von Stephan Wohanka
Debatten, dem Übel der Diskriminierung mittels sprachlicher Korrektheit – in eingeweihten Kreisen auch „pc“ genannt – beizukommen, flackern immer mal wieder auf. Vor ein paar Wochen geriet das „Zigeunerschnitzel“ in ebendiese Debatte. Im Ergebnis strich die Hannoveraner Rathausverwaltung den Namen von der Speisekarte ihrer Kantine. Im Moment wabert durch das Feuilleton einer Berliner Zeitung das Postulat des Global Afrikan (nicht African? – St. W.) Congress, die Berliner Mohrenstraße in Nelson-Mandela-Straße umzubenennen. Dem Feuilletonisten erscheint das keine gute Idee zu sein, da so „auf sehr ungute Weise die Hautfarbe Mandelas betont“ werde. Ein anderer Diskutant war dafür, die Mohren- in Möhrenstraße umzutaufen…
Die Idee hinter all dem ist klar: „Häufig wird argumentiert, dass Begriffe wie etwa ‚Mohr’ historische Zeugnisse seien und deswegen auch ihren Platz in der deutschen Sprache behalten sollten. Diese Argumentation ist insofern problematisch, als man/frau sich vergegenwärtigen muss, dass die kolonial konzipierten Begriffe die deutsche Kolonialgeschichte und deren Ideologie transportieren und festigen. Wörter wie ‚Neger’, ‚Mohr’ … zementieren die Weiße Vorstellung von biologistischen Gruppeneinteilungen, -zugehörigkeiten und -kategorisierungen als wissenschaftlich fundiert und dienen damit auch zur Pseudolegitimation des biologistischen Konstruktes ‚Rasse’“.
Hier setzt meine Ratlosigkeit ein: Anstelle von „Neger“ oder „Mohr“ zu reden, ist jetzt korrekt zu sagen „Schwarzer“. Wie ist damit – bitte schön! – „die Weiße Vorstellung von biologistischen Gruppeneinteilungen, -zugehörigkeiten und -kategorisierungen“ aufzuheben? Ja schlimmer noch: Wenn „die Betonung der Hautfarbe“ ein gewichtiges Argument gegen die pars pro toto Umbenennung der Mohren- in Mandela-Straße ist, dann ist über den Begriff „Schwarzer“ der Rassenunterschied noch deutlicher, ja dichotomisch benannt: „Schwarz – Weiß“!
Ein Zweites: „Man/frau muss sich vergegenwärtigen“, dass heutzutage korrekt – also auch genderspezifisch – zu sprechen sei. Wieso ist dann im zitierten Text nur von „Neger“ und „Mohr“ die Rede und nicht von „Negerin“ und „Mohrin“? Denkt man/frau einen Moment nach, dann fällt auf, dass die Ambitionen der „politischen Korrektheit“ bisweilen mit sich selbst ins Gehege geraten: So werden in den Medien die weibliche und männliche Form fast ausschließlich bei positiv besetzten Gruppen genannt, wie beispielsweise „Lehrerinnen und Lehrer“. Bezüglich negativ besetzter Gruppen wie „Terroristen“ oder „Verbrecher“ wird trotz der Existenz auch von Terroristinnen beziehungsweise Verbrecherinnen nur die männliche Form bemüht; es sei denn, eine Frau begeht eine einschlägige Tat. Bei gemischt-geschlechtlichen Opfergruppen werden dagegen Frauen oft extra hervorgehoben.
Aber um wieder auf den Kern der Sache zu kommen – es gibt Sinti und Roma und es gibt Zigeunerschnitzel. Was haben die Einen mit dem Anderen gemein? Wenn ich mich als selbstbewusster Sinto oder Rom verstehe, dann bin ich kein Zigeuner! Wobei ich zugebe, dass ich keiner diskriminierten Minderheit angehöre und ich daher die Kränkung nicht nachzuvollziehen vermag. Insofern kann die sprachliche Tilgung des „Zigeuners“ schon Erleichterung schaffen; aber ob die Nachlässigkeit, ja Böswilligkeit, mit der die Genannten ab und an auch heute noch „Zigeuner“ genannt werden, durch Umbenennung von Fleischspeisen aus der Welt geschafft werden kann, ist trotzdem fraglich. Konsequenterweise müsste dann auch ein in Musikliebhaberkreisen berühmter Baron, darüber hinaus eine ganze Musikgattung, eine Blume, weitere kulinarische Spezialitäten, ja ein kleines, aber pittoreskes Genre der Bildenden Kunst ebenfalls vom „Z-Wort“ befreit werden; und sicherlich ist die Aufzählung nicht vollständig…
Und wieder macht sich auch eine gewisse Ratlosigkeit breit, gerät das politisch Korrekte an Grenzen: Die Mehrheit der Minderheit lehnt „Zigeuner“ als diskriminierend ab; einige der Minderheit Zugehörige allerdings kritisieren an „Sinti und Roma“, dass damit Gruppen wie Kalé, Manusch und Lowara oder auch Jenische ausgeschlossen seien – das Bemühen um Anti-Diskriminierung mündet in eine erneute Diskriminierung. Auch dieser Fall steht pars pro toto für viele andere…
Sprache ist kein neutrales Medium. Sie transportiert mehr als nur Informationen und kann unterschiedliche Wirklichkeiten beschreiben; das heißt, es können Sichtweisen und Kategorisierungen so oder so dargestellt werden. Zu negieren, dass Sprache nicht machtvoll sei, ist daher dumm. Und es ist ein Erfolg, wenn kaum ein Politiker es noch wagt, in Reden auf die „Bürgerinnen“ zu verzichten. Sogar dann, wenn er zuhause seine Frau schlägt, kann er sich einer gewissen Sensibilisierung für die Tatsache, dass die Bevölkerung nicht nur aus Männern besteht, nicht entziehen.
Trotzdem drängt sich – so denke ich – der Verdacht auf; mehr noch, es ist wohl unmöglich, nur über sprachliche (Neu)Prägungen respektive durch Weglassen oder Ersatz bestimmter Begriffe (rassistische) Diskriminierung, aber auch Sexismus und ähnliche Übel der Zeit ausmerzen zu können. „Politisch korrekte“ Termini nutzen sich ab und die „Ersatzbegriffe“ übernehmen mit der Zeit die Bedeutung des Wortes, das sie ersetzen sollten. Gesellschaften und ihre (partiellen) Bilder von sich selbst über den Weg der Sprachnormierung korrigieren zu wollen, ist wohl ein witzloses Unterfangen. Es sei denn, dieser sprachpolitischen Auseinandersetzung folgte eine praktische soziale Integration der Diskriminierten respektive alten Tabus, Vorurteilen oder Aberglaube würde der Kampf angesagt…
Ich vermag deshalb auch nicht einzusehen, dass aus Kinderbüchern das Wort „Neger“ oder „Mohr“ getilgt werden sollte. Ich meine – man liest den Kleinen die Bücher vor, so wie sie geschrieben waren und wohl noch sind(?). Und wenn die Kinder dann ein entsprechendes Alter erreicht haben, erklärt man ihnen, dass diese Worte heute nicht mehr verwendet werden. Auf die mit hundertprozentiger Sicherheit kommende Frage „Warum“ kann man mit einer altersgemäßen Erklärung über den Rassismus antworten. Ist das pädagogisch nicht viel sinnvoller? Und letztlich wirkungsvoller als alle Sprachkosmetik?
Schlagwörter: Rassismus, Sprache, Stephan Wohanka