicht erhält das Jahr 1922 in dieser Ausgabe überdies durch zwei Beiträge, die unter „Anhänge“ abgedruckt sind: von Karl Scheffler „Kunsthochschulen“ aus der Vossischen Zeitung und von Julius Elias „Die akademische Ausstellung am Pariser Platz 7 (10.5.–2.7.1922)“ aus Der Tag. Beide Beiträge erörtern Probleme, die Liebermann in dieser Zeit außerordentlich berühren.
Das Jahr 1923 fordert Liebermann als Präsidenten der Preußischen Akademie der Künste: Vor allem geht es um die Wahl neuer Akademiemitglieder, darunter Edvard Munch (1863–1944) und Ferrucioni Busoni (1866–1924). Großen Raum nimmt die Korrespondenz mit Wilhelm Wartmann (1882–1970) ein, der eine Personalausstellung in Zürich vorbereitet, für die Liebermann sowohl Leihgeber als auch Titel und Datierungen von Bildern nennt.
Alexander Amersdorffer (1875–1946), von 1910 bis 1945 Erster Ständiger Sekretär der Akademie, behelligt Max Liebermann „ungern […] mit leidigen Dingen“, am 27. Juni 1924 teilt er ihm jedoch „ohne Verzug“ einen Artikel von Justi „aus dem heutigen Morgenblatt der Deutschen Allgemeinen Zeitung“ mit. Darin stehe „ein Angriff auf die Akademie und ihre Ausstellungen, wie er schärfer, aber auch thörichter kaum gedacht werden kann“. Damit beginnt der auch öffentlich ausgetragene Kampf zwischen Liebermann als Akademiepräsident und dem Direktor der Nationalgalerie, Geheimrat Ludwig Justi (1876–1957). Unter den Anhängen des Bandes liest man „Max Liebermann: Erklärung des Präsidenten (Senatssitzung vom 25. November 1924)“ und „Ludwig Justi: Liebermann und die deutschen Museen“. In der Auseinandersetzung geht es wesentlich um Justis Bevorzugung der Expressionisten, speziell der Brücke-Maler. Zu kulminieren droht der Streit, als Liebermann in einem Brief an Amersdorffer am 15. Juni 1925 schreibt, dass er sich „entschlossen habe, die Wiederwahl zum Präsidenten der Akademie nicht anzunehmen. Die Gründe meiner Entschließung werde ich dem Senat der Akademie mizutheilen nicht verfehlen.“
Es folgen Briefe an Carl Heinrich Becker, 1925 bis 1930 preußischer Minister für Wissenschaft und Forschung, und an Ministerpräsident Otto Braun, der Liebermann seine „Auffassung“ wissen lässt, „daß Ihre Ausführungen vom 5. November 1924 nach Form und Inhalt keinen Anlass zu Beanstandungen geben, die irgendwie die Einleitung eines Disziplinarverfahrens rechtfertigen würden“. Liebermann wird immer wieder zum Präsidenten der Akademie der Künste gewählt werden. Das verantwortungsvolle Amt wird er bis 1932 innehaben.
Am 7. Oktober 1925 verliert Max Liebermann seinen „geliebten Bruder“ Felix (1851–1925), den Historiker, durch einen Autounfall „5 Schritt vor seíner Hausthür am lichten Tage“, teilt der Maler in einem Schreiben an Geheimrat Max J. Friedländer (1867–1958) mit: „Es ist fürchterlich!“
Gegen Ende des Jahres verleiht die bayrische Regierung Max Liebermann gemeinsam mit Max Slevogt, Theodor Fischer und German Bestelmeyer den Maximiliansorden in der Kategorie „Kunst“. Eine Zeichnung von Thomas Theodor Heine, reproduziert aus dem Berliner Tageblatt vom 17. Januar 1926, karikiert dieses Ereignis.
Das Jahr 1926 bestätigt den Rang Liebermanns als Porträtmaler. Vom Schweizer Bankier Adolf Jöhr (1878–1953) erhält er für dessen Porträt einen Scheck über 8000 Mark. Liebermanns Holzschnitt-Porträt von Conrad Felixmüller (1897–1977), im Buch ganzseitig abgebildet, „scheint mir unter den mir bekannten Arbeiten Ihrer Hand. […] eine der gelungensten“ zu sein. erklärt er in einem Brief vom 6. Februar 1926.
Wilhelm Waetzoldt (1880–1945), seit 1920 Vortragender Rat im preußischen Kultusministerium, erhält Liebermanns Dank für seine „tatkräftige Initiative“ zur Bildung einer Sektion für Dichtkunst. Hermann Hesse (1877–1962) meinte, als Schweizer Bürger einer Mitgliedschaft in der Preußischen Akademie nicht zustimmen zu können. Doch der Präsident unterrichtet ihn in einem Brief vom 6. November 1926: „Unsere Akademie umfaßt aber in all ihren Sektionen (bisher bildende Künste und Musik) bedeutende Künstler aller Kulturnationen.“ Hesse dankt am 9. November: „Infolge dieser Aufklärung kann ich zu meiner Freude die Wahl annehmen […] nunmehr Mitglied Ihrer ehrwürdigen Akademie zu sein.“
Unter den „Personendaten“ ist Heinz Mansfeld (1899–1959), Kunsthistoriker und Kunsthändler, Direktor des Staatlichen Museums Schwerin, ungenannt geblieben. Karl Koetschau wurde fälschlich zu Kötschau verkürzt. Schade, dass „Conrad Felixmüller. Das Graphische Werk 1912–1974“, herausgegeben von Gerhart Söhn, ungenannt blieb.
Mit den 580 Briefen von und an Max Liebermann hat diese große Briefausgabe noch nicht ihr Ende gefunden. Band 8 und ein Nachtragsband werden folgen.
Max Liebermann: Briefe. 1922–1926. Zusammengetragen, kommentiert und herausgegeben von Ernst Braun. Deutscher Wissenschafts-Verlag (DWV), Baden-Baden 2017. Schriftenreihe der Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V., 674 Seiten, 54,90 Euro.
Schlagwörter: Briefe, Hartmut Pätzke, Max Liebermann, Preußische Akademie der Künste