20. Jahrgang | Nummer 14 | 3. Juli 2017

Antworten

Kai Dieckmann, „Ersatzsohn des Kanzlers“ (O-Ton FAZ) – Da die Berufsbezeichnung Journalist keine geschützte Marke ist, soll Wikipedia hier nicht kritisiert werden, weil Sie dort als solcher geführt werden. Dass Sie von 2001 bis 2015 Chefredakteur der unappetitlichen BILD-Zeitung waren, dürfte Ihren Journalismus hinreichend charakterisieren. Daran ändert auch die Tatsache wenig, dass Sie in dieser Zeit maßgeblichen Anteil am Abschuss eines ungeeigneten Bundespräsidenten hatten.
Schon vor Ihrer Zeit als BILD-Chef, aber schon bei BILD, hatten Sie sich an den Bundeskanzler so rangeranzt, dass Ihrem damaligen Vorstandsvorsitzendes das nicht passte: Sie flogen raus bei Springer. Doch wenig später flog der Vorstandsvorsitzende ebenfallss, und Sie durften wieder … Auch und bei Kohl – und zwar so sehr, dass, als dessen leiblicher Sohn Walter an der Tür des Oggersheimer Bungalows schellte, um seinen toten Vater zu sehen, Sie es waren, der öffnete.
Nun sollen Sie, wie DER SPIEGEL berichtete, der Witwe die Idee ausgeredet haben, dass Ungarns Orbán bei der Trauerfeier in Straßburg reden sollte. Warum bloß? Dem Ex-Kanzler hätte das womöglich gefallen, war es, wie Michael Sontheimer notierte, doch dessen „letzter politischer Akt […], den ungarischen Rechtspopulisten […] zu sich nach Hause einzuladen“.
Und Sontheimer kartete nach: „Ein beeindruckendes politisches Vermächtnis sieht anders aus.“

Michael Sontheimer, professioneller Nestbeschmutzer – In einem Nachruf im SPIEGEL sonderten Sie schon vor der gerade zitierten Orbán-Passage Sottisen ab. Der „bekennende Pfälzer“, so stiegen Sie ein, „war auch kein Glücksfall für die Bundesrepublik; und keine ‚Jahrhundertfigur‘, als welche der Altkanzler seit seinem Tod monoton gepriesen wird“.
Und dann puhlten Sie die Haare aus der Suppe.
Kohl habe „in der Innenpolitik […] keine Ideen“ gehabt, „keine großen politischen Projekte verfolgt“, ihm sei es „vor allem anderen um die beständige Konsolidierung seiner Macht gegangen“.
„Notfalls durch Aussitzen.“
Die geistig-moralische Wende sei ihrem Verkünder „bald auf die eigenen Füße“ gefallen, „sie zerschellte ab 1984 in der Flick-Parteispendenaffäre“.
Und immer noch eins drauf:
„Kohl hatte etwas für Ressentiments übrig. Intellektuelle mochte er gar nicht. […] Im Gegensatz zu dem zeitweise grüblerischen Willy Brandt fehlte Kohl die Fähigkeit zur kritischen Selbstbetrachtung. Und seine Selbstgefälligkeit infizierte die politische Klasse der Bonner Republik und das ganze Land. Sie wirkte wie ein Narkotikum.“
Und dann der definitive Tritt unter die Gürtellinie:
„Das Ende der deutschen Teilung“ sei dem Pfälzer auch bloß „in den Schoß gefallen“.
Da wäre es wirklich nicht nötig gewesen, noch den SPIEGEL-Gründer und toxischen Kohl-Verächter Augstein zu zitieren, der ein Jahr vor der Abwahl des ewigen Kanzlers geschrieben hatte: „Helmut Kohl ist es gelungen, ein Mann ohne Konturen zu werden.“
Es heißt doch nicht umsonst: De mortuis nil nisi bene!
Aber gottseidank haben sich ja fast alle anderen politischen und medialen Nekrologiker an das so wohltuende (Chilon von Sparta zugeschriebene) Postulat gehalten – in seiner ebenso verknappten wie falschen deutschen Übertragung „über Tote nur Gutes“.

