17. Jahrgang | Nummer 25 | 8. Dezember 2014

Ansichten eines philosophischen Poeten*

von Wilhelm Busch

Oft ist das Denken schwer, indes,
Das Schreiben geht auch ohne es.

Das Gute – dieser Satz steht fest
Ist stets das Böse, was man lässt.

Was man besonders gerne tut,
Ist selten ganz besonders gut.

Enthaltsamkeit ist das Vergnügen
An Sachen, welche wir nicht kriegen.

Tugend will, man soll sie holen,
Ungern ist sie gegenwärtig;
Laster ist auch unbefohlen
Dienstbereit und fix und fertig.

Wenn wer sich wo als Lump erwiesen,
So bringt man in der Regel diesen
Zum Zweck moralischer Erhebung
In eine andere Umgebung.

Der Beste muss mitunter lügen;
Zuweilen tut er‘s mit Vernügen.

Willst du das Leben recht verstehn
Musst Du’s nicht nur von vorn besehn.
Von vorn betrachtet, sieht ein Haus
Meist besser als von hinten aus.

„Jetzt zahlen, oder Bier gibt’s nimmer!“
Ach! Reines Glück genießt doch nie,
Wer zahlen soll und weiß nicht wie!

Dummheit ist auch eine natürliche Begabung.

Wer in Glaubenssachen den Verstand befragt, kriegt un­christliche Antworten.

Wie klein ist das, was einer ist,
Wenn man‘s mit seinem Dünkel misst.

Wenn einer, der mit Mühe kaum
Gekrochen ist auf einen Baum,
Schon meint,
dass er ein Vogel war,
So irrt sich der.

Da lob‘ ich mir die Höflichkeit,
Dies zierliche Betrügen.
Du weißt Bescheid, ich weiß Bescheid;
Und allen macht‘s Vergnügen.

Da liegt der schwarze Bösewicht
Und wühlte gern und kann doch nicht;
Denn hinderlich, wie überall,
Ist hier der eigne Todesfall.

Es ist ein Brauch von alters her,
Wer Sorgen hat, hat auch Likör.
Doch wer zufrieden und vergnügt,
Sieht auch zu, dass er welchen kriegt.

Und bedenkt dabei, so es sich um einen passionierten Genießer handelt:

Das Trinkgeschirr, sobald es leer,
Macht keine rechte Freude mehr.

* – Überschrift von der Redaktion.

Bereits erschienen – Ansichten von Georg Kreisler, Friedrich Nietzsche, Karl Kraus.