20. Jahrgang | Nummer 1 | 2. Januar 2017

Elmar Jansens Essays zur Kunst und Literatur

von Hartmut Pätzke

Mit dem Leben und Werk des Bildhauers und Dramatikers Ernst Barlach (1870–1938) hat sich Elmar Jansen besonders als Mitarbeiter der Akademie der Künste der DDR, ausgewiesen durch Publikationen und Ausstellungen, über Jahrzehnte beschäftigt. Die große Barlach-Ausstellung 1981 im Alten Museum in Berlin wanderte ins Wiener Künstlerhaus, anschließend nach Zagreb und Belgrad. Seit den späten fünfziger Jahren entstanden Publikationen, die Jansen als einen Forscher zur Kunst des 19. Jahrhunderts und als begeisterten Betrachter im Entstehen begriffener Kunst, wie zum Werk von Albert Ebert (1906–1976) und Ernst Hassebrauk (1905–1974), ausweisen. Zu Edmund Kesting (1891–1970) ist ein bisher unveröffentlichter Text entstanden (2002). Das Konterfei „Walter Ulbricht“, das Kesting für die Briefmarke schuf, groteskerweise sein am weitesten verbreitetes Werk, dürfte auf einen Vorschlag von Volkskammerpräsident Johannes Dieckmann (1893–1969), der zum Kreis um Kesting in Birkenwerder gehörte, und nicht auf einen Vorschlag von Gerald Götting zurückgehen.
Elmar Jansen begreift sich selbst ganz und gar als einen Schüler seines Lehrers Richard Hamann (1879–1960), der bis zu seinem vom Staatssekretär Wilhelm Girnus verfügten Ende 1957 als Direktor des Kunstgeschichtlichen Instituts der Humboldt-Universität zu Berlin zwischen Marburg und Berlin pendelte. Weshalb Willy Kurth (1881–1962) nicht einmal erwähnt wird, dem seine Kommilitonen Günter Feist (1929–2014) und Diether Schmidt (1930–2014) höchste Wertschätzung entgegen brachten, ist mir nicht verständlich. Doch ist er Hamann, der ihn nach vierjährigem Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin (1952–1956) mit einem Honorarauftrag an seinem Institut weiter beschäftigte, zu Dank verpflichtet.
Erstaunlich weit greifen die Texte in die Kunstgeschichte hinein und berühren auch die Gegenwartliteratur und bildende Kunst. Ein recht persönliches Verhältnis wird in den Texten zu Künstlern und Literaten der neueren Zeit auf wunderbare Weise erkennbar: sei es zu dem Bewahrer des Werkes Barlachs Friedrich Schult (1889–1978) in Güstrow und auch zu dem Maler und Grafiker Rolf Dieß (1925–1964), dem er behilflich war, von Ost- nach Westberlin zu gelangen. Von Rolf Dieß wurde ein farbiges Werk für die Gestaltung des Schutzumschlages des Jansen-Buches genutzt. Zu Uwe Johnson gelangte Jansen in Leipzig schon in den fünfziger Jahren durch seine spätere Frau Christine, die bei Hans Mayer 1960 ihr Studium der Germanistik abschloss. Mit Johannes Bobrowski (1917–1965), Lektor im Union Verlag, entstand eine fruchtbare Zwiesprache. Der Hamburger Museumsdirektor Carl Georg Heise diente Jansen als Briefpartner.
Mit besonderer Freude las ich die Essays von Elmar Jansen, die in größeren Abständen in Sinn und Form und in den Marginalien. Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie erschienen. Sinn und Form gewährt seit Peter Huchels Redaktion zu allen Texten keine Anmerkungen. Zu den Texten zu Ernst Hassebrauk und zu Hans Theo Richter sind die Anmerkungen Jansens jetzt überaus fruchtbar.
Jansen läßt Eduard Beaucamp und Erhard Frommhold (1929–2014) einleitend zu Wort kommen und beruft sich auf Friedrich Pfäfflin, die ihn alle schätzen und ermunterten, Jansens zum Teil an entlegenen Stellen publizierte Essays geschlossen darzubieten. Es dient der Wahrhaftigkeit, wenn Jansen aufklärt, welchen redaktionellen Eingriffen der eine oder andere Text ausgesetzt war.
Jansen gibt in „Anfänge eines Lebenslaufs“, einer autobiographischen Studie im Kapitel IX, Auskunft zu seinem Lebensweg. Leider bricht er mit der Nachricht vom Tod des „Seniors der deutschen Kunstwissenschaft“, Richard Hamann, im Januar 1961 ab.
Elmar Jansen beschreibt sein familiäres Umfeld, den frühen Tod des Vaters, infolge des Ersten Weltkrieges, der „als ein Geschlagener nach Hause“ kam. Seinen Geburtstag verrät Jansen nicht, er gibt nur Paderborn und das Jahr 1931 an. Doch sei hier nachgetragen, dass er am 23. Mai dieses Jahres auf 85 Jahre zurückblicken konnte. Von seinen ersten Jahren in einer katholischen Schule, die die Nazis 1939 auflösten, von der bewahrten christlichen Haltung ist auch an anderer Stelle im Buch zu lesen. Der jüngste Bruder seiner Mutter war als Volontär am Westfälischen Volksblatt tätig. Ihm verdankt schon der Schüler einen ersten Einblick in die „Schwarze Kunst“. In Köln war der Aufenthalt seit 1940 wenig glücklich. 1942 zog seine Mutter mit ihm nach Freiberg in Sachsen.
Seine Oberschule erhielt nach 1945 den Namen „Geschwister Scholl“. Die „Tag- und Nachtbücher“ von Theodor Haecker, der zu den Weggefährten der „Weißen Rose“ gehörte, erhielt er von seiner Mutter zu seinem siebzehnten Geburtstag. Seine Deutschlehrerin, die in einer humanistischen Tradition stand, hatte einen grundlegenden Einfluss auf seine Bildung, auch auf seine spätere Beschäftigung mit dem Dichter Johannes R. Becher. Jansen zeichnet das widersprüchliche Bild des Dichters.
Aufmerksam macht Jansen gleich zu Beginn seiner Essays auf Alfred Döblin, auf dessen November-Trilogie er um 1950 in der Grabbelkiste eines Westberliner Antiquariats gestoßen war.
Bedauert werden muss, dass das Inhaltsverzeichnis des Buches erst vor dem umfangreichen Personenregister am Schluss des Buches steht. Es gehört natürlich an den Anfang. Über die ersten 29 Jahre seines Lebens hat Jansen berichtet. Es wäre wohl aufschlussreich, zumindest über die nächsten 29 Jahre bis zum Ende der Deutschen Demokratischen Republik, ertragreich für seine schriftstellerische Tätigkeit vor allem, etwas zu erfahren. 1990 verlieh die Akademie der Künste der DDR Elmar Jansen eine Professur.

Elmar Jansen: Ein Luftwechsel der Empfänglichkeit. Baal, Barlach, Benjamin und andere Essays, Wallstein Verlag, Göttingen 2016, 516 Seiten, 24,90 Euro.