von Hannes Herbst
Um mit der Tür ins Haus zu fallen: Redigiert worden ist „Gekaufte Journalisten“ von Udo Ulfkotte grottig oder im Zweifelsfalle professionell gar nicht. Das Buch strotzt nur so vor in immer gleichen Floskeln ewig wiederholten Anklagen der Verfilzung von Medien, Politik und Wirtschaft sowie der allgegenwärtige Korrumpierbarkeit der „vierten Gewalt“ und ihrer führenden Vertreter hierzulande. Hinzu kommen gehäuft weitere ermüdende Redundanzen, darunter Selbstbeweihräucherungen des Autors. Manches wird – gefühlt – gleich im Dutzend repetiert. Das Lesen des Buches wäre daher auch dann kein Vergnügen, wenn der Gegenstand dies zuließe.
Darüber hinaus entgeht dem Autor, dass, was er zu Recht an anderen kritisiert, fortlaufend auch ihm selbst unterläuft. So heißt es: „Was früher Bunte, Gala, dem Goldenen Blatt und Bild der Frau vorbehalten war – die Bundeskanzlerin in der Küche – strahlt dem Leser heute auf den Titelseiten angeblicher ‚Qualitätsmedien‘ entgegen.“ Deren also fortgeschrittene Trivialisierung ist kaum von der Hand zu weisen, allerdings hätte Ulfkotte für einen vergleichbaren Befund ohne weiteres auf die eigenen Überschriften zurückgreifen können: „Wie Journalisten ihre Villen in der Toskana finanzieren“, „Thilo Sarrazin: Ein Volksheld wird abgeurteilt“, „Im Würgegriff der Geheimdienste“ und ähnliche mehr.
Eine deutliche inhaltliche Kritik des Buches publizierte bereits kurz nach dessen Erscheinen Stefan Niggermeier, der dem Autor „Übertreibungen, Verdrehungen und Unwahrheiten“ nachwies. So im Abschnitt „Villen in der Toskana“, der zwar zutreffende Beispiele zur moralisch anrüchigen, teils rechtswidrigen Selbstbedienungsmentalität deutscher Journalisten anführt, in seiner titelgebenden Behauptung aber ziemlich lächerlich sei. Niggermeiers Fazit: „[…] bei aller berechtigten Kritik am Zustand des deutschen Journalismus: Ulfkotte ist weder ein verlässlicher Zeuge noch ein brauchbarer Chronist.“ Dennoch räumt selbst Niggermeier ein: „Nicht alle Vorwürfe, die Ulfkotte in seinem Buch erhebt, sind abwegig.“
Einige sind, so könnte man ergänzen, sogar ziemlich skandalös und auch Jahre nach den betreffenden Vorfällen noch erhellend im Hinblick darauf, wie die Berliner Republik im Falle des Falles funktioniert. Ulfkotte greift dabei zwar häufig auf Recherchen anderer zurück, doch – soweit man von denen nicht schon anderweitig erfahren hatte – ergibt sich trotzdem ein Erkenntniszuwachs. Zum Beispiel darüber, wie vor Jahren im Zusammenwirken von Verteidigungsministerium und Medienvertretern – vornehmlich geht es dabei um Theo Sommer, dem früheren Chefredakteur und nachmaligem Herausgeber der ZEIT – die ökologischen und gesundheitsschädigenden Folgen des Einsatzes panzerbrechender Urankernmunition durch NATO-Streitkräfte auf dem Balkan aus der Welt eskamotiert wurden. Zugleich ein anschauliches Beispiel des ständigen Wechselspiels von Politik und Medien in einem unablässigen Reigen gegenseitigen Gebens und Nehmens. Recherchiert hatte dies, wie Ulfkotte ausweist, der Medienjournalist Uwe Krüger. Bei ihren völkerrechtswidrigen Bombardements gegen Jugoslawien im Frühjahr 1999 hatten NATO-Luftstreitkräfte auch etwa zehn Tonnen Uranmunition eingesetzt.
Exkurs: Verwendet, etwa für Geschosse von Maschinenkanonen, wird sogenanntes abgereichertes Uran, depleted uranium, weswegen auch der Begriff DU-Munition gebräuchlich ist. Uran kann wegen seiner extremen Dichte Panzerungen durchschlagen. Darüber hinaus entsteht beim Aufprall auf gepanzerte Ziele heißer Uranstaub, der sich bei Luftkontakt im Inneren der Ziele spontan entzündet und dort die mitgeführte Munition oder den Treibstoff zur Explosion bringen kann. Daneben gelangt Uranstaub in die Atmosphäre und in den Boden. Er kann über die Atmung, über Wunden und Nahrungsmittel, einschließlich Trinkwasser, vom Menschen resorbiert werden und durch seine Radioaktivität und Toxizität gesundheitsschädigende Wirkungen entfalten. Ein Report von IPPNW und ICBUW Deutschland von 2012 („Die gesundheitlichen Folgen von Uranmunition“) gibt dazu einen zusammenfassenden Überblick.
