von Dieter Naumann
Laut Paragraf 12 des vom Preußischen Landtag am 14. Juli 1893 erlassenen Kommunalabgabengesetzes können die Gemeinden „in Badeorten, klimatischen und sonstigen Kurorten für die Herstellung und Unterhaltung ihrer zu Kurzwecken getroffenen Veranstaltungen Vergütungen (Kurtaxen) erheben“.
Die Geschichte der ungeliebten Abgabe ist jedoch viel älter: Angeblich soll schon 1413 in Bad Pyrmont eine Art Kurtaxe eingeführt worden sein. 1505 erhob Baden-Baden auf der Grundlage der geltenden Stadtordnung von jedem fremden Kurgast eine Abgabe in Höhe von sechs Pfennigen, mit der die Kosten der für die Bäder gestalteten öffentlichen Veranstaltungen bestritten werden sollten. Die Ähnlichkeit mit der heutigen Kurtaxe ist unverkennbar, war die Abgabe doch „unabhängig von der Bezahlung der einzelnen Bäder“ zu entrichten, also wie heute unabhängig davon, ob der Gast die Leistung in Anspruch nahm oder nicht. Albrecht von Schlick erhielt 1531 die königliche Erlaubnis, von allen Kurgästen, „hoch oder niedrig“, ein Badegeld nach Belieben zu erheben – die erste Kurtaxe in Karlsbad. Danach existierte bis 1795 ein „Sprudelbuch“, in das freiwillige Leistungen der Gäste zur Erhaltung von Brunnen und „öffentlichen Lustgängen“ eingetragen wurden. Weil die Einnahmen zu wünschen übrig ließen, wurde die gesetzliche Kurtaxe eingeführt, die zunächst für jedes „adeliche“ Familienoberhaupt zwei, für jedes „nichtadeliche“ einen Gulden betrug, aber bald erhöht wurde.
Bevor die Kurtaxe durch das Kommunalabgabengesetz zur öffentlich-rechtlichen Abgabe wurde, erhoben sie viele Gemeinden auf privatrechtlicher Basis, nicht selten mit der Begründung, in anderen Badeorten müsse sie auch gezahlt werden. Das führte teilweise zur Weigerung der Badegäste, die Kurtaxe zu entrichten, wie die Ostfriesische Zeitung vom 25. Juli 1883 berichtete. Die Badekommission reagierte mit einem Schreiben, wonach den betreffenden Damen und Herren nicht nur die Benutzung der Badezellen verboten wurde. Man habe auch den Badearzt angewiesen, „bei etwaigen Krankheitsfällen seine Dienste Ihnen nicht zur Verfügung zu stellen“.
Auf Rügen wurde bereits in den 1880er Jahren Kurtaxe erhoben, ehe der Bund Deutscher Verkehrsverbände und Bäder e. V., Berlin, die Kurtaxsätze auf der Basis des Kommunalabgabengesetzes verbindlich festschrieb. So zahlte man in Göhren, Lohme und Sassnitz/Crampas als Einzelperson drei Mark, die Familie musste fünf bis sechs Mark berappen. Häufige Kritik gab es an Regelungen in Sassnitz/Crampas, zu der sich der Reiseführer von Müller aus dem Jahre 1886 äußerte: „Die Kurtaxe wird für das Halten des Badearztes erhoben; für Verschönerungen wäre sie ungerechtfertigt, denn für diesen Zweck geschieht seit Jahren wenig.“ Stein des Anstoßes war auch, dass man versuchte, sogar von sogenannten Passanten, die sich nur eine Nacht aufhielten, Kurtaxe zu kassieren.
Wohl um den Begriff „Kurtaxe“ zu vermeiden, kassierte man zeitweise stattdessen eine „geringe Zuschussmiete“ in Breege, einen „Verwaltungsbeitrag“ oder eine „Uebernachtungssteuer“ in Göhren, das „Doktorgeld“ oder die „Arzttaxe“ auf Hiddensee und die „Herbergs- oder Bettsteuer“ in Putbus.
Die Höhe der Kurtaxe richtete sich anfangs nach dem Ermessen der jeweiligen Gemeinde, später gab es verbindliche Staffelungen; so wurden die rügenschen Badeorte in den 1930er Jahren in Gruppen eingeteilt, wobei Binz durchgängig zur Sondergruppe A gehörte und damit die höchsten Tagessätze einnehmen durfte, die bis zu 0,80 Reichsmark pro Person betrugen. Die anderen Badeorte waren je nach Aufenthaltsmöglichkeiten, Badegelegenheiten und sonstigen Einrichtungen für Badegäste in bis zu fünf Gruppen unterteilt.
