15. Jahrgang | Nummer 13 | 25. Juni 2012

Antworten

Hannes Wader, Vielgeliebter – Zumindest wer Ihrer Generation angehört und nicht eben konservativ vernagelt ist, konnte wohl kaum ohne Ihre Lieder gelebt haben. Die Kunstform des „Liedermachens“ ist für und durch Sie zu jenem Adel gekommen, den sie verdient und von dem man nur hoffen kann, dass sie mit Ihnen, Reinhard Mey und Konstantin Wecker nicht verlorengehen wird. Wie Konstatin Wecker soeben sind auch Sie nun 70 geworden. Unseren Dank, unseren Respekt und unseren herzlichen Glückwunsch!

Sylvia Koppelberg, Guteratgeberin der IG Metall – In der Mai-Ausgabe der Metallzeitung weisen Sie die Kollegen völlig zu Recht auf die Gefahren des Internets hin, da deutsche Personalchefs mit wachsender Leidenschaft ihre Nasen nun in jede, aber auch jede Ritze des Privatlebens von Bewerberinnen und Bewerbern stecken. Nur zustimmen können wir daher Ihrem Rat: „Man sollte sich immer genau überlegen, was man im Internet von sich preisgibt.“ Pures Entsetzen schüttelt uns allerdings, wenn ausgerechnet eine Berufskollegin meint, dass man Meinungen „nicht unter dem echten Namen …, sondern unter einem erfundenen“ verbreiten solle. Heißen Sie wirklich Koppelberg?

Joachim Gauck, Wunschdenker – Als Bundespräsident haben Sie soeben die Bundeswehr mit viel Pathos gewürdigt, deren Einsätze im Ausland inklusive. In diesem längst auch heftig kritisierten Exkurs haben Sie dabei den Mut der Bundeswehrangehörigen als vorbildlich gewürdigt und ihnen den Beinamen „Mutbürger“ verliehen. Sehen wir mal davon ab, dass Sie vor gar nicht langer Zeit protestierende Zeitgenossen, die so genannten „Wutbürger“, lächerlich gemacht und diskreditiert haben, so sollte selbst Ihnen klar sein, dass 90 Prozent der hauptamtlichen Bundeswehrangehörigen bei der Truppe sind, um dort ein berufliches wie finanzielles Auskommen und zu haben und nicht hehrer Ideale wegen auf vergleichbar Ziviles verzichten. Das ist nicht einmal zu kritisieren, entzieht sich aber einer Heroisierung wie der Ihren ebenso, wie dies einst mit der Begrifflichkeit des „Ehrendienstes“ bei der NVA der Fall war – so viel Menschenkenntnis sollte einem Jünger des großen Menschenfischers eigen sein.

Burkhart von Braunbehrens, Mit-Gesellschafter von Krauss-Maffei – Wie viel oder wenig vom Ideal des „Ehrbaren Kaufmanns“ heutzutage noch übrig ist, soll hier nicht erörtert werden. Umso mehr darauf hingewiesen, dass Sie – zugehörig einer der fünf Gesellschafter-Familien der deutschen Waffenschmiede – den 600-bis-800-Panzer-Export nach Saudi Arabien ablehnen, da dieser „ein unmögliches Signal“ wäre. In einer Zeit, da die arabische Revolution als große Hoffnung begrüßt wird, Panzer nach Saudi-Arabien zu liefern, wäre Wahnsinn, haben Sie zutreffend angemerkt. Ihre Familie sei entsetzt gewesen, als im März 2011 saudische Panzer im Nachbarland Bahrain eingerollt seien und die Demokratiebewegung niedergeschlagen habe. Unvorstellbar, wenn – zumal bei einem winkenden Umsatz von rund zehn Milliarden Euro – so viel Ethik allgemeiner Standard deutschen Wirtschafts- und Finanzmarktlebens wäre; der „Ehrbare Kaufmann” könnte am Ende fröhliche Urständ feiern. Aber soweit wird es nicht kommen, da sind wir einigermaßen sicher.

