von Margit van Ham
Das behauptet Frank-Rainer Schurich in einem jetzt veröffentlichten Bändchen voller skurriler Geschichten – und er meint das durchaus nicht im übertragenen Sinne. Über Gifte und andere Mordmethoden wird informiert und räsoniert, und zumindest beim Lesen kann solch Giftmord ganz witzig sein. Blättchen-Lesern sind der Autor und die eine oder andere Miniatur zur Kriminalgeschichte bekannt. Den Leser erwartet eine kurzweilige Lektüre, die neben dem außergewöhnlichen Kriminalfall immer auch ein Schlaglicht auf die Gesellschaft und die Abgründe menschlichen Handelns wirft. Das beginnt zu Zeiten des Alten Testaments vor mehr als 2.100 Jahren und führt bis in die jüngere Vergangenheit.
So findet Schurich den Ursprung der kriminalistischen Vernehmungslehre in den Apokryphen des Alten Testaments. Daniel rettet „Susanna im Bade“ – das Thema ist von berühmten Kunstwerken her bekannt. Zwei liebeshungrige Alte werden von der jungen Susanna abgewiesen und rächen sich mit Falschaussagen, die zum Todesurteil für Susanna führen. Der Knabe Daniel hinterfragt deren Aussagen und lässt die Alten an getrennten Orten befragen. Sie widersprechen sich – und Susanna ist gerettet. Daniel ist also laut Schurich der erste Detektiv der Weltgeschichte, der das Prinzip der getrennten Zeugenvernehmung praktizierte. Der Autor entlässt uns mit einem Augenzwinkern aus dieser Heldengeschichte; er zitiert, was Dichter Friedrich von Hagedorn im 18. Jahrhundert zur Keuschheit Susannas umtrieb:
Ich lobe, was wir von ihr lesen; / doch räumen alle Kenner ein,
Das Wunder würde größer sein, / wenn beide Buhler jung gewesen.
In der Spätantike war Arsen zum beliebtesten Mordgift avanciert. „Erbschaftspulver“ wurde es auch genannt. Die Symptome der Vergiftung ähnelten anderen Krankheitsbildern und sensible Nachweisverfahren standen noch nicht zur Verfügung. Der Autor hat diese Information mit dem Fall einer „giftigen Geheimrätin“ verknüpft. Besorgte Erblasser werden getröstet: Seit der englische Chemiker James Marsh 1836 eine Methode zum Nachweis von Arsen entwickelte, hat diese Mordmethode an Reiz verloren.
Ein Kriminalfall in Schottland fand Eingang in die englische Alltagssprache. „To burke“ heißt jemanden heimlich umbringen, ersticken oder auch etwas vertuschen. William Burke hatte Leichen für das anatomische Studium des Menschen geliefert – und „produziert“ – und fand das eine einträgliche Verdienstmethode. Nach grausigen Mordfällen wurde ein Anatomiegesetz erlassen, das die legale Beschaffung der für die Forschung benötigten Leichen regelte.
Es ist interessant zu verfolgen, wie spektakuläre Kriminalfälle sich sowohl auf die Gesetzgebung als auch in manchen Fällen auf die Politik auswirken. Schurich gelingt hier eine ausgesprochen gut geschriebene Synthese von Spannung, Unterhaltung mit Momentaufnahmen von Politik und Geschichte.
Hexenglauben Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland, Kommissar Zufall, ein moderner Felix Krull und Berlins Al Capone spielen ihre Rolle. Natürlich trifft der Leser auch auf alte Bekannte wie den Hauptmann von Köpenick und Dagobert. Wissen Sie, was ein geborgtes Museumsbeil mit dem „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“, dem Sozialistengesetz, zu tun hat? Neugierige und an Krimis, Kriminellen und Kriminalgeschichte Interessierte kommen in Frank-Rainer Schurichs Kuriositätenlexikon der Kriminalgeschichte voll auf Ihre Kosten. Darauf können Sie Gift nehmen…
Frank-Rainer Schurich: Darauf können Sie Gift nehmen. Kleines Kuriositätenlexikon der Kriminalgeschichte, Bild und Heimat Verlag, Berlin 2013, 96 Seiten, 10,30 Euro.
Schlagwörter: Frank-Rainer Schurich, Kriminalgeschichte, Margit van Ham