14. Jahrgang | Nummer 24 | 28. November 2011

Antworten

Wolfgang Brauer, MdL-Linker im Berliner Abgeordnetenhaus und Blättchen-Redakteur – Wie es um das Selbstbewusstsein zeitgenössischer deutscher Nazis steht, lässt sich derzeit auch an Ihrem Namen festmachen. Statt dass dieses Pack angesichts der gesellschaftlichen Empörung über die Mordserie des sächsischen Nazi-Trios zumindest zeitweise den Schwanz einzieht, fühlt es sich eher ermutigt. Sie und weitere linke MdL´s haben dies nun dadurch erfahren dürfen, dass Ihnen anonymisierte (na klar doch) Morddrohungen zugegangen sind. Nun sind wir sicher, dass Sie sich dadurch weder von Ihrer Haltung abbringen lassen noch davon, diese zu leben. Als weiteres Indiz dafür, wohin hierzulande die Reise gehen kann, wenn die Gesellschaft nicht endlich radikal auf Verfassungsfeinde reagiert und die Radikalen sich immer mehr Lufthoheit erobern, nehmen wir’s aber allemal sehr ernst.

Michael Roth, Leserbriefschreiber – In einer Zuschrift an den Spiegel zu dessen kürzlicher Titelgeschichte „Die Braune Armeefraktion – Die unheimlichen Bekenntnisse einer rechtsradikalen Terrortruppe“ merkten Sie an: „Wenn sich auch nur ein Hauch dessen bewahrheitet, was diese Geschichte erahnen lässt, dann benötigt die Verfassung einen Schutz vor dem Verfassungsschutz.“ Damit haben Sie zweifelsohne ins Braune, äh, Schwarze getroffen. Stellt sich unsererseits die Frage, ob angesichts jüngster und früherer Erkenntnisse die Verfassung nicht am Besten durch eine Abschaffung des Verfassungsschutzes zu schützen wäre.

Matthias Döpfner, Springer-Chef – Auf Seite 167 Ihres gerade erschienenen Buches „Die Freiheitsfalle“ heißt es mit Blick auf den Finanzcrash von 2008: „Die Freiheit zum unbegrenzten Gewinn geht einher mit der Freiheit zum unbegrenzten Verlust. Es kann eben nicht sein, dass Gewinne Privatsache sind, Verluste hingegen Staatsangelegenheit.“ Da ist Ihnen nicht zu widersprechen. Leider jedoch hat sich an der zu beklagenden Dichotomie von privatisierten Gewinnen und sozialisierten Verlusten von 2008 bis heute noch nichts Wesentliches geändert. Hat’s die Politik immer noch nicht verstanden? Das liegt vielleicht nicht zuletzt daran, dass man dergleichen Zutreffendes zu selten in Mainstreammedien, auch des Hauses Springer, liest – insbesondere nicht in jenem Blatte, mit dem sich ein Teil des deutschen Volkes seine Meinung BILDet. Aber das ist natürlich nur eine Vermutung.

Thomas de Maizière, Spezialist für Mogelpackungen – „Abzug von 1.000 Soldaten aus Afghanistan bis 2013“, so oder ähnlich lauteten kürzlich die Schlagzeilen. Ein Blick hinter die Zeilen dessen allerdings, was Ihr Haus da zu Papier gebracht hatte, ist mehr als ernüchternd. Denn zunächst passiert eigentlich nichts. Bis Anfang 2012 sind lediglich 450 Soldaten und Soldatinnen betroffen. Davon 350, die gar nicht am Hindukusch sind, weil sie zur flexiblen Reserve gehören. Und auch die 100 betroffenen Awacs-Soldaten sind ein Rosstäuschertrick, denn deren Aufgabe übernimmt planmäßig sowieso afghanisches Bodenradar. Fazit: In den nächsten 12 Monaten wird wohl kein einziger Soldat abgezogen, der nicht entweder überflüssig oder überhaupt nicht da ist. Was diese Trickserei im Hinblick auf den von der Bundesregierung verkündeten Gesamtabzug der Bundeswehr bis 2014 bedeuten könnte, wollen wir uns an dieser Stelle noch gar nicht ausmalen.

