20. Jahrgang | Nummer 1 | 2. Januar 2017

Vom gefeierten Künstler im Kaiserreich zum Präsidenten der Akademie der Künste

von Hartmut Pätzke

Den sechsten Band der Liebermann-Briefe hat Ernst Braun „in dankbarer Erinnerung“ der Kunsthistorikerin und Leiterin des Archivs der Staatlichen Museen zu Berlin, Dr. phil. Anna-Margarete Janda, gewidmet, die nach längerem Aufenthalt in einem Berliner Seniorenheim am 10. Februar 2016 verstarb. beigesetzt im Familiengrab auf dem Friedhof in Leipzig-Gohlis. Von Anbeginn des Sammelns der Briefe Max Liebermanns hatte sie Ernst Braun Mut zugesprochen.
Die Jahre 1916 bis 1921 sind im Leben und Schaffen des sehr erfolgreichen Künstlers Max Liebermann sowohl zunächst im Glauben an einen Sieg der Deutschen im Krieg geprägt, als auch infolge des Zusammenbruchs des Deutschen Kaiserreichs und der Gründung der Weimarer Republik durch seinen Aufstieg zum Präsidenten der Akademie der Künste. In dem Brief vom 23. September 1916 an Gustav Glück, Direktor der Gemäldegalerie des allerhöchsten Kaiserhauses Wien heißt es: „Hoffentlich wird der Kunst-Krieg für uns ebenso siegreich enden wie der große Völkerbrand.“ Oscar Schmitz schreibt er am 12. April 1917: „Inzwischen sind wir vor 14 Tagen Großeltern geworden.“ Die Freude über dieses einzige Enkelkind, Maria Riezler, geboren am 27. März 1917, hält an.
Der Krieg in seinem Verlauf bewegt Liebermann in einem Antwortschreiben an Gustav Pauli vom 22. April 1917 sehr: „[…] hoffentlich ist das Schlimmste vorbei und die Revolution in Rußland kömmt uns zu Hilfe.“ 1917 wird Max Liebermann 70 Jahre alt und von der Königlichen Akademie der Künste mit einer großen Ausstellung beschenkt, – „eine Ehre, die seit Menzel keinem Mitgliede widerfahren ist“, wie er am 10. Juni 1917 an Eberhard von Bodenhausen, dessen überraschenden Tod er 1918 beklagen wird, schreibt. An Julius Elias schreibt er: „Meine Ausstellung in der Akademie geht famos: Am ersten Sonntag über 1000 Besucher, wochentäglich zwischen 3–400. Eine nie dort gesehene Menge“. Julius Elias erstellt als Ergänzung zu dem großen Katalog eine Max-Liebermann-Bibliographie. Karl Scheffler dankt Liebermann für das Sonderheft von Kunst und Künstler am 11. Juli 1917. Zu beklagen hat er den Verlust des Kontaktes zu seinen alten Freunden in Frankreich und in Holland. Als überaus gesuchter Porträtist, auch als Maler des Gartens seines Hauses in Wannsee, erfährt er umfassende Zustimmung. Ein Sammler der Zeichnungen Max Liebermanns ist der Dresdner Kohlenhändler Hermann Müller (1877–1938), dessen Briefwechsel mit Liebermann Ernst Braun bereits 1993 in den Marginalien veröffentlicht hat. Ihm bestätigt Liebermann in einem Brief vom 6. Januar 1916, dass er „einer der ersten privaten Sammler“ war.
Max Lehrs, Direktor des königlichen Kupferstichkabinetts, ist in Dresden sein Förderer, auch der Kunstsammler Oscar Schmitz (1861–1933) lebt in Dresden. Am 31. Juli 1917 erklärt Liebermann dem Unternehmer Eduard Arnhold: „Das Studium der Figur ist die Grundlage aller Kunst, ob einer eine Kuh oder einen Baum malt.“ Am 4. August 1917 bekennt er an Oscar Schmitz in einem längeren Brief: „Ich habe die Ausstellung gewagt, um selbst zu sehn, was ich im Leben gemacht habe, um mir über mich selbst klarer zu werden und ich bin naiv genug, Ihnen zu gestehn, daß meine Selbsteinschätzung gewachsen ist.“ Am 19. Oktober 1917 fragt er in einem Brief an Richard Dehmel: „Wird der Sieg, an den ich zuversichtlich glaube, auch ein Volkssieg sein? Wird der Mensch über die Masse triumphiren?“
