von Henryk Goldberg
Bitte lesen Sie den folgenden Satz unter Betonung des Artikels: Nein, es waren nicht die Muslime. Aber es waren Muslime.
Das eine zu behaupten wäre so dumm und gefährlich wie das andere zu leugnen. Der Islam ist keine Religion, die physische Gewalt gegenüber denen, die ihr nicht anhängen, zwingend gebietet. Aber er ist eine Religion, die das hergibt. Es gibt keine andere Religion in unserer gegenwärtigen Welt, die dem Massenmord, dem Verweigern jeglicher Humanität so zur rechtfertigenden Ideologie dienen kann wie der Islam.
Vor einigen Wochen war ich in eine öffentliche Diskussion verwickelt und mein Gesprächspartner warf mir vor, es sei falsch, den Islam eine aggressive Religion zu nennen, das sei das Christentum. Das sei, hatte ich erwidert, polemischer Unsinn.
Im Namen des Christentums zogen die Kreuzfahrer ins Heilige Land, in seinem Namen loderten die Scheiterhaufen, in seinem Namen wurde Erkenntnis mit dem Tod bestraft und in seinem Namen wurden Juden mit Hep! Hep! durch die Straßen gejagt, lang ehe der Tod ein Meister aus Deutschland wurde.
Das Christentum kann und will seine Hände nicht in historischer Unschuld waschen – aber an seinem Anfang behauptet jemand, er wasche seine Hände in Unschuld und schickte einen Mann ans Kreuz. Der, der den Namen Jesus Christus zur Religion machte. Paulus starb, so wird vermutet, ebenso den Märtyrertod wie Petrus, der erste der römischen Bischöfe. Und nicht wenige der frühen Christen starben in den Katakomben und den Arenen Roms. In gewisser Weise hat die Aufklärung das Christentum wieder zu seinen Ursprüngen geführt, sie hat es gleichsam humanisiert.
Der Islam kennt viele Strömungen, er ist für viele seiner Anhänger eine traditionsbewusste, aber moderne Religion, durchaus vereinbar mit dem Leben in einer modernen Welt. Und das Kopftuch der Frauen ist, anders als die Burka, kein notwendiger Widerspruch zu dieser Welt, es ist nicht mehr als ein Kreuz oder Davidstern, muss es wenigstens nicht sein. Aber diese alles durchdringende Aufklärung, die grundhafte Akzeptanz, dass Gott und der Glaube und die beides verbindenden Regeln eines sind, der Staat und seine Bürger und die hier beide verbindenden Regeln aber ein anderes, die gab es nicht für den Islam. Und wenn am Beginn des Christentums ein visionärer Mann steht, der den Märtyrertod stirbt und der dem, der ihn schlägt, die andere Wange bietet, so steht am Beginn des Islam ein nicht weniger großer Mann mit Visionen, der außer der Rede auch den Säbel zu führen weiß.
Der Prophet war auch Politiker, Feldherr, Machtmensch und wenn es nützlich schien, hatten die, die dem Islam im Wege standen, kein Mitleid zu erwarten. Der Islam wurde, von allem Anfang an, auch mit dem Säbel verbreitet, drei der vier Nachfolger des Propheten wurden ermordet – und das scheint so etwas wie ein unausrottbarer kultureller Code dieser Religion zu sein.
Diese rücksichtslose Aggressivität, dieser alles außer ihm stehende für unwert erachtende Fundamentalismus, sie sind nicht das Wesen des Islam, aber doch ein ihm deutlich eingeschriebenes Potenzial, das vor allem in ungebildeten Schichten einen aufnahmebereiten Nährboden findet. Dieser Fundamentalismus erlaubt und ermöglicht es jungen Männern, die unbewaffneten, zufälligen Besucher eines Konzertes, die unbewaffneten zufälligen Gäste von Restaurants mit Sturmgewehren zu erschießen.
Nicht, weil sie etwas vorzubringen hätten gegen diese konkreten Individuen, nein, nur weil sie ein starkes Zeichen setzen wollten. Und dieses wird umso stärker, je mehr Tote es gibt.
Das russische Flugzeug, dessen ermordete Passagiere so unschuldig waren wie die Konzert- und Restaurantbesucher in Paris, war schon, aus der Sicht der Mörder, ein starkes Zeichen, die Toten in einer der Metropolen der westlichen Welt sind ein noch stärkeres. Das ist die zynische Überlegung der Mörder.
Und es gibt wohl eine zweite.
Natürlich werden die Morde von Paris, was verständlich ist, auch Ängste und Vorbehalte im Umfeld der Flüchtlingsdebatte befördern. Und natürlich wird es wieder diese Pauschalisierungen geben, es müsse wohl jeder Muslim unter Terrorismusverdacht gestellt werden.
Das wird die Stigmatisierung der hier lebenden Muslime weiter vorantreiben, das wird die Spannung zwischen den Flüchtlingen und der gastgebenden Bevölkerung weiter erhöhen. Und genau das wollen die Terroristen: Es soll möglichst wenige Muslime geben, die glauben, man könne auch mit Allah gut in einer modernen, demokratischen Welt leben.
Wir sollten Sorge tragen, dass sie das glauben und leben können, hier bei uns. Schon aus Sorge um uns selbst.
Schlagwörter: Christentum, Flüchtlingsdebatte, Henryk Goldberg, Islam, Religion, Stigmatisierung