von Erhard Crome
Es war Präsident Bill Clinton, der in den 1990er Jahren den Markt der USA für die billigen Importe aus China öffnete. Die großen Handelskonzerne verdienten daran, die eigene Industrieproduktion sank. Dadurch wurden die vergleichsweise hohen Löhne der Arbeiter in den USA abgesenkt, das Kräfteverhältnis zwischen Arbeit und Kapital weiter zugunsten des letzteren verändert. Ideologisch begleitet wurde dies – kurz nach dem Ende des Kalten Krieges – von der Vorstellung, nun werde eine schöne neue Welt der Globalisierung entstehen, die an die Stelle der Nationen und des Nationalismus tritt. Genau betrachtet ist dies die geistige Hülle für die neoliberale Weltordnung, die nach dem Fiasko des Realsozialismus nun in der Tat global sein soll.
Diese Entwicklung hat auch in den USA Gewinner und Verlierer geschaffen, Gewinner in der Finanzoligarchie und den mit der Globalisierung verbundenen Wirtschaftssegmenten, Verlierer in großen Teilen der Arbeiterklasse und der einstigen Mittelschichten. Im Präsidentschaftswahlkampf 2016 haben diese erstmals einen politischen Ausdruck gefunden. An zwei gegensätzlichen politischen Polen: Donald Trump bei den Republikanern mit einem national-orientierten Programm, das die innere Konsolidierung der USA an die erste Stelle setzen und eine Re-Industrialisierung des Landes erzielen will, und Bernie Sanders bei den Demokraten, der ein entschiedenes, doch im Kern sozialdemokratisches Reformprogramm verkündete. Es wurde eine Stimmung erzeugt, aus der Partei der Demokraten, bisher Partei der Wall Street, eine der Mehrheit der Bevölkerung zu machen.
In seinem Vorwahlkampf wurde Sanders von Hunderttausenden Freiwilligen unterstützt, 2,5 Millionen Spender unterstützten finanziell seinen Wahlkampf, 13 Millionen wählten ihn bei den Vorwahlen. Während dieser Vorwahlkampfzeit reisten seine Emissäre auch durch Europa. Die Vertreter der globalistischen, politisch korrekten Mittelstandslinken aus den USA priesen diese Sanders’ Kampagne als die neue „Revolution“. Ihre Brüder und Schwestern hier nahmen dies mit leuchtenden Augen auf, ist doch eine Revolution in Europa ferner denn je.
Was aber bleibt? Auf dem Wahlparteitag der Demokraten in Philadelphia (25.–28. Juli) erhielt Hillary Clinton 2842 Delegiertenstimmen, darunter die von 581 sogenannten Superdelegierten. Das sind Delegierte, die nicht an ein Mandat aus den Vorwahlen gebunden sind, meist Parteifunktionäre oder Amtsträger. Sanders bekam 1865 Stimmen, darunter 49 „Superdelegierte“. Macht man das Gedankenexperiment und rechnet auch die 581 Pro-Clinton-Superdelegierten Sanders zu, hätte das Ergebnis 2446 zu 2261 für einen Kandidaten Sanders gelautet. Clinton ist die Kandidatin des Apparates, die sie von Anfang an war. Zu Beginn des Parteitages hatten Hacker etwa 20.000 E-Mails des demokratischen Parteiapparates ins Netz gestellt, aus denen hervorging, dass dieser von Anfang an Sanders’ Kampagne sabotiert und Clinton bevorzugt hatte.
Zugleich nahmen die Sanders-Delegierten auf dem Parteitag für sich in Anspruch, das Wahlprogramm maßgeblich beeinflusst und geprägt zu haben. „80 Prozent“ ihrer Forderungen seien dort eingeflossen. Als hätte eine US-Regierung je das Wahlprogramm umgesetzt! Barack Obama hat am Beginn seiner Amtszeit salbungsvolle Reden über den Frieden und eine atomwaffenfreie Welt gehalten und dafür den Friedensnobelpreis erhalten. Tatsächlich hat er die Kriege in Afghanistan und Irak fortgesetzt, zusätzlich Krieg in Libyen und Syrien geführt, Spannungen mit Russland absichtlich erzeugt und ein Programm der Modernisierung der Atomwaffen der USA abgesegnet, das bis in die 2060er Jahre reicht. Er gilt auch weiter als honorig. Trump dagegen mit seinen Macho-Sprüchen, seinen Tiraden gegen Latinos und Moslems und den bewussten Verstößen gegen die politische Korrektheit erscheint als Unperson. In der Außenpolitik jedoch will er die Interventionskriege der USA beenden, gute Beziehungen zu Russland schaffen und die NATO auf den Prüfstand stellen. Deshalb – nicht seiner Sprüche wegen – wird er immer hysterischer als Lügner, zum Amte ungeeignet und „gefährlich“ für die USA bezeichnet. Gefährlich für die Globalstrategen und Kriegspolitiker. Clinton dagegen verspricht, die imperiale Politik fortzusetzen. Obama hat sie als seine würdige Nachfolgerin gepriesen. Auf dem Demokraten-Parteitag ließ man Dutzende pensionierte Generäle und Admirale aufmarschieren und General John Allen eine Rede für weitere weltweite Kriege halten.
Auch Sanders hatte seinen Part auf dem Parteitag. Er hielt eine Rede, in der er verkündete: „Unsere Revolution zur Transformation Amerikas geht weiter.“ Zunächst aber transformierte er sich selbst und warb für Clinton: „Hillary Clinton muss die nächste Präsidentin der Vereinigten Staaten werden!“ SpiegelOnline nannte dies „die beste Rede seines Lebens“.
Revolution klingt anders. Mike Flynn, früherer Chef des Militärgeheimdienstes DIA und außenpolitischer Berater von Trump sagte laut Spiegel 29/2016: „Trump hat verstanden, dass er einen Dolch ins Herz des Establishments rammen muss und sich Millionen Amerikaner von der Clique in Washington nicht repräsentiert fühlen.“ Sanders’ Evolution ging vom Establishment über „Revolution“ zurück zum Establishment.
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