von Hartmut Pätzke
Bewundernswert ist die Kontinuität, in der die Briefe Liebermanns bisher vorgelegt werden konnten. Matthias Eberle hat in seiner Einleitung zum vierten Band die wichtigsten Ereignisse der Jahre 1907 bis 1910 umrissen, zudem gibt die „Zeittafel“ Auskunft zu den wichtigsten Ereignissen der Jahre 1907-1910 im Leben und Wirken Max Liebermanns.
Gut 100 Briefe pro Jahr erscheinen fast wie ein mit Bedacht geplantes Werk. Hoch ist der Anteil Max Liebermanns eigener Briefe. Der umfangreichste Teil betrifft Alfred Lichtwark (1852-1914), Leiter der Hamburger Kunsthalle und Freund, an den allein 49 Briefe gerichtet sind, der von der „Hamburger Liebermanngemeinde“ spricht. Er hat hohen Anteil an der Entstehung des Gartens des Liebermann-Hauses am Wannsee, speziell der Bildung der Heckengärten. In einem Brief vom 23. Juli 1910 an Lichtwark fragt Liebermann: „Wann kommen Sie, um sich Ihre Gartenanlage anzusehn?“ Den Briefwechsel insgesamt hat Birgit Pflugmacher bereits 2003 als „Der Briefwechsel zwischen Alfred Lichtwark und Max Liebermann“ veröffentlicht. Das wird selbstverständlich stets angemerkt.
23 Briefe gingen an Gustav Pauli nach Bremen, der in der Hansestadt ein wichtiger Vermittler des Liebermannschen Werkes war, 18 Briefe an Hermann Struck, der den Druck der Liebermannschen Radierungen und Lithographien besorgte, 14 Briefe an Gustav Schiefler, den Sammler und Verzeichner seines graphischen Werkes, elf Briefe an Maximilian Harden, der sich für das Werk Liebermanns publizistisch einsetzte, neun Briefe an Leopold Graf von Kalckreuth, acht Briefe an Harry Graf Kessler und an Robert Sterl, den beiden letzteren war Liebermanne durch den „Deutschen Künstlerbund“ besonders verbunden. Für Hugo von Tschudi, Direktor der Nationalgalerie, der diese Position 1910 verlassen musste, setzt Liebermann sich vehement ein. Er wünscht sich sogar, dass dieser ein Buch zu seinem Werk schreiben möge. Fünf Briefe sind an den Museumsmann gerichtet, der nach München ausweichen musste.
Im Oktober 1906 hatte sich das einzige Liebermann-Kind, die Tochter Käthe (1885-1952), das erste Mal verlobt. Die Verlobung wurde 1907 gelöst, ein befreiendes Ereignis für die Familie. Liebermann konnte seinen 60. Geburtstag feiern. Er entflieht nach Noordwijk und Delft in Holland. In einem Brief an seine Schwester Anna Liebermann (1843-1933), bedauert er „gedruckt“ für „die Hunderte von Glückwünschen“ „danken“ zu „müssen.“ Auskunft über seinen Ehrentag gibt im Anhang des Bandes vor allem der Brief von Paul Cassirer an Max Osborn vom 23. Juli 1907 aus Noordwijk aan Zee, wo Liebermann gemeinsam mit seinem Galeristen und dem Maler und Illustrator Karl Walser (1877-1943) sein Jubiläum feierte. Die im Buch abgebildete Fotografie aus dem Jahre 1907 von Max Halberstadt zeigt einen entschlossenen Menschen. Bei Piper in München, ursprünglich sollte es bei Cassirer in Berlin erscheinen, kam das Liebermann-Buch von Karl Scheffler heraus, dem gegenüber Liebermann Vorbehalte äußerte, es wäre mehr Scheffler als Liebermann. Zu dessen „Paris“-Buch schreibt er jedoch an Scheffler am 25.12. 1908: „Mir scheint ‚Paris’ Ihr bis jetzt bestes Buch.“ Eine Ausstellung zum Werk Liebermanns in Berlin wurde von Kaiser Wilhelm II. abgelehnt. Liebermann wertete das als Zeichen dafür, dass er so wenigstens wisse, woran er sei. Im Frankfurter Kunstverein fand eine Liebermann-Ausstellung statt, auch der Leipziger Kunstverein zeigte sich dem Werk Liebermanns gewogen.
1908 setzt sich Liebermann in einem Brief vom 9. November an Max Klinger (1857-1920) für „den Bildhauer Barlach“ ein, für „einen Platz für die Villa Romana“, die Liebermann selbst im Mai 1908 in Augenschein genommen hatte. In einem Brief an Richard Dehmel (1863-1920) vom 14. Februar 2008, Dehmel porträtierte er, setzt sich Liebermann für richtiges Deutsch ein. Das Geschick Hugo von Tschudis (1851-1911) als Direktor der Nationalgalerie, die seit 1896 dem Generaldirektor, Wilhelm Bode, untersteht. beschäftigt sowohl Liebermann vielfach, wobei er auch den französischen Kunstkritiker Théodore Duret (1838-1927) einbezieht. Ergänzend zum Fall „Tschudi“ bieten die „Anhänge“ einige Erklärungen. Tschudi spielt auch 1909 im Briefwechsel zwischen Liebermann und Lichtwark noch eine erhebliche Rolle. Wie sehr sich Liebermann mit der Kunst des Porträts beschäftigt, seine Auftraggeber kommen überwiegend aus der Finanzwelt, ist am Briefwechsel mit Carl Duisberg (1861-1935) abzulesen. Anfang 1910 taucht der Name von Max Pechstein (1881-1955) auf, der ihn bereits 1908 besucht hatte.
Seit dem 26. Juli 1910 wohnen die Liebermanns in ihrem Landhaus. Er bezeichnete es als „unser Schloß am See“, sprach vom Wannsee bei Potsdam, Anschrift: Große Seestr. 24.
Zwar nennt Liebermann in seinem Brief an Max Lehrs (1855-1938) die Namen Hansen und Nolde, aber unter den „Personendaten“ sollte bei Hansen hinzugesetzt werden, dass er sich seit 1901 nach seinem Geburtsort Nolde nannte. Zu ergänzen wäre, dass Alfred Kerr (1867-1948), eigentlich Alfred Kempner, seinen Namen „zusammendrängte“ und erst seit 1911 die „gesetzliche Erlaubnis“ des preußischen Ministers von Moltke besaß, sich Kerr nennen zu dürfen. Hinzuzusetzen wäre sein lyrisches Pseudonym Gottlieb.
Ernst Braun, der am 19. März seinen 70. Geburtstag beging, arbeitet bereits am fünften Band. Dafür und für die weiteren Bände bis zur Vollendung des fundamentalen Werkes zum Gedenken an Max Liebermann, an dessen Tod vor 80 Jahren die Max-Liebermann-Gesellschaft auf dem Jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee am 8. Februar am Familiengrab der Liebermanns erinnerte, wünsche ich Ernst Volker Braun Gesundheit und weiterhin eine glückliche Hand, gemeinsam mit denen, die ihn unterstützen.
Max Liebermann: Briefe. Band 4. 1907-1910, Deutscher Wissenschaftsverlag, Baden-Baden 2014, 613 Seiten, 49,90 Euro.
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