von Jan Opal, Gniezno
Nachdem das gefährliche Gespenst des Kommunismus endlich aus dem Land vertrieben werden konnte, nimmt den Anführer der Nationalkonservativen nun der Kampf gegen die Polenfeindlichkeit in Anspruch. Es sei aus Sicht der Landesinteressen eine gefährliche, wahrscheinlich sogar die gefährlichste Erscheinung. Die Polenfeindlichkeit, so Jarosław Kaczyński in ernstem Tonfall, könne zwar vergleichsweise leicht im Ausland festgestellt werden, aber sie habe auch tiefe Wurzeln zu Hause, sie stamme sogar in großem Maße aus Polen. Es gebe immer noch starke Kreise, die krank seien in ihrem polenfeindlichen Wahn, wodurch die negative Wahrnehmung im Ausland gestärkt werde. Kaczyński unterstreicht mit diesem schweren Vorwurf den Ernst der Situation und gibt die Richtung vor, in der zu suchen sei.
Schnell war nämlich in Polen ausgemacht, dass die Missetäter, die den Ruf des Landes beschmutzten, wenn sie hier und dort von „polnischen Todeslagern“ schrieben, obwohl sie Auschwitz, Treblinka oder Bełżec meinten, vor allem im Ausland dies- und jenseits des großen Teiches zu finden seien. Kaczyński hat nun jedoch klargestellt, dass die Novellierung des Gesetzes über die staatliche Geschichtsbehörde IPN (Institut für nationale Erinnerung), die draußen in der weiten Welt etwas verengend als polnisches Holocaustgesetz bezeichnet wird, gleichermaßen nach außen wie nach innen gerichtet sei.
Bereits im Herbst des letzten Jahres hatte Kaczyński mehrfach gefordert, mit der „Pädagogik der Schande“ müsse Schluss gemacht werden. Er meinte öffentliche Darstellungen der Zeit Polens unter der deutschen Okkupation, in denen die Rolle der Polen in ein schlechtes, zumindest nicht in das richtige Licht gerückt werde. Als „Pädagogik der Schande“ versteht er mithin alle Versuche, mit denen die deutsche Schuld gemildert, indem polnische Schuld unermesslich gesteigert werde. Kategorisch verwahre er sich dagegen, wenn im Zusammenhang mit den Vorgängen unter der deutschen Okkupation dem polnischen Volk oder dem polnischen Staat Schuld an den Verbrechen gegen die Menschlichkeit zugeschoben werde.
Dieses Denkbild passt haargenau zur Kernaussage in der Novelle des IPN-Gesetzes. Mit dem Gesetz sollen solche Versuche nun unter Strafe gestellt werden – ganz gleich, wo auf dem Erdenrund und von wem auch sie unternommen würden. Zwar werden Ausnahmen definiert, so solle weder die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung noch die der künstlerischen Ausübung angetastet werden, doch es bleibt der Eindruck, hier werde mit Kanonen auf Spatzen gezielt.
Anders sieht es im Inland aus, denn da nennt der oberste Nationalkonservative Ross und Reiter. Es fehle bislang an Geschichtspolitik (sic!), um Polens guten Ruf und die historische Wahrheit zu beschützen. Nicht zu bestreiten sei, dass es schreckliche Verbrechen von Polen an den jüdischen Nachbarn gegeben habe. Doch das dürfe nicht dazu führen, öffentlich das polnische Volk oder den polnischen Staat an den Pranger zu stellen. Als lehrreiches Beispiel führt Kaczyński die Diskussion um Jedwabne an. Der Historiker Jan Tomasz Gross behauptete nämlich, in Jedwabne hätte sich die gesamte polnische Einwohnerschaft Anfang Juli 1941 versammelt, um die gesamte jüdische Einwohnerschaft zu ermorden. Die Wahrheit sei aber, dass sich vereinzelte, dazu verkommene Polen zusammengerottet hätten, um mehrere Hundert jüdische Nachbarn umzubringen, außerdem unter den Bedingungen der deutschen Okkupation. Dieses Verbrechen dürfe weder dem polnischen Volk noch dem polnischen Staat in die Schuhe geschoben werden.
Polens Nationalkonservative seien also diejenigen, die Polens guten Namen nun konsequent verteidigen, während die anderen da immer feige weggesehen oder gar denjenigen Vorschub geleistet hätten, die ganz ungeniert Polens Ruf beschmutzten. Schnell war in nationalkonservativen Blättern von der „Holocaustideologie“ die Rede, die es einzudämmen gelte. Kaczyński selbst goss Öl ins Feuer, als er meinte, unter den Feinden Polens befänden sich auch Polen und Juden, und dem versammelten Publikum gleichermaßen einschränkend wie verräterisch erklärte, ja, auch unter den Polen gebe es welche, die dem Lande schadeten. Fast ist es so, als wolle Kaczyński die Gefahr einer fünften Kolonne heraufbeschwören, von der Władysław Gomułka im Sommer 1967 gesprochen hatte. Was jetzt nur noch fehlt, sind die organisierten Aufmärsche der Werktätigen, die damals im Parteiauftrag gefordert hatten, die Zionisten nach Sinai zu schicken.
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