Reinhard Achenbach, evangelischer Theologe der Universität Münster Ihnen und Ihrem Team ist es gelungen, die 3000 Jahre alte Inschrift einer Tontafel zu rekonstruieren und zu entziffern, die 2008 nahe Jerusalem gefunden worden war. Wie wir jetzt wissen, handelt es sich um die Schreibübung eines Schülers, zu der auch folgender Satz gehört: „Schaffe Recht dem Sklaven und der Witwe, schaffe Recht der Waisen und dem Fremden! Verteidige das Recht des Unmündigen, verteidige das Recht des Armen!“ Nicht auszudenken, wenn solch ein Satz zur Maxime heutiger Sozialpolitik würde.

Dirk Niebel, Ministerdarsteller – Ihnen wird medial mit Verve vorgeworfen, einen in Afghanistan gekauften Teppich auf Staatskosten nach Berlin transportiert zu haben. Wir halten die Schelte für überzogen, wissen wir doch alle, dass es im Orient nur durch den Erwerb von – zum Beispiel und vor allem – Teppichen möglich ist, sich aus der Umzingelung der einschlägigen Händler freizukaufen. Was Sie getan haben, war also Notwehr und dies im Dienste Deutschlands, in das Sie ungünstigstenfalls ja auch in einem solchen Teppich eingewickelt hätten zurückkommen können. Und dann hätte unserem Land wirklich etwas gefehlt; bis zur nächsten Ausgabe haben wir vielleicht schon ermitteln können, was dies hätte sein können.

Werner Reckziegel, engagierter ND-Leser – Sie haben in einem Leserbrief jener ND-Kolumne zugestimmt, die da verlautbar hatte: „Eine linke Partei, die nicht nur eine vorübergehende Marktlücke im Konzert der kapitalismus-fixierten Konkurrenz füllen will, muss zwei Dinge zusammenbringen: Radikalität des Denkens und Realismus des Handelns!“ Sie ergänzen das so: Meine Interpretation: Also nicht kapitalismuskritische Fundamentalopposition oder Pragmatismus in Strategie und Taktik, sondern aus dem ersten heraus auch das Zweite! Wenn wir nur sehen, was wir wollen, statt immer auch zu berücksichtigen, was wir können, bleiben wir eine nur visionär-illusionistische Partei! Wenn wir nicht erkennen, wer potenziell mit uns ein antibürgerliches Bündnis schmieden kann und muss, bleiben wir eine „Avantgarde“ mit immer weniger wirklich glaubwürdigem Einfluss. Ob die Linke aus diesem – übrigens seit über 100 Jahren währenden – Dilemma parteilich organisierter Linker hinausfindet, bleibt abzuwarten; immerhin stirbt die Hoffnung zuletzt.

Margaret Farley, katholische Sexrebellin  „Einfach Liebe. Leitlinien für christliche Sexualethik“, haben Sie ein Buch getitelt, mit dem Sie sich den – gewiss heiligen – Zorn des Vatikans samt Pontifex zugezogen haben. Rechtfertigen Sie doch unter anderem Masturbation, homosexuelle Partnerschaften und Scheidungen. Dass der Vatikan samt Pontifex „not amused“ sind, ist wenig verwunderlich. Inwieweit er Sie das neben der bereits ergangenen Untersagung, dieses Buch für den katholischen Lehrbetrieb zu benutzen, noch des Weiteren spüren lässt, bleibt mit Interesse abzuwarten.

Thomas Bernhard, beneidenswert Rücksichtsloser – zu Ihren Lebzeiten noch haben Sie über den Zorn als unentbehrliches Moment gesellschaftlicher Entwicklung gesprochen und dabei etwas angemerkt, dem wir nichts hinzuzufügen haben: „In Zeiten ohne Zorn, in Zeiten, in welchen der Zorn unterdrückt werden kann, in welchen er nicht zu seinen natürlichen Rechten kommt, tritt immer eine verheerende Verwahrlosung ein und alles wird mit der Zeit, die zum Zorn nicht fähig ist, ekelerregend und überall ist es faul und die Fäulnis und die Faulheit breiten sich aus wie die älteste aller Seuchen. Ohne Zorn und in der Unfähigkeit des Zorns ist die Welt voller Ekel und das Schicksal der Welt und das Schicksal der Menschen ein ekelhaftes, bodenlos abgewertet.“