15. Jahrgang | Nummer 23 | 12. November 2012

Friedrich II. – das Jubiläumsjahr neigt sich dem Ende

von Michaela Klingberg

Das laufende Jubeljahr für den Preußenkönig Friedrich II. bot dem geneigten Interessenten reichlich Auswahl zur Teilnahme an diversen Feierlichkeiten. Vom barocken Reiterspektakel in Sanssouci über einen ZDF-Fernsehgottesdienst aus Anlass des 300. Geburtstages des Monarchen bis hin zu diversen Ausstellungen zu Friedrich im Film, Friedrich und der Kartoffel, Friedrich und Rheinsberg und und und. Den interessantesten Beitrag lieferte die Jubiläumsausstellung „Friederisiko“ der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten im Neuen Palais in Potsdam, die Friedrich „heruntergeholt vom Sockel, aber nicht entzaubert“ zeigt und einen Einblick in sein Leben ohne die Mythisierung, die bereits zu seinen Lebzeiten begann, gibt (siehe DAS BLÄTTCHEN 10/2012).
Eine ähnliche Mythisierung widerfuhr auch seiner Gegenspielerin aus dem Hause Habsburg – Maria Theresia. Die 1717 geborene Erzherzogin von Österreich bestieg im Jahr 1740 ebenso den Thron wie ihr Widersacher und wird in fünf Jahren wohl die Österreicher zu ähnlich großen Feierlichkeiten animieren. Die Monarchin sah es als ihre Aufgabe an, den Großmachtstatus ihrer Dynastie zu verteidigen und so lehnte sie kurz nach dem Machtantritt auch Friedrichs Ansinnen, die Abtretung Niederschlesiens, ab. Geboten hatte Friedrich ein Bündnis gegen Österreichs Feinde sowie zwei Millionen Taler und die Unterstützung der Bewerbung um die Kaiserkrone für Franz I. Stephan, den Gemahl der Monarchin. Daraufhin marschierte Friedrich mit seinen Truppen am 16. Dezember 1740 in Schlesien ein, wo ihn der protestantische Teil der Bevölkerung als Befreier begrüßte und auch die Katholiken zufrieden waren, da der Monarch volle Religionsfreiheit versprach und auch praktizierte. Österreich erlitt eine Niederlage. Übrigens beauftragte Friedrich II. 1747 Johann Boumann d.Ä. mit dem Bau der 26 Jahre später auf den Namen der Heiligen Hedwig geweihten Kirche in Berlin, die das gewonnene Schlesien und dessen weitgehend katholische Bevölkerung dauerhaft an Preußen binden sollte.
Interessant wäre der weitere Verlauf der Geschichte gewesen, so Friedrich II. Maria Theresia geehelicht hätte und nicht die von ihm ungewünschte Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern. Zu seiner Braut hatte sich Friedrich II. bereits 1732, ein Jahr vor seiner Hochzeit, deutlich geäußert: „Sie ist weder hübsch noch häßlich, nicht ohne Verstand, aber sehr schlecht erzogen, schüchtern und ohne irgend welche rechte Lebensart…“. Angeblich hatte der Monarch gegenüber General Friedrich Wilhelm von Grumbkow bemerkt, „eine Vermählung mit Maria Theresia sei durchaus in seinem Sinne“. Möglicherweise wäre Friedrich dann bereits 1740, nach dem Tod seines Patenonkels und Vaters von Maria Theresia, zum römisch-deutscher Kaiser gekrönt worden. Eine Hochzeit der beiden späteren Widersacher hätte die Machtverhältnisse in Europa verändert. Wahrscheinlich wären einige Kriege wie beispielsweise der preußisch-österreichische Krieg (1866) und der deutsch-französische Krieg (1870) vermieden worden.
So aber ließ die Revanche Österreichs nicht lange auf sich warten. Maria Theresia wollte Schlesien auf jeden Fall zurückerobern. Die Habsburgerin verbündete sich mit Madame de Pompadour, der Mätresse des französischen Königs Ludwig XV. und Elisabeth I., der Zarin von Russland. Friedrich nannte die drei Damen die „Erzhuren Europas“. Zu deren Bündnis gesellte sich noch Sachsen. Sie alle wollten den „Attila des Nordens“ in die Schranken weisen. Als Friedrich im August 1756 Sachsen überfiel, begann der Siebenjährige Krieg. Trotz einer Niederlage der französischen Truppen in der Schlacht bei