19. Jahrgang | Nummer 3 | 1. Februar 2016

Antworten

„Wir schaffen das!“, Satz des Jahres 2015 – Wir glaubten ja gern daran. In der Flüchtlinge wie in unser aller Eigeninteresse. Allerdings, die in Deutschland 2015 am häufigsten gegoogelten Begriffe waren – Helene Fischer und Michael Schuhmacher. Bei solchen Präferenzen eines Großteils der einheimischen Wohnbevölkerung sollte das Kanzleramt vielleicht vorsichtshalber mindestens dafür sorgen, dass Goldkehlchen Helene ab sofort nur noch vor Turnhallen, Ex-Kasernen und anderen Flüchtlings-Großunterkünften trällert.

Julia Klöckner, schwarze Hoffnungsträgerin aus den Pfälzer Weinbergen – Respekt, von PR-Arbeit verstehen Sie etwas. Dem drögen Hosenanzug der Kanzlerin setzen Sie den – natürlich schwarzen, aber weiß gepunkteten, wie andeutungsreich! – Glockenrock entgegen. Das hat so etwas Erfrischendes auf Parteikonventen überalternder Vereinigungen. Und dann noch Ihr politischer Paukenschlag! Während zwischen Kiel und München mit mehr oder weniger falschen Tönen eine Oper namens „Kanzlerinnendämmerung“ gegeben wird, legen Sie keinen „Plan B“ – nein, Sie legen einen „Plan A2“ vor. Das soll suggerieren, Sie unterstützten Frau Merkel selbstverständlich in ihrer Flüchtlingspolitik und hätten da nur ein paar bescheidene Vorschläge. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt. Wir sind uns sicher, ein bekannter Pensionär aus Oggersheim lächelt derzeit still vor sich hin. Wie lautete doch gleich dessen Bundestags-Wahlkampfmotto 1983? „Miteinander schaffen wir’s!“ Es haben noch einige in CDU und CSU offene Rechnungen gegenüber der ostdeutschen Aufsteigerin begleichen. Wir sind gespannt über das Ergebnis Ihrer herzinniglichen Zuneigung.

Jürgen Todenhöfer, Welterklärer oder Münchhausen? – Für das Magazin Der Spiegel ist diese Frage bereits mit der Überschrift seines jüngsten Ihnen gewidmeten ausführlichen Beitrags entschieden: „Der Märchenonkel“. Die Indizienkette wird ausführlich ausgebreitet: Wie Sie auf eine Reise ins Gebiet von ISIS außer Ihrem Sohn einen von dessen Freunden, einen studierten Volljuristen, mitnahmen, der als Protokollführer fungierte; wie der dann bei der publizistischen Aufbereitung der Reise zum Bestseller („Inside IS – zehn Tage im ‚Islamischen Staat‘“, erschienen im April 2015, über 100.000 Mal verkauft) außen vor blieb, aber auf zweifelhafte Weise von Ihnen als Zeuge dafür instrumentiert wurde, dass Ihr Fahrer während der Reise wahrscheinlich der berüchtigte Jihadi John gewesen sei, Sie also „jeden Tag mit dem brutalsten Henker der Welt zusammen waren“ (Buch-Zitat); wie der Protokollant schließlich beim Lesen des Buches viele Episoden und auch seine eigene Rolle während der Reise völlig anders erinnerte, bis er irgendwann verstanden habe, so Der Spiegel, „dass all die Szenen, die Jürgen Todenhöfer schildert, weniger dokumentarisch gemeint sind, sondern vielmehr eine dramaturgische Funktion erfüllen. Die einen sollen Glaubwürdigkeit erzeugen, die anderen Spannung, sie sollen moralisieren oder auf angebliche Bedrohungen hinweisen“. Für einen Sachbuchautor, der sich in den Medien und Talkshows als „IS-Experte des Jahres“ (O-Ton Spiegel) hofieren lässt, kein schmeichelhaftes Resümee. Für einen Erzähler in der Tradition der Gebrüder Grimm allerdings ein völlig unverfängliches. Wobei zu deren Ehrenrettung sofort hinzugefügt werden muss: Die Grimms haben die Märchen nur gesammelt, nicht erfunden!
Natürlich haben Sie die Angaben Ihres Protokollanten gegenüber dem Spiegel anwaltlich dementieren lassen, unter anderem mit intimen Einzelheiten über dessen Einsatz: „Seine optischen wie akustischen Wahrnehmungsmöglichkeiten waren erheblich eingeschränkt, weil sein bevorzugter Aufenthaltsort, eines beharrlichen Durchfalls wegen, das Klo war.“
Da steht nun Wort gegen Wort, und bestenfalls ist damit die Glaubwürdigkeit beider Parteien zweifelhaft.

Claus von Wagner, Anstalts-Besetzer – Es soll ja immer noch Zeitgenossen geben, die beckmesserisch auf der völkerrechtlichen Fragwürdigkeit des Syrien-Einsatzes der Bundeswehr herumhacken. Dabei haben Sie diese Frage quasi in Deutsch für die Landbevölkerung erschöpfend geklärt: Frankreich gegen den IS militärisch zu Hilfe zu eilen, wäre auf der Grundlage der in den Medien und von manchen Politikern dafür als Begründung herangezogenen Solidaritätsklausel zum EU-Vertrag nicht möglich gewesen, denn deren Text beschränkt sich explizit darauf, „im Falle eines Terroranschlags einen Mitgliedstaat […] innerhalb (Hervorhebung – die Redaktion) seines Hoheitsgebiets zu unterstützen“. Zum französischen Hoheitsgebiet, so könnte man ergänzen, zählt Syrien aber spätestens seit Beendigung des Völkerbundmandats Frankreichs über das Land im Jahre 1943 beim besten Willen nicht mehr. Militärisches Eingreifen an der Seite Frankreichs wäre, so Sie weiter, allenfalls nach Artikel 42 des EU-Vertrages möglich. Nur bezöge sich der zugleich ausdrücklich auf die Charta der Vereinten Nationen. Daher hätte auf Frankreich ein Angriff von außen – durch einen anderen Staat – erfolgt sein müssen. Konsequenz: „[…] wenn wir jetzt in Syrien eingreifen, dann erkennen wir im Prinzip den IS diplomatisch als Staat an. Noch zwei Jahre und die sitzen im FIFA-Vorstand.“
So weit , so gut.
Andererseits – wäre das, nach allem, was 2015 über die FIFA ans Licht gekommen ist, nicht das Beste, was uns passieren könnte? Um das Problem FIFA gleich mit aus der Welt zu schaffen? Auf dem Heimweg von Syrien könnten die deutschen Tornados doch dann die notwendige Zielaufklärung quasi im Vorbeiflug erledigen …

