von Ulrike Steglich
Soso. Die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) möchte also nicht, dass ein Weddinger Platz nach Elise und Otto Hampel benannt wird.
Das Weddinger Arbeiter-Ehepaar stammte aus einfachsten Verhältnissen, beide waren zunächst naive Mitläufer während der Nazizeit. Doch nach dem Tod von Elises Bruder im Zweiten Weltkrieg änderte sich ihre Haltung. Sie begannen ihren ganz eigenen mutigen zivilen Widerstand gegen die Nazis, mit schlichtesten Mitteln: Sie verteilten heimlich handgeschriebene Postkarten gegen den Krieg und gegen das Regime – bis die Gestapo sie nach langer Suche verhaftete. Beide wurden von den Nazis hingerichtet. Der Schriftsteller Hans Fallada widmete dem Paar seinen inzwischen weltberühmten Roman „Jeder stirbt für sich allein“.
Derzeit wird der (bislang namenlose) Weddinger Platz neben dem Rathausgebäude neu gestaltet: In das sanierte 60er-Jahre-Hochhaus zieht eine Filiale des Jobcenters ein, die Bezirksbibliothek erhält einen Neubau. Und so gab es auch die Frage, wie der neue Platz benannt werden könnte. Etliche Anwohner, die Stadtteilvertretung und auch die Bezirksverordnetenversammlung von Mitte stimmten klar für die Neubenennung in „Elise und Otto Hampel-Platz“.
Doch die BIM als Eigentümerin des Hochhauses sowie eines Stückchens des Platzes möchte eine Neubenennung mit diesem Namen nicht. Diese, so das BIM-Argument, würde auch „eine Adressänderung für das Jobcenter“ bedeuten, für dessen Kunden die Orientierung nicht erschwert werden solle – denn die würden die Müllerstraße 146/147 leichter finden.
Das ist in vielfacher Hinsicht schwachsinnig. Erstens muss das Jobcenter sowieso seine Geschäftsadresse und sämtliche Drucksachen ändern, weil es an diesem Ort ja völlig neu ist. Zweitens müssen die Kunden des Jobcenters ohnehin eine für sie neue Adresse aufsuchen. Drittens würde die Namensgebung für den Platz im Gegenteil für mehr Orientierung sorgen – schließlich gibt es in der Müllerstraße 16 noch ein weiteres Jobcenter für einen anderen Einzugsbereich, und das sorgt viel eher für Verwirrung. Manche nennen die Müllerstraße deshalb auch schon „Jobcenter-Boulevard“. Als „Jobcenter Berlin Mitte Müllerstraße“ firmiert jedenfalls bereits die Müllerstraße 16, sowohl bei der Arbeitsagentur als auch im Internet: Termin verpasst, lieber Kunde, weil im falschen Jobcenter vorgesprochen? Pech gehabt, die Leistung wird gekürzt!
Viertens durfte das Argument der angeblich unzumutbaren Adressänderung jedenfalls im Ostteil der Stadt niemals gelten, als nach der Wiedervereinigung zahllose Straßen rückbenannt wurden: Auch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften wurden nicht gefragt, ob es großen Aufwand bedeute, wenn beispielsweise die Wilhelm-Pieck-Straße in Torstraße rückbenannt wird, wovon ihre Häuser und Vorgärtchen betroffen waren.
Als die BIM-Haltung öffentlich bekannt wurde, gab es zu Recht öffentliche Proteste – worauf sich die BIM wohl gezwungen sah, eine etwas hölzerne Pressemitteilung zu veröffentlichen. Darin heißt es unter anderem:
„Wir haben aus fachlichen Gründen einer Umbenennung der Anschrift an diesem Standort widersprochen. Die Örtlichkeit („Platz“) wird nicht durch Querstraßen oder Ähnliches von der Müllerstraße abgegrenzt. Die Örtlichkeit ist als eigenständiger Platz gar nicht erkennbar. Daher wird die Adressfindung bei einer Umbenennung erschwert, weil die Adressierung entlang der Müllerstraße, als deren Bestandteil die Örtlichkeit erscheint, unterbrochen würde. Eine Benennung sollte aber der Orientierung dienen.“
Man kann das auch so interpretieren, dass BIM die Weddinger Jobcenter-Besucher für zu doof hält, einen Elise- und Otto-Hampel-Platz zu finden (der in Berlin einzigartig wäre) statt der Müllerstraße 146/147 – einfach deshalb, weil der Platz kein Platz ist, denn er hat keine begrenzenden Seitenstraßen. Genau für solche einleuchtenden Klarstellungen haben wir Deutschen unsere Ämter, die in ihrem preußischen Arbeitseifer schlicht unterfordert wären, wenn sie sich nur um die vernünftige Verwaltung städtischer Immobilien kümmern müssten. Und wo kämen wir da hin, wenn die Plätze nicht ordentlich durch Seitenstraßen abgegrenzt werden können!
Und warum schwingt sich die BIM – eine landeseigene Gesellschaft, deren Aufgabe lediglich in Immobilienverwaltung besteht – überhaupt zum „Sprecher“ des Jobcenters auf? Soll wirklich die BIM mehr Stimme haben als die Bürger, die Stadtteilvertretung und ihre demokratisch gewählten Vertreter in der Bezirksverordnetenversammlung, die mit großer Mehrheit für die Benennung des namenlosen Rathausvorplatzes in Elise und Otto Hampel-Platz stimmten? Welche geschichtsvergessene, bürokratische Haltung offenbart sich hier – ausgerechnet 70 Jahre nach dem Ende der Naziherrschaft, wo es endlich an der Zeit wäre, auch die stillen Helden des Widerstands zu würdigen?
Und was ist das für ein Signal an jene Bürger, die immerfort zu Zivilcourage aufgefordert werden? Für Zivilcourage wäre das Ehepaar Hampel ja wohl das beste Vorbild – als späte, aber tapfere Gegner des Naziregimes, die im traurigsten Wortsinn für ihren Mut den Kopf hinhielten und kurz vor Kriegsende unter dem Fallbeil starben.
Auch deshalb sollten sich das Land Berlin und der Bezirk gegen das BIM-Begehren wehren – mindestens aus Respekt.
Schlagwörter: Elise und Otto Hampel, Straßennamen, Ulrike Steglich, Wedding, Zivilcourage