Bereits recht früh gab es verschiedene Ermäßigungen oder gar Befreiungen von der Kurtaxe. So brauchten in Teplitz nach dem Dekret von 1816 „Bauersleute, kleinere Gewerbsleute und Beamte minderer Kategorien“ nur zwei statt der üblichen vier Gulden zu zahlen, bei Familien war nur das Familienoberhaupt zahlungspflichtig, „Dienstleute“ und Kinder waren befreit, außerdem „Arme“ und solche Personen, die nur aus „Neu- oder Wißbegierde“ in Teplitz weniger als acht Tage verweilten. In den „böhmischen Badeörtern“ wurden durch ein Hofdekret bereits 1805 die „subalternen Militäroffiziere vom Hauptmanne abwärts“, in Karlsbad um 1830 „alle österreichischen Militärpersonen, sie mögen activ, pensionirt oder mit Beibehaltung ihres militärischen Charakters quittiert haben, bis zum Range des Hauptmannes hinauf“ von der Kurtaxe befreit. Jahrzehntelang brauchten Ärzte in den Badeorten keine Kurtaxe zu zahlen, weil man hoffte, dass die Mediziner auf Grund eigener Anschauung ihren Patienten einen Seebadaufenthalt wärmstens ans Herz legen und damit für neue Badegäste sorgen würden. Aus dem gleichen Grunde wurden auch im Dienst befindliche Kurdirektoren, Angestellte von Reisebüros und Schriftleiter (Journalisten und Redakteure) von der Abgabe befreit. Zeitweise war eine bestimmte Aufenthaltsdauer abgabenbefreit, so in den 1880er Jahren in Sassnitz/Crampas, wo der Aufenthalt bis zu acht Tagen frei war.
Eine der üblichen Zahlweisen der Kurtaxe beschrieb ein Dekret der k. u. k. Hofkanzlei aus dem Jahre 1816 „hinsichtlich der Entrichtung der Kurtaxe in dem Badeorte Teplitz“: Demnach waren die Taxbeträge durch „den Hausinhaber, bei welchem die Kurgäste einkehren, zu sammeln, und solche mit der Abgabe der Anzeigzetteln […] unter Strafe von 3 Reichsthalern abzuführen“. Die Badegäste mussten sich also anmelden, indem sie Meldeformulare ausfüllten, sich in Fremdenbücher oder Fremdenzettel eintrugen oder ihren Pass abgaben. Sie zahlten die Kurtaxe im Voraus oder am Ende des Aufenthalts und erhielten als Nachweis eine Kurkarte, die zur kostenlosen oder ermäßigten Nutzung der verschiedenen Einrichtungen und Veranstaltungen berechtigte. Hausinhaber, die die Kurtaxe nicht kassierten oder nicht abführten, hatten mit Strafe zu rechnen. So wurden 1936 in Paragraf 9 der Kurtaxordnung von Göhren Geldstrafen bis zu 1000 Reichsmark angedroht.
Das „Gasthaus zur Schaabe“ in Glowe hütet das am 1. April 1911 durch die damalige Vermieterin Sophie Wessel angelegte „Fremden-Buch“, das zunächst seiner Bestimmung gemäß nur die Daten der Gäste des Hauses enthielt. So haben sich auf den ersten Seiten unter anderen „Kaufmann Wendt. Greifswald“, ein Postsekretär mit Frau aus Berlin, ein Polizeisekretär mit Familie, ein Kaufmann aus Leipzig, ein Bildhauer aus Charlottenburg, einige Bankbeamte aus Berlin und ein Postbeamter aus Kiel eingetragen. Mit zunehmender Zeit wurde daraus ein amüsantes Gästebuch, in dem sich die Hausgäste mit Gedichten, Zeichnungen und Fotos verewigten. Leni Bock aus Braunschweig zeichnete 1913 in selbstironischer Anspielung auf ihren Familiennamen einen Ziegenbock und vermerkte: „Bitte, Vorsicht, könnte stoßen.“ Darunter schrieb ein Spaßvogel: „Unmöglich, Lenchen stößt nicht und der Bock auch nicht.“ Die letzten Eintragungen stammen vom Sommer 1944.
Die Kurkarten, mit denen der Badegast die Zahlung der Kurtaxe nachweisen, waren und sind häufig schmucklose Belege, die den Berechtigten, die ausstellende Gemeinde, Geltungsbereich und -dauer, den gezahlten Betrag (selten auf der Rückseite durch Wertmarken dokumentiert), die nutzbaren Leistungen und andere Informationen enthalten. Es finden sich aber auch grafisch gestaltete Faltblätter und Kurkartenhefte, die beispielsweise Sehenswürdigkeiten des Badeortes oder Ortspläne zeigen, bis hin zu den modernen elektronischen Kurkarten.
Gängige Wörterbücher definieren den Begriff „Taxe“ als „Abgabe“, die „Kurtaxe“ entsprechend als „Steuer für Kurgäste“. Als „Taxe“ wird aber auch ein „mietbares Fahrzeug“ (Taxi) verstanden. Es soll deshalb vorkommen, dass ernsthaft gefragt wird, wo und wann denn die Kurtaxe fährt…
Schlagwörter: Dieter Naumann, Kurtaxe, Rügen