Am 19. Januar 1918 zeigt sich Liebermann in einem Brief an Max Lehrs erfreut sowohl über das Komthurkreuz des Albrechtordens als auch über „die feierliche Eröffnung des mir gewidmeten Cabinets in der Nationalgalerie“. Noch Ende März 1918 glaubt Liebermann an den „siegreichen Frieden“. Der Kaufmann S. Rosenthal aus Hamburg wird ab Mai 1918 zum vielfältig bedankten Lieferanten im Kriege begehrter Lebensmittel: Weizenmehl und Zucker, aber Liebermann empfing auch zwei Rebhühner und Rindfleisch. „Wie bedaure ich die Millionen, die am Hungertuche nagen müssen“, heißt es am 30. September 1918. Am 17. November 1918 schreibt Liebermann an die Redaktion des Vorwärts: „Was ich für die Kunst vom neuen Volksstaat erwarte? Nichts und Alles. Freiheit! […] Kunst ist Gewissenssache: es schaffe jeder Künstler so gut ers vermag, dann schafft er am besten fürs Volk.“ Und am 17. Januar 1919 berichtet er dem Direktor der Gemäldegalerie in Dresden, Hans Posse, dass er „ Durch die fortwährende Schießerei am Brandenburger Thor … vom Pariserplatz vertrieben“ worden sei, wohin er erst am 23. Januar 1919 zurückkehrt. Familiäres beunruhigt ihn weiter. S. Rosenthal ist noch im Dezember Lieferant von Köstlichem. Das Bild, das Liebermann ihm für „mir so oft bewiesene Liebenswürdigkeit“ reserviert hat, soll sich dieser aber zuvor ansehen. Im Januar 1920 sieht sich Liebermann, das in harten Worten, durch die Revolution beeinträchtigt in seiner Arbeit.
Anfang Juni 1920 gratuliert Gerhart Hauptmann. „Mit aufrichtiger Genugtuung erfahre ich von Ihrer einstimmigen Wahl zum Präsidenten der Akademie.“ Das Amt übernimmt er am 1. Oktober 1920. Für das Werkverzeichnis der Graphik von Max Liebermann in der dritten Auflage kann Gustav Schiefler endlich Einblick in die Sammlung von Dr. Heinrich Stinnes in Köln nehmen. Schiefler schreibt am 6. September 1921 an Liebermann: „Anfang August war ich mit meiner Frau in Köln, und wir haben dort zusammen an 5 Tagen bei 6-stündiger Arbeitszeit die Sammlung des Herrn Dr. Stinnes durchgearbeitet.“
Zu ergänzen ist die Anmerkung 748 im vorliegenden Band: „Heinrich Stinnes. Nur wenige Informationen gibt es über ihn …“. Dessen Sammlung umfasste nicht nur circa 200.000 Blätter. Er war zudem ein großer Büchersammler. Auch bei kleinsten Auflagen war er bestrebt, die Nummer 1 zu erhalten. Seinen Namen und den Preis hat er in sehr großer Schrift in seine Erwerbungen eingetragen. Fünf Auktionen geben ein Bild dieses größten Bibliophilen seiner Zeit, deutscher und auch französischer Kunst von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an. Im Versteigerungskatalog CLXXX ist am 10. und 11. November 1932 bei C.G. Boerner in Leipzig die Sammlung Dr. Heinrich Stinnes, Köln, versteigert worden. Eine Seite Text informiert über den Sammler. Die Positionen 954–958 sind mit dem Namen von Max Liebermann verbunden. Vier weitere Auktionskataloge (54–58) bei Hollstein & Puppel Berlin in den Jahren 1936 bis 1938 der Sammlung Stinnes kommen hinzu. Die Blätter Liebermanns, die Gustav Schiefler in Köln einsehen konnte, waren nicht unter dem Auktionsgut.

Ernst Braun (Hrsg.): Max Liebermann. Briefe 1916–1921, Deutscher Wissenschafts-Verlag, Baden-Baden 2016, 617 Seiten, 49,60 Euro.