Martina Doering, Fragende – Sie machen in der Berliner Zeitung darauf aufmerksam, dass sich Präsident Trumps Anti-Assad-Feldzug großer Zustimmung in den amerikanischen Medien erfreut. Sie fragen, ob die kritischen Massenmedien jetzt völlig vergessen haben, dass sie Trump für einen notorischen Lügner halten … Überraschend sei aber nur, dass die USA scheinbar unfähig sind, aus Fehlern in Afghanistan und Irak zu lernen. Es gebe nach wie vor keinen Nachkriegsplan für Syrien. „Und was passiert eigentlich, wenn Assad, Russland und Iran sich diese von den USA forcierte Entwicklung nicht bieten lassen?“ Gute Frage – wie Sie haben auch wir keine optimistische Antwort zu bieten.

Annemie Hülchrath, alias Cordula Stratmann – Unvergessen sind uns Ihre Intermezzi in der WDR 3-Kultsendung „Zimmer frei“, bei denen Sie gelegentlich den Olymp touchierten: Martin Jentes Kurzauftritte am Ende der legendären ARD-Samstagabendshow der 1960er Jahre – EWG (Einer wird gewinnen).
Doch das sind alte Kamellen.
Aktuell war von Ihnen zu hören, dass „die ganzen Feindbilder so nicht mehr stimmen“. Und auf die Nachfrage, welcher Lieblingsbuhmann Ihnen denn abhanden gekommen sei – etwa die CDU? – ließen Sie wissen: „Ja, zum Beispiel. Ich war nie Merkel-Fan. Mittlerweile höre ich ihr sehr genau zu und finde vieles, was sie in ihrer absoluten Unbeirrbarkeit tut, überzeugend, klug und mutig. Die Frau kann nicht alles richtig entscheiden – natürlich nicht. Aber ich glaube ihr, wenn sie sagt: Ich bemühe mich redlich, für mein Volk im Sinne meiner Auf­gabe zu einem guten Ergebnis zu kommen.“ Also wenn man mal von Merkels wenig zielführender Russland-Politik absieht und von der zunehmenden Verjuxung von Steuermilliarden fürs Militär und vom ultraneoliberalen Umgang mit Griechenland, dann muss man Ihnen eigentlich keineswegs komplett widersprechen.

Hans Christoph Buch, Romanautor & Reporter, Erzähler & Essayist – „Die Nordkoreanisierung Washingtons“, so äußerten Sie dieser Tage in der Berliner Zeitung, „schreitet unaufhaltsam voran.“ Dieser Vergleich sei zwar „ehrenrührig, aber trotzdem nicht ganz falsch, wenn man an die im Dunstkreis des Präsidenten herrschende Atmosphäre denkt: Dieser lobt sich ständig über den grünen Klee, und das hat er mit Kim Il Sung, Kim Jong Il und Kim Jong Un gemein, die wie die Heilige Dreifaltigkeit als geliebter großer Führer, geliebter Führer oder genialer Führer gepriesen werden […]. Wir sind bei Hofe, und servile Lobhudelei gehört zum guten Ton wie das Klappern zum Handwerk; ein Blick in die versteinerten Mienen und verkniffenen Münder von Trumps Entourage zeigt, wes Geistes Kind die Administration ist. Auch Trump hat Familienmitglieder zu Beratern ernannt […]. Und wie die diplomatische Vertretung Nordkoreas in Berlin, die auf dem Botschaftsgelände ein illegales Hotel betreibt, lässt er Staatsgäste in einem nach ihm benannten Hotel logieren, was gegen die guten Sitten wie gegen die Trennung von Amt und Geschäft verstößt.“ Da bleibt nur zu hoffen, dass dem US-Kim nicht auch noch Sohn und Sohnessohn im Amte folgen …