von Arndt Peltner, Oakland
Die amerikanische Folk-Sängerin Mary Gauthier hat über die Jahre sieben Studioalben veröffentlicht, auf denen sie ihre persönlichen Geister und Traumata in Songs aufarbeitete. Das war kein leichter Prozess, doch ihre Lieder wurden für sie zu einem Weg, mit der eigenen Geschichte zurechtzukommen. Da waren Adoption, Flucht, Alkoholsucht, die Suche nach sich selbst. Nun legt sie mit „Rifles & Rosary Beads“ (Gewehre und Rosenkränze) ihr neuestes Album vor, eine Platte, die sie mit US-Veteranen aus dem Afghanistan- und Irak-Krieg und deren Angehörigen schrieb. Es ist keine patriotische, aber doch eine sehr amerikanische Platte.
I was bound to something bigger
More important than a single human life
I wore my uniform with honor
my service was not a sacrifice
But what saves you in the battle
can kill you at home
A soldier, soldiering on
(Ich war zu etwas Höherem berufen/ wichtiger als ein einzelnes Menschenleben/ Ich trug meine Uniform mit Ehre/ Mein Dienst war kein Opfer/ Aber was dich im Kampf schützt/ kann dich zu Hause töten/ Ein Soldat, der Soldat bleibt)
Mary Gauthier wurde vor fast fünf Jahren von der Organisation „Songwriting with Soldiers“ eingeladen. Dabei werden Folk- Musiker mit Soldaten und Veteranen zusammen gebracht, um durch Songs Erlebtes auszudrücken. Auf den ersten Blick ein gewagtes Unterfangen. Gauthier hat keine Militärerfahrungen und erklärt von sich, dass sie gegen den Krieg im Irak protestierte: „Aber das heißt ja nicht, dass ich die Soldaten hasse. Ich liebe die Mitmenschlichkeit und das bezieht Soldaten mit ein. Und wenn ich helfen kann, dann will ich auch helfen. Ich werde auch wieder gegen den nächsten Krieg protestieren, aber wenn die Soldaten zurückkommen, sie verwundet sind und ich helfen kann, dann werde ich das tun.“
Who’s gonna care for the ones who care for the ones who went to war
Land mines in the living room eggshells on the floor
I lost myself in the shadow of your honor and your pain
You stare out the window as our dreams go down the drain
Invisible, the war after the war
(Wer wird sich um die kümmern, die die gern haben, die an die Front gingen/ Landminen im Wohnzimmer Eierschalen auf dem Boden/ Ich habe mich selbst im Schatten deiner Ehre und deines Schmerzes verloren/ Du starrst aus dem Fenster während deine Träume versickern/ Unsichtbar der Krieg nach dem Krieg)
„Rifles & Rosary Beads“ geht nahe, ist ein gefühlvolles, ja, poetisches Album. Die Liedertexte sind alles andere als der Hurra-Patriotismus, der in diesen Wochen und Monaten in den USA verbreitet wird. Hier kommt nach 17 Jahren Krieg eine Generation zu Wort, die tief traumatisiert ist, die mit ihren Problemen den Weg zurück in die amerikanische Gesellschaft finden will.
Mary Gauthier hilft dabei auf eine einfühlsame Weise, versucht Bilder im Kopf zu Worten werden zu lassen: „Ich habe den Song ‚Rifles & Rosary Beads‘ mit einem jungen 19jährigen Mann geschrieben, der nach seiner Grundausbildung nach Fallujah im Irak geflogen wurde. Und ich fragte ihn: Joe, was hast du gesehen, als Du aus dem Flugzeug kamst, beschreib es mir. Und er meinte: ‚Da waren Jungs mit Rosenkränzen in ihren Händen und sie haben den Rosenkranz gebetet, die Perlen durch ihre Finger gerollt. Und da waren andere mit Gewehren in der Hand, die sie mit weißen Knöcheln ganz fest hielten.‘ ‚Siehst Du den Song da, Arndt? Er nimmt Form an, wenn man das hört. Und ich habe ihm gesagt, wir können das Lied ‚Rifles & Rosary Beads‘ nennen. Ich habe diese Bilder von ihm bekommen, die er mit seinen Augen gesehen hat und ich konnte danach erkennen, was das mit ihm gemacht hat.“
Rifles & Rosary Beads
You hold on to what you need
Vicodin Morphine Dreams
Rifles & Rosary Beads
White Knuckles wrapped around
Blackness that has no sound
Bombed out schools and homes
Kids in the street alone
(Gewehre und Rosenkränze/ Bleib bei dem, was du brauchst/ Morphium-Träume/ Gewehre und Rosenkränze/ weiße Knöchel umwunden/ Schwärze ohne Ton/ Zerbombte Schulen und Heime/ Kids allein auf der Straße)
Mary Gauthier hat über die Jahre mit „Songwriting with Soldiers“ nahezu 400 Songs gesammelt. Auf „Rifles & Rosary Beads“ sind nun elf davon veröffentlicht worden, fünf wurden von Soldatinnen und Ehefrauen mitgeschrieben, sechs von Soldaten. Lieder, die sich um Erlebtes drehen, um den Krieg nach der Rückkehr, aber auch um sexuelle Belästigung und Vergewaltigung von Soldatinnen in Uniform. Mary Gauthier sieht sich mit dieser Platte auch in einer historischen Rolle, ihre Aufgabe sei es Missstände deutlich anzusprechen: „Ich denke, die schwierigen Fragen werden von Folk-Musikern gefragt. Ich sehe mich als eine Folk-Sängerin. Diese Geschichten sind in der Tradition von Woody Guthrie geschrieben. Ihre Aufgabe ist genau das, was Woody uns aufgetragen hat – […] die Gemütlichkeit zu stören und dabei die Gestörten zu trösten.“
When the darkness draws near
And I’m shackled, chained to my fear
And the nightmares howl and moan
She wakes me up and reminds me I’m home
It’s her love
(Wenn die Dunkelheit kommt/ Und ich bin gefesselt, gefesselt an meine Angst/ Und die Albträume heulen und stöhnen/ Sie weckt mich und erinnert mich, dass ich Zuhause bin/ Es ist ihre Liebe)
„Rifles & Rosary Beads“ ist ein ermutigendes Album, für das man sich Zeit nehmen sollte. Denn es zeigt einen gerne übersehenen Teil Amerikas, einen zerbrechlichen, einen menschlichen. Neben all dem News-Getöse dieser Tage ist diese CD nicht nur mutig, sondern auch wichtig.
I was an Army mechanic, I worked with the men
I worked on my back, I tried to fit in
Torque wrenches and ratchets, multi-meters and scales
Grease on my face, Grease on my hands, Grease under my nails
It was so hard to see ’till it attacked
But my enemy wasn’t Iraq.
(Ich war ein Armeemechaniker, ich arbeitete mit den Männern/ Ich arbeitete auf dem Rücken, ich versuchte, mich einzupassen/ Schraubenschlüssel und Klinken, Messgeräte und Waagen/ Dreck auf meinem Gesicht, Dreck auf meinen Händen, Dreck unter den Fingernägeln/ Es war so schwer zu sehen bis es angriff/ Aber mein Feind war nicht Irak.)
Mary Gauthier: „Rifles & Rosary Beads“, CD/LP/MP3, erschienen 2018. Mehr Informationen im Internet.
Schlagwörter: "Rifles and Rosary Beads", Arndt Peltner, Folk, Krieg, Mary Gauthier, Soldaten, Trauma, USA