Roßbach beharrte Madame Pompadour auf der Fortsetzung des Krieges. Gelang Friedrich II. 1757 dank der schiefen Schlachtordnung, die ihm den Ruf des genialen Feldherren einbrachte, noch ein Sieg gegen die Österreicher – 39.000 Preußen standen 66.000 Österreicher gegenüber – folgten danach schwere Niederlagen. Die Schlacht bei Kunersdorf im August 1759 endete katastrophal. Preußen stand einer dreifachen Übermacht von Österreichern und Russen gegenüber, von 48.000 preußischen Soldaten überlebten lediglich 3.000. Friedrich wurde von einer Kugel getroffen. Dank seiner Tabakdose bleib er aber unverletzt. Unter dem Eindruck der Niederlage soll er gar darüber sinniert haben, sich mit Opiumpillen das Leben zu nehmen. „Mein Unglück war, dass ich noch lebte“, so der Monarch. „Ich glaube, alles ist nun verloren. Ich werde den Untergang meines Vaterlandes nicht überleben.“ Er überlebte. Als die russische Zarin Elisabeth 1762 starb, kam Maria Theresia ein wichtiger Bündnispartner abhanden, da Zar Peter III. ein Bewunderer Friedrichs war und so kam es 1762 zum Friedensschluss mit Russland. Die gegnerische Koalition zerbrach, der Krieg endete 1763.
Auch Maria Theresia ereilte das Schicksal zahlreicher Staatsoberhäupter. Bei ihrem Tod wurde sie vom Volk nur wenig betrauert, entwickelte sich im Lauf der Geschichte aber dennoch zum Mythos mit wechselnden Schwerpunkten. Zunächst als positives Gegenbild zu Friedrich II. platziert, folgte um 1900 der Mythos der nährenden, betreuenden und sich sorgenden Mutter. Die Monarchin, die 16 Kinder gebar, wurde dann im Konflikt mit dem Deutschen Reich als Österreicherin und nach dem „Anschluss“ als Deutsche und „Reichshausfrau“ erinnert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie erneut zu einer Integrationsfigur Österreichs. Heute ist sie „allerdings fast nur mehr Staffage – etwa als Hintergrundbild nach der Angelobung einer neuen Regierung“, wie es in einer Rezension für das lesenswerte Buch „Maria Theresia. Ein europäischer Mythos“ von Werner Telesko heißt.
Auch um den Preußenkönig ranken sich zahlreiche Mythen und das Bild Friedrich II. wurde den jeweiligen zeitlichen Bedürfnissen angepasst. Im Vormärz galt er als aufgeklärter Herrscher, zur Zeit des I. Weltkriegs wurde er aufgrund der Erfahrungen aus dem Siebenjährigen Krieg zum nationalen Symbol, in der Weimarer Zeit wurde er als Vertreter einer festen Ordnung gefeiert. Hitler betrieb seinen eigenen Friedrich-Kult und sah sich als legitimen Nachfolger und Vollender von Friedrichs Eroberungsprojekt – was wiederum zur negativen Beurteilung in beiden deutschen Staaten nach dem Ende des Krieges beitrug. Anfang der 1980er Jahre kam es aber selbst in der DDR zu einer Preußenrenaissance. Nach der Rückkehr des Reiterdenkmals Friedrich II. 1980 auf den Boulevard Unter den Linden wurde auch das Denkmal des Freiherrn vom Stein fast in Sichtweite des Königs wieder aufgestellt. Zum 200.Todestag 1986 folgte eine viel beachtete Ausstellung über den „Philosophen von Sanssouci” im Potsdamer Neuen Palais.
Aber auch in Westdeutschland hatte es Friedrich nicht einfach. Noch 1986 schrieb Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein von einem „zum Bösen geneigten und zum Bösen geprügelten Glücksprinzen und Schmerzensmann“. Den Titel seiner Zeitschrift zierte eine aufgesprungene Friedrich-Büste, aus der Hitler herauskam. Für viele symbolisiert Friedrich bis heute den preußischen Militarismus, doch spätestens seit der Rückführung des Leichnams 1991 nach Sanssouci dominiert wieder die positive Deutung.
Die wurde in diesem „Themenjahr“ mit viel Aufwand verstärkt, sozusagen ein „Friedrich für alle“ – auch für die Sachsen und die Bayern – zusammengeschustert. Ansonsten ist in der Nachschau außer Spesen nichts gewesen.