20. Jahrgang | Nummer 1 | 2. Januar 2017

Mode und Mord

von Gerhard Jaap

Der Politikwissenschaftler und ehemalige Professor an der Universität Bremen Rudolph Bauer hat bemerkenswerte Collagen geschaffen, die jüngst im Wall-Saal der Stadtbibliothek Bremen mit dem Titel „Rüste-Wüste. Militarismuskritische Bild-Montagen“ einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt wurden. In seiner Eröffnungsrede zur Ausstellung entschlüsselte der Pastor im Ruhestand Hartmut Drewes Sinn und Hintersinn der Bauerschen Exponate. Die Idee, daraus ein Buch zu machen, wurde schnell umgesetzt. Der Titel der Exposition geht auf den Maler und Dichter des deutschen Expressionismus, den Bauhausschüler Otto Nebel (Pseudonym Martin Maurer) zurück, der den Ersten Weltkrieg an den deutschen Fronten im Osten und Westen erlebte und den antimilitaristischen Aufsatz „Die Rüste-Wüste. Eine Keilschrift von 1926“ veröffentlichte.
Mord und Mode – das erschließt sich nicht gleich. Aber die Werke von Rudolph Bauer entwickeln ihren Reiz aus der Aktualität seiner Bilderwelt, die er mit Witz und durch überraschende und provozierende Montage gewinnt, verfremdet und so gestaltet, dass die in ihnen verborgenen Zusammenhänge sichtbar werden. Bilder, Worte und Textfragmente stammen aus Politik, Militärwesen, Geschichte und Kunst – und aus Modemagazinen. Das ist klug. Denn Mode ist etwas für die Frauen, und Krieg für die Männer. Mit der Ästhetik der Mode können sogar Kriegsvorbereitungen kaschiert werden. So gelingt es dem Künstler hervorragend, die Relativierung, Verschleierung und Verdrängung des Militarismus und der aktuell betriebenen Militarisierung in Szene zu setzen. Das setzt sich in den Texten von Hartmut Drewes fort. Beim „Totentanz“, so schreibt er, stehen zwei Frauen mit leerem Lächeln, so wie wir das aus der Werbung tagtäglich kennen, dazu ein übergroßer Soldatenkopf, dem vielleicht der Tod bevorsteht, Blutspritzer, zwei Schwarzweißfotos aus dem Zweiten Weltkrieg: Fliehende, Marschierende, ein toter Soldat, zerstörte Häuser mit weißen Tüchern aus den Fenstern. Und Rauch steigt aus den Trümmern. Er schreibt: „Wie heil ist unsere ‚heile Welt‘? Wie lange kann die Öffentlichkeit die Existenz der Kriege vor unserer Haustür noch verdrängen?“ Andere der 17 Bild-Montagen heißen „Wir befinden uns mitten im Krieg“, „Fortschreitende Militarisierung“, „Gewehre der Firma Heckler & Koch“ oder „Menschen verdrängen bedrohende Entwicklungen“. Beeindruckend die Einheit von Bildaussage und Kommentar. „Mit Vergnügungspanzern und Vollgestank“ – so hatte Otto Nebel den verschleierten Kriegswahn in seiner Schrift bezeichnet, und genau das ist auch die anklagende Hauptaussage der Ausstellung und des nun vorliegenden Bildbandes.
Ein kleiner Textbeitrag von Sönke Hundt gibt uns Anregungen für weitere Interpretationen. Er würdigt die Arbeiten Bauers, dem es darum geht, die omnipräsenten Verhüllungen, Bagatellisierungen und Verniedlichungen des Militärischen offenzulegen, das immer wieder neu in der offiziellen Propaganda ins „schöne Leben“ eingebettet wird und alle gesellschaftlichen Bereiche, latent und unbemerkt, durchdringt. Für das Geschäft des Krieges wird zunehmend eine unerträgliche Werbung gemacht.
Natürlich, Harmut Drewes hat das Schlusswort zu dieser aufrüttelnden Publikation beigesteuert. Auch wenn Rudolph Bauer es vielleicht nicht sieht, dass seine Collagen zum Widerstand aufrufen und ermutigen, es ist so. Wir lesen zum Schluss, dass während der 1990er Jahre keine Kampfbilder zu sehen waren – wegen der starken Pressezensur. Es wurden nur attraktive junge Männer in Uniform vorgestellt, die für unsere „Freiheit“ und für die Verteidigung unserer „Menschenrechte“ Soldat geworden sind. Bei aller Ästhetisierung des Militärischen ist das heute anders. So hält sich das Martialische nicht mehr zurück, sondern macht daraus eine schicke Mode und einen reizvollen Genuss. Rudolph Bauer demaskiert nach Hartmut Drewes, so seine abschließenden Worte, „zum Beispiel die Rolle der ‚besorgten Soldatenmutti‘ Ursula von der Leyen, indem er sie in ihrer Funktion in den Zusammenhang mit der an den Kandelabern geschmückten Tischen sitzenden Elite bringt. Letztere hat das Militär für Erhalt und Erweiterung ihrer Profite und Privilegien unbedingt nötig. Die Würde des Menschen liegt nicht in aggressiver Machtentfaltung mit militärischen Mitteln, sondern in humanistischer Kreativität, die das Wohl der Menschheit zum Anliegen hat. Das wird in den Montagen deutlich und ist mit Freude zu sehen.“
Wir lesen heute überall Berichte von Verbrechen, im Fernsehen gibt es in Kriminalfilmen jeden Tag Hunderte von Leichen zu besichtigen. Wir müssen mit Erstaunen feststellen, dass die Verirrungen des Menschen kaum thematisiert werden. Und wir wundern uns über die Aussage, dass Verbrechen eben zu unserer Kultur gehören, wie kürzlich Frauke Hunfeld in der Zeitschrift Crime formulierte. Richtig ist dagegen, und darauf weisen die Ausstellungsmacher in außergewöhnlicher Weise hin, dass das Verbrechen zu unserer Kriegs-Kultur gehört. Denn wer Kriege führt, lässt den Mord gewohnheitsmäßig verüben. Im Innern des Landes (siehe die Mordtaten der NSU) wie in fremden Gefilden.
Neugierig geworden auf die „Rüste-Wüste“? Schön, dass die Ausstellung noch bis zum 28. Januar 2017 auch im Anti-Kriegs-Museum in der Brüsseler Straße 21 im Berliner Wedding zu sehen ist.

Rudolph Bauer und Hartmut Drewes: „Rüste-Wüste“. Militarismuskritische Bild-Montagen, Bremer Friedensforum, Bremen 2016, 51 Seiten; gegen Spenden auf das Konto Ekkehard Lentz (Kennwort: Bremer Friedensforum), IBAN DE47 2501 0030 0123 2683 06, BIC PBNKDEFF. Bestellung per E-Mail unter info@bremerfriedensforum.de.