von Hans-Peter Götz
Ob die in der Berlinischen Galerie gezeigte Ausstellung über künstlerische Fotografie in der DDR (1949-1989) repräsentativ ist, wage ich mit meinem begrenzten Wissen über das Sujet nicht zu beurteilen, und dass eine ganze Reihe der ausgestellten Fotografinnen und Fotografen für mich Neuentdeckungen waren, unterstreicht meinen mangelnden Sachstand. Allerdings sind etliche, sicher nicht nur mir bekannte Namen gar nicht in der Exposition vertreten – wie etwa die jüngst verstorbene Katja Worch (1930-2002) und Günter Bersch (1944-2007), die beide langjährig für die DDR-Zeitschrift „Für Dich“ tätig waren, oder wie Günther Rösler (Jahrgang ’26), einer der Pioniere der Aktfotografie in der DDR. Bei manchen anderen Ausstellungsstücken hingegen war ich – den Vorwurf der Ignoranz in diesem Fall bewusst riskierend – an Kurt Tucholsky erinnert: „Man muß nicht glauben, dass eine Kümmerlichkeit dadurch zur ,Kunst’ wird, daß man sie durch eine verzerrende Glasscheibe fotografiert.“
Zu Recht breiten Raum gewährt die Ausstellung den Arbeiten von Sybille Bergemann (1941-2010) und ihres Mann Arno Fischer (1927-2011). Während diese in der DDR in auflagenstarken Printmedien und Büchern publiziert wurden, blieben insbesondere experimentelle Arbeiten anderer Künstler einer breiteren Öffentlichkeit im Wesentlichen vorenthalten. Über diese zur Entstehungszeit der Arbeiten sehr unterschiedlichen Wirkungsmöglichkeiten und -zusammenhänge erfährt der Besucher der Ausstellung leider wenig bis nichts.
Sehr berührend ist die Wiederbegegnung mit Fotografien von Gundula Schulze Eldowy (Jahrgang ’54) aus ihrer berühmten Serie „Aktporträts. 1983-1986“, die in der DDR mit ihrem ungeschminkten, subversiven Realismus für Furore sorgten. Dazu passend erläutert die Künstlerin in einem Dokumentarfilm der DEFA von 1983 als noch sehr junges Talent mit eindringlicher Ernsthaftigkeit ihr künstlerisches Credo..
Ein Wiedersehen gibt es auch mit Evelyn Richters (Jahrgang ’30) Arbeit „Vor Mattheuers Bild ,Die Ausgezeichnete’“, auf dem die porträtierte Museumsbesucherin in Dresden 1975 der von Mattheuer Gemalten eine Entsprechung in der Realität gibt – eine Fotografie, bei der man versteht, was Arno Fischer – in einem weiteren in der Ausstellung gezeigten Dokumentarfilm – zur Arbeit des Fotografen sagt: Viel schauen und im richtigen Moment auf den Auslöser drücken. Wer das schon einmal versucht und dann doch immer wieder nur „geknipst“ hat, der ahnt die Meisterschaft hinter Fischers Worten, dem im Übrigen mehr Bescheidenheit als Understatement zu eigen war.
Zwar nicht zur künstlerischen Fotografie in der DDR gehören die im Wortsinne schrecklichen Aufnahmen, die der Dresdener Fotograf Richard Peter senior (1895-1977) nach der Bombennacht in Dresden im Februar 1945 aufs Zelluloid bannte. Dass die Ausstellungsmacher dennoch eine Auswahl präsentieren, ist zu würdigen, denn Peters’ Ikonographie war prägend für viele, die ihr Handwerk erst später in der DDR erlernten. Dazu muss man sich in der Ausstellung nur die Arbeiten von Helga Paris (Jahrgang ’38) aus der Industriestadt Halle an der Saale von 1983-1985 ansehen.
Apropos Dokumentarfilme: Insgesamt laufen in einem Séparée, einer Endlosschleife drei – neben den beiden bereits genannten noch ein Triple-Porträt mit Sybille Bergemann, Gundula Schulze Eldowy und Helga Paris aus jüngerer Zeit. Die Vorführung dauert insgesamt über zwei Stunden, aber sie ist jede Minute wert. Insbesondere, was die drei Künstlerinnen, aber auch Arno Fischer über das Leben und Arbeiten in der DDR zu sagen haben und wie souverän, ja nachgerade beiläufig sie dabei mehr als ein unlieb gewordenes Klischee schleifen, das westdeutsche Meinungshoheitler und auch einige Ostdeutsche dem Bewusstsein der Öffentlichkeit nach 1990 oktroyiert haben, das ist nicht nur interessant, sondern auch höchst erfrischend.
„Geschlossene Gesellschaft. Künstlerische Fotografie in der DDR 1949-1989“. Berlinische Galerie, Alte Jakobstraße 124, 10969 Berlin-Kreuzberg; Montag, Mittwoch-Sonntag 10:00-18:00 Uhr, Dienstag geschlossen – noch bis 28. Januar 2013; Eintritt: 8,- Euro, ermäßigt 5,- Euro, bis 18 Jahre frei.
Schlagwörter: DDR, Fotografie, Hans-Peter Goetz