16. Jahrgang | Nummer 15 | 22. Juli 2013

Antworten

Friedrich Nietzsche, Auf-den-Punkt-Bringer – Ihr Beitrag zum Wagnerjahr soll der Öffentlichkeit oder doch zumindest der Blättchen-Gemeinde keinesfalls vorenthalten werden: „Dass man sich in Deutschland über Wagner betrügt, fremdet mich nicht. Das Gegentheil würde mich befremden. Die Deutschen haben sich einen Wagner zurecht gemacht, den sie verehren können: sie waren noch nie Psychologen, sie sind damit dankbar, dass sie missverstehn.“

Christine Lieberknecht (CDU), Ministerpräsidentin von Thüringen, die mit dem Füllhorn – Ihr Regierungssprecher Peter Zimmermann (37) wechselt in die Privatwirtschaft. Das kommt immer wieder vor, und dass sich dabei einer schnell noch kräftig selbst bedient, auch. In diesem Fall dank Ihrer mildtätigen Mitwirkung, denn Z. musste seinen Job bei Ihnen nicht etwa kündigen, und auch Sie haben ihn mitnichten vor die Tür gesetzt. In beiden Fällen wären seine Versorgungsansprüche perdu gewesen. Sie haben ihn stattdessen in den einstweiligen Ruhestand versetzt, und der gewährt dem ja allein schon vom Alter her fast schon mit einem schwerwiegenden Vermittlungshemmnis stigmatisierten verdienten Mitarbeiter lebenslange materielle Absicherung: drei Monate volle Staatssekretärsbezüge (9.602,00 Euro), drei Jahre 71,75 Prozent (6.889,00 Euro), danach bis zum seligen Ende mindestens 3.361,00 Euro monatlich. Auch wenn das neue Salär aus der Wirtschaft die Auszahlungssumme mindert – so darf man sich einen goldenen Handschlag vorstellen. Und ein schönes Beispiel für das zu Recht gerühmte soziale Gewissen der CDU ist der Fall allemal.

Edward Snowden, NSA-Enthüller – Die US-Administration will nicht akzeptieren, dass Sie in Russland Asyl beantragt haben und verlangt Ihre Rückkehr: „Er sollte nach Hause kommen und den Mut haben, sich den Anschuldigungen zu stellen”, hat ein Außenamtssprecher dieses Ansinnen geradezu einladend formuliert. Wenn es allerdings Mut ist, sich einer Justiz zu stellen, deren nachgerade faire Urteile in Fällen wie Ihrem – und wir denken hier keinesfalls nur an Ethel und Julius Rosenberg – Legion sind, dann mutet man Ihnen praktisch den Mut zum Selbstmord zu. Der aber wäre wohl eher auf der anderen Seite jenes Ringes einzufordern, in den Sie verdienstvollerweise Ihren Hut geworfen haben.

Soraya Bahgat, ägyptische Frauenrechtlerin – Als Konsequenz eines medial weitgehend unbeachteten „Nebeneffektes“ der jüngsten Demonstrationen auf dem Kairoer Tahrir-Platz haben Sie die Tahrir Bodyguard gegründet, eine Gruppe, die Frauen vor Übergriffen schützt. Nach Ihren Auskünften, so der Guardian, hat es seit der Wiederkehr der Demonstrationen auf dem Platz 169 Fälle gegeben. Allein in einer Nacht seien 80 Frauen inmitten des unübersehbaren Menschengemenges vergewaltigt worden. Gleichgültigkeit gegenüber derartigen Vorkommnissen, erklären Sie, sei nicht spezifisch für die Tahrir-Gegend. Wiewohl im vergangenen Jahr deutlich mehr Menschen begonnen hätten, dagegen Stellung zu beziehen, bleibe sexuelle Belästigung ein akzeptierter Teil des ägyptischen Lebens. 99,3 Prozent der ägyptischen Frauen klagen laut einer im April dieses Jahres veröffentlichten UN-Umfrage über Erfahrungen mit sexueller Belästigung.

Liu Zhijun, Ex-Eisenbahnminister Chinas – Wegen Bestechlichkeit, mit der Sie rund acht Millionen Euro für sich abgezweigt haben, sind Sie vom Zweiten Mittleren Volksgericht in Peking zu einer „Todesstrafe mit Bewährung“ verurteilt worden. Sehen wir von der in unseren Augen etwas merkwürdigen Strafe ab und dabei natürlich zuallererst von deutscher Ablehnung jeglicher Todesstrafe, so wäre die Vorstellung indes doch reizvoll, dass in unserem Rechtsstaat Korruption und Steuerhinterziehung ähnlich abschreckend sanktioniert würden, wie das im Unrechtsstaat China geschieht.

Bushido, nun ja: Künstler – Ihr neuer Titel „Stress ohne Grund“ hat einen Grund für Stress geliefert und ist samt zugehöriger CD auf den Index gesetzt worden, weil der Text als „verrohend, zu Gewalttätigkeiten anreizend, diskriminierend gegen Frauen und Homosexuelle” eingestuft wurde. Deshalb darf die Scheibe nun nur noch an Erwachsene und gewissermaßen unter dem Ladentisch verkauft werden. Denn bei Erwachsenen haben Verrohung, Gewalt und Diskriminierung von Minderheiten bekanntlich keine Chance. Groteske Schildbürgerei? Nein – blanker Ernst deutscher Rechtsstaatlichkeit.

Francesco Schettino, „Costa Concordia“-Katastropfen-Kapitän – Ihr nunmehr verhandelter Fall öffnet womöglich die Tür zu künftig deutlich modernerer Rechtsprechung um ein weiteres epochales Stück. Ihre Verteidiger haben dem Gericht einen Deal vorgeschlagen, bei dem Sie sich gegen ein Schuldeingeständnis Ihre Strafe quasi selbst aussuchen könnten. Wie man hörte, hatten Sie so an drei Jahre und fünf Monate gedacht. Das darf in Anbetracht Ihrer beteuerten Unschuld natürlich als überaus großzügige Geste an die berüchtigte Verurteilungssucht der italienischen Justiz und vor allem der Opfer der von Ihnen herbei geführten Schiffskatastrophe gelten. Die erstere, also die Justiz, verharrt allerdings noch in ihrer nicht minder berüchtigten  Fortschrittsabstinenz und hat den Deal fürs erste abgelehnt.