Als Anfang 2001, so heißt es bei Ulfkotte, die ersten Berichte über die schädlichen Wirkungen der auf dem Balkankriegen eingesetzten DU-Munition „den damaligen Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) in die Defensive brachten, da reagierte er, wie es Politiker in brenzligen Situationen gern tun: Er setzte eine Expertenkommission ein, welche die Vorwürfe überprüfen sollte. Die Leitung des Gremiums übertrug er […] Theo Sommer […]. Der Mann genoss das Vertrauen des Ministers, weil er in seinem ersten Leben einen Planungsstab auf der Hardthöhe geführt hatte und später Mitglied der Wehrstrukturkommission der Bundesregierung gewesen war. Ein halbes Jahr später gab die Kommission unter Theo Sommer Entwarnung: Uranmunition wurde als unbedenklich eingestuft und in der Zeit des Theo Sommer erschien ein Aufmacher mit dem Titel ‚Die Blamage der Alarmisten‘ […]. Damit war das Thema vom Tisch und Theo Sommer erhielt laut Uwe Krüger von Scharping das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold überreicht.“
Der ZEIT-Beitrag, den ein Redaktionskollege Sommers verfasst hatte, blies unter anderem mit einem bildhaften Zitat aus der Studie des „Arbeitsstabes Dr. Sommer“ Entwarnung: „Die von einem Gramm DU ausgehende Strahlung entspricht etwa der von zehn Litern Badewasser in heilkräftigen Kurorten.“
Seltsam nur, dass vor solch „heilkräftiger“ Wirkung das Verteidigungsministerium selbst schon in einem Schreiben an die Bundeswehr vom 21. Juli 1999 – im Zusammenhang mit dem Kosovo-Einsatz – vor Kontakt mit uranverseuchtem Erdstaub dahingehend gewarnt hat, das „die Aufnahme von DU-Partikeln in den Körper wegen der radiologischen und toxischen Wirkung durch Tragen einer Staubmaske und Händewaschen vor dem Essen zu vermeiden“ sei. Und auch nach der Sorgenfrei-Expertise des „Arbeitsstabes Dr. Sommer“ hielt es die Bundeswehr im Jahre 2003 erneut für angeraten, in einer Verschlusssache („Gefährdung durch DU-Munition“) nachdrücklich zu warnen. Laut Initiative Nachrichtenaufklärung, die Ulfkotte zitiert, wurde „den Soldaten geraten, ABC-Schutzkleidung zu tragen, die Munition nicht zu berühren, Filmdosimeter auszugeben, sofortige Meldung abzugeben und sofort den Truppenarzt einzuschalten“.
Vergleichbare Fundstellen wie zu dieser Geschichte bietet Ulfkottes Buch auch zu solchen transatlantischen Elite- und Machtnetzwerken wie Atlantik Brücke, Trilaterale Kommission sowie Bilderberg Konferenzen und die Involvierung deutscher Spitzenjournalisten in deren Gremien und Aktivitäten. Eine wahre Fundgrube ist das Buch nicht zuletzt zum Komment und zur Arbeitsmoral bei der führenden konservativen Tageszeitung des Landes, der FAZ. Auf Uflkotteschem Zuspitzungsniveau könnte man die zusammengetragenen Sachverhalte dahingehend resümieren: „Sodom und Gomorrha traf der Bannstrahl des Herrn schon wegen vergleichsweise geringfügigerer Verfehlungen!“
Und apropos Theo Sommer: Dessen Name hatte zwar mal einen anerkannten Klang weit über die Medienbranche und die Bundesrepublik hinaus, doch im Jahre 2014 ist Sommer wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung in Höhe von fast 650.000 Euro allein im Zeitraum von 2007 bis 2011 zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt worden. Da darf man schon fragen, ob Summe und Zeitraum Rückschlüsse darauf zulassen, was topvernetzte Journalisten in Deutschland noch im hohen Rentenalter so einzunehmen pflegen. Und womit beziehungsweise wofür eigentlich?
Ulfkotte war, wie er, und auch dies mehrfach, ausbreitet, jahrzehntelang selbst Teil des Systems – allein 17 Jahre bei der FAZ. Die eigene Korruptheit stellt er ebenfalls im Detail dar. Umso bedauerlicher, dass man an seiner Gesamtdarstellung mindestens die hier skizzierten Abstriche machen muss.
Udo Ulfkotte: Gekaufte Journalisten, Kopp Verlag, Rottenburg 2014, 307 Seiten, 22,95 Euro.
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