Wulf Gallert, Plakat-Model aus Magdeburg – Sie enthüllten jüngst am Magdeburger Landtagsgebäude ein temporäres Denkmal ihrer Selbst, ein Großflächenwerbeplakat für die bevorstehende Landtagswahl. Neben Ihrem Konterfei ist eine Botschaft zu lesen: „Ich kann. Ich will. Ich werde.“ Natürlich soll das wie Julius Cäsar klingen: „Ich kam. Ich sah. Ich siegte.“ Dazu passt die Feldherrenpose – strahlender Blick in ein imaginäres „Oben“, die Hände fast zur Kanzlerinnen-Raute zusammengelegt. Aber ob aufgeplusterte Backen ausreichen werden? Unser Tipp: Schauen Sie sich schnellstens „Asterix – Sieg über Caesar“ (1985) an. In diesem Pflichtfilm für aufsteigende Politik-Hoffnungen muss ein zerknirschter Centurio feststellen: „Veni. Vidi. Non vici.“ („Ich kam. Ich sah. Ich siegte nicht.“) Auch der machte vorher einen auf dicke Backe.

Coca Cola, zwischen den Stühlen – Vielen gelten Sie fast schon als Weltkulturerbe, nicht wenigen aber auch als eklig-klebrige Ami-Brause mit der befremdlichen Eigenschaft, rohes Fleisch auflösen zu können, wenn es Ihnen nur lange genug ausgesetzt ist. Gefährlich unterzuckerte Diabetiker allerdings schwören auf Sie, denn nichts bringt deren Stoffwechsel schneller wieder in den grünen Bereich als ein ordentlicher Hieb Cola. Schwieriger war die Unterscheidung von gut und böse selten.
Ihren weltweiten Triumphzug kann ja schon lange nichts mehr aufhalten – außer Ihr eigenes Management. Das hat sich um den Jahreswechsel im tiefen Osten Europa gerade mal wieder gezeigt. Ihre Firma postete am 30. Dezember via Vkontakte, dem russischen Pendant von Facebook, eine festliche Russlandkarte mit Weihnachtsbäumen und Holzhäuschen – allerdings ohne die baltikumsnahe Exklave Kaliningrad, die fernöstlichen Kurilen-Inseln und die Krim. Diese aus russischer Sicht Provokation löste prompt einen mittleren Shitstorm in sozialen Medien aus. Daraufhin entschuldigte man sich, die Karte wurde geändert und zeigte nun auch die inkriminierten Gegenden als russisch.
Das war nur leider der berühmte Versuch, Teufel mit Beelzebub auszutreiben, denn jetzt lief die ukrainische Seite Sturm. Wegen der Krim. Und zwar gleich bis ins Parlament, wo der Abgeordnete Mustafa Najem, einer der Organisatoren des Maidan, zum landesweiten Coca Cola-Boykott aufrief und reichlich Zustimmung erntete. Erneute Entschuldigung, und die Karte wurde vorsichtshalber ganz aus dem Web genommen.
Über die Langzeitfolgen dieses Konfliktes wird man natürlich erst zu einem späteren Zeitpunkt abschließend urteilen können, aber Nahrungs- und Gesundheitsexperten stimmen zumindest darin überein, dass weniger Coca Cola-Konsum der Volksgesundheit keinesfalls schadet. Da wäre zu wünschen gewesen, dass die inselpusseligen und colageilen Japaner die Sache auch mitbekommen hätten …

Narendra Modi, Premierminister einer Atommacht – Experten hatten es seit Generationen vermutet, aber erst Sie haben das gut gehütete Geheimnis der interessierten Öffentlichkeit entdeckt, indem sie darüber informierten, dass in Indien schon vor 2.000 Jahren Stammzellenforschung betrieben worden sei. Der untrügliche Beweis – Ganesha, die Gottheit mit dem Elefantenkopf und dem Körper in Menschengestalt! (By the way und laut Wikipedia – einer der wichtigsten, populärsten, zugänglichsten Götter Indiens, Beseitiger als auch der Setzer von Hindernissen, naschhaft, gnädig, gütig, freundlich, humorvoll, jovial, klug, menschlich, verspielt, schelmisch und nicht zuletzt ein beweglicher Liebhaber, der mehrere Frauen zugleich beglücken kann.)
Wer Ihre Offenbarung samt Beweisführung für einen Scherz hält, dem sei gesagt: Der Navajo, der kennt kein‘ Schmerz (Heino), und der Inder, also der richtige Indianer, keinen Karneval! Uns ist Ihr offenes Wort eine große Beruhigung, dürfen wir doch nun mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass im verantwortungsbewussten Umgang mit nuklearen Massenvernichtungsmitteln ein vergleichbar langjähriger Erfahrungshorizont vorliegt.