von Bernhard Romeike
An „ihrer gemeinsamen Bereitschaft, sich für Putins neoimperiale Ansprüche ins Zeug zu legen“, werde deutlich, „dass die vermeintlichen weltanschaulichen Antipoden AfD und Linkspartei in Wahrheit aus demselben Holz geschnitzt sind“. Das schrieb ein Journalist namens Richard Herzinger in der Zeitung Die Welt am 28. April dieses Jahres. Doch bei dieser Invektive ließ es der Herr nicht bewenden. Er setzte noch hinzu: „In der konzertierten Aktion zweier Pro-Putin-Parteien besteht heute die größte Herausforderung für die Verfassungsordnung der Bundesrepublik.“ Bis eben dachte ich noch, das sei nach offizieller Lesart „der internationale Terrorismus“, insbesondere jener des „Islamischen Staates“. Hier aber ist der „Putin-Versteher“, seit Jahren schon als Wirrkopf, Nicht-Versteher der nordatlantischen Verhältnisse und Querulant angesehen, endgültig zum Verfassungsfeind erklärt, der verboten und vom Verfassungsschutz beobachtet, ja gesellschaftlich geahndet gehört. Die antirussische Linie der deutschen Politik hat so endgültig den speziellen Bereich der Außenpolitik verlassen und wird in die Innenpolitik verlängert, mit aller Konsequenz.
Der will auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen nicht ausweichen. Der Sender Phoenix übertrug am 9. Mai wieder in voller Länge die Siegesparade in Moskau, unter dem Programmtitel: „Militärparade zum Ende des 2. Weltkriegs“. Im Untertitel hieß es dagegen zutreffend: Militärparade zum „Tag des Sieges“ (dies in Anführungszeichen) über Hitler-Deutschland in Moskau. So konnte man auch die Rede von Präsident Wladimir Putin live sehen, der betonte: „Die Geschichte lehrt, dass sich der Frieden auf unserem Planeten nicht von selbst etabliert“, sondern immer wieder neu geschaffen werden müsse, gegen diejenigen, „die neue verbrecherische Pläne schmieden“.
Der Trick hier bestand darin, dass der Übertragung der Bilder ein insgesamt bösartiger Kommentar unterlegt wurde. Wolfgang Akunow, freier Übersetzer Deutsch-Russisch aus Moskau, der das auch in den vergangenen Jahren gemacht hatte, übersetzte sachgerecht, was das russische Fernsehen gesendet hatte, und bemühte sich, die militärischen Einheiten, Uniformen, Fahnen und Waffensysteme zu erklären. Ihm war Olaf Bock an die Seite gestellt oder besser: übergeordnet. Ein deutscher Fernsehjournalist, der mit Stahlhelm und schusssicherer Weste schon Ende Januar 2014 auf dem Kiewer Maidan zu besichtigen war. Er war als der berufsmäßige „Russenfresser“ abgestellt, die Bilder vom „Tag des Sieges“ zu kontrastieren, redete Akunow dazwischen, unterbrach ihn und interpretierte jedes gesehene Bild negativ.
Der deutsche Kommentar stand im Gegensatz zu Sinn und Inhalt der Parade. Bock musste zähneknirschend zugestehen, dass Putin mit seiner Politik in der Bevölkerung Russlands etwa 80 Prozent Zustimmung hat. Seine Politik sei jedoch tatsächlich schädlich, vor allem für Russland, weil nicht pro-westlich. Dann redete er über die Annexion der Krim, bei der russische Soldaten eingesetzt waren, wie die, die gerade über den Roten Platz marschierten. Anschließend über die in Russland rechtskräftig verurteilte ukrainische Pilotin und zwei russische Soldaten, die in der Ukraine inhaftiert sind und womöglich bald ausgetauscht werden. Über die Atomkatastrophe von Tschernobyl sprach Bock ebenfalls, und dass dort auf unverantwortliche Weise Soldaten eingesetzt worden wären, die später jämmerlich an Krebs starben. Das ist in der Sache nicht unzutreffend. Doch es fehlte ein Wort darüber, dass ohne den heldenhaften Einsatz dieser „Liquidatoren“, wie sie noch heute in Russland genannt werden, die Menge der aus dem explodierten Reaktor ausgetretenen nuklearen Stoffe erheblich größer gewesen wäre, was die Katastrophe für ganz Europa noch viel schlimmer gemacht hätte.
Bock ging es auch darum, dass am 9. Mai die noch lebenden Veteranen geehrt würden, die aber karge Renten bekämen und oft jahrelang auf eine Wohnung warten müssten. Entwertet das ihre Leistung im Krieg? Oder das Land, das sie verteidigt haben? An passender oder unpassender Stelle wieder Pseudo-Mitleid, dass auf der Krim Strom und Wasserversorgung nicht immer gesichert seien. Und kein Wort über die ukrainischen Terroristen, die die Verbindungen von der Ukraine auf die Krim immer wieder mit Anschlägen unterbrochen haben, trotz gegenteiliger Versicherungen der Kiewer Regierung. Außerdem würden dort die Preise steigen, weil die neue Brücke über die Straße von Kertsch noch nicht fertig ist. Ungesagt blieb natürlich, dass diese Brücke von 19 Kilometer Länge über eine schwierige Meerenge führt und dass sie – wenn sie planmäßig 2018 fertiggestellt wird – wesentlich schneller entstanden ist, als die Deutschen einen Berliner Flughafen oder eine Hamburger Philharmonie zustande bringen. Schließlich der Verweis darauf, dass dieses Jahr Parlamentswahlen in Russland stattfinden. Verschiedene Oppositionspolitiker stünden bereits vorsorglich vor Gericht, um Opposition im Parlament zu verhindern. Könnte es nicht doch Steuerhinterziehung gegeben haben? Und die „Panama-Papers“, die in Russland als westliche Machenschaft interpretiert wurden, weshalb man sich offiziell nicht mit ihnen befasst hat. Dass Bock mit dieser Argumentationsschleife – Vorwurf an die russischen Behörden, diese Papiere nicht an die große Glocke gehängt zu haben – diese Lesart gerade bestätigt, hat er im Eifer des Kommentierens gar nicht gemerkt.
Am Ende durfte die Unterstellung nicht fehlen, dass Russland die Parade in erster Linie mache, um der Welt zu zeigen, dass es über Atomwaffen verfügt und damit Großmacht sei. Dazu habe auch der Militäreinsatz in Syrien gedient, der vor allem Assad stärken sollte. Dass es gegen den „Islamischen Staat“ ging, wurde nur beiläufig erwähnt. Als die Einheiten der Baltischen Flotte am Präsidenten und der Tribüne vorbeimarschierten, kam der Verweis, vor Kurzem habe es über der Ostsee eine russische Provokation gegeben, indem ein russisches Flugzeug in geringer Höhe über ein US-amerikanisches Kriegsschiff geflogen sei. Dass NATO-Manöver in der Ostsee für Russland an sich eine Provokation sind, kommt Bock nicht in den Sinn.
So hat Bock über alles Mögliche geredet, vor allem um Russland in ein schlechtes Licht zu tauchen, nur nicht über den deutschen Überfall und die deutschen Kriegsverbrechen gegen die Völker Russlands und der Sowjetunion. Und die sind der Grund, weshalb es einen „Tag des Sieges“ gibt.
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