Claudius Seidl, Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung – Sie schrieben kürzlich in der FAZ: „Der Staat, sagen jetzt die Banker, sei ein schlechter Banker: Man darf ihm nicht die Kontrolle überlassen. Kann schon sein, ist vermutlich richtig. Aber wer in den vergangenen drei, vier Jahren aufmerksam war; und erst recht, wer betroffen war, weil er sich, in Deutschland, womöglich jenen Schrott hat aufschwatzen lassen, der im Jargon der Banker ‚innovatives Finanzprodukt’ hieß […]: Der weiß heute, dass auch die Banker verdammt schlechte Banker sind.“ Wir vermissen an dieser Stelle allerdings die Fortführung des Gedankenganges – nämlich dahin gehend, dass die Politiker womöglich noch schlechtere Banker sind, denn sie haben die eigentlichen schlechten Banker seit dem Crash von 2008 im Wesentlichen unbehelligt weitermachen lassen. Und die wahrscheinlich schlechtesten Banker überhaupt sind die Wähler, die die betroffenen Politiker trotzdem wieder gewählt haben. Schlechte Banker – wohin man auch schaut. Wo kann da noch der Schlüssel zur Lösung der Krise liegen? Vielleicht in einem aufgeklärten Absolutismus. Allerdings unter zwei Bedingungen: Die Frau / der Mann an der Spitze darf kein Banker sein, und Rating-Agenturen dürfen nicht einmal mehr das Datum oder die Zeit ansagen.

Karl-Josef Laumann, Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels – Dem Vernehmen nach haben Sie „gereizt“ auf den – gelungenen – Versuch Angela Merkels reagiert, den Mindestlohn zu einer unverbindlichen Lachnummer umzurubeln, die mit dem, was man sich hierzulande davon verspricht, so gar nichts mehr zu tun hat, wie Sie ausdrücklich bestätigen. Sie erinnern unsereinen an jene vielfältigen Situationen, in denen man als gutwilliger Parteigänger in der DDR erfahren musste, mit welcher Kaltschnäuzigkeit seitens der Führung relevante gesellschaftspolitische Wünsche und Forderungen begraben oder per definitionem ins Gegenteil verkehrt wurden – und: dass man dies mit bestenfalls in der Tasche geballter Faust – „im Dienste der Sache“ hinnahm. Aber immerhin behielt, wer dies präferierte, seinen Posten. Sie auch, oder schmeißen Sie einfach mal hin und lassen verlauten, dass Sie nicht mehr mitspielen?

Wolfgang Herndorf, Schriftsteller – Nach Ihrem im vergangenen Jahr gefeierten Erstling „Tschick“, einem Jugendbuch, haben Sie mit „Sand“ gerade einen – wie die Kritik schrieb – „perfekten Thriller“ vorgelegt. Zum Papstbesuch im vergangenen September hieß es auf Ihrem Blog: „Dass eine Gesellschaft es sich leisten kann, eine Millionenstadt einen Tag lang lahmlegen zu lassen durch den Besuch eines Mannes, der eine dem Glauben an den Osterhasen vergleichbare Ideenkonstruktion als für erwachsene Menschen angemessene Weltanschauung betrachtet, ist erstaunlich. Und herzlichen Dank. In hundert Jahren kennt dich kein Mensch mehr, römischer Irrer. Mich schon. – Wie Manie und Größenwahn sich zuverlässig zurückmelden, wenn mir der Arsch auf Grundeis geht.“ Letzteres bezieht sich darauf, dass Sie seit Februar 2010 mit der Diagnose bösartiger Hirntumor konfrontiert sind und medizinisch bereits als Langzeitüberlebender gelten. Wir wünschen Ihnen, dass Sie der Statistik Ihrer Erkrankung noch möglichst lange ein Schnippchen schlagen.

Siegfried Jacobsohn, Gründer und Herausgeber der Schaubühne und der Weltbühne – In der DDR, wenn auch final vergeblich, hieß es: „Erfolg muss organisiert werden!“ Sie huldigten offenbar auch schon diesem Motto. Unter dem 27. August 1922 schrieben Sie an Kurt Tucholsky über dessen Gedicht „Ein Chanson“, das für die Weltbühnen-Ausgabe vom 7. September vorgesehen war: „Aber erstens gefällt mir der Titel nicht, und zweitens täte ein aktuelleres Gedicht der Nummer gut, damit Sie nicht wieder fluchen, wie unberührt vom Geist der Zeit […] ich unfähiger Redakteur Sie gehal­ten habe. ,Ein Chanson‘ ist Petit 1/4 46 Zeilen, also genau 1 Sei­te lang. So lang müßte auch der Ersatz sein, also Petit 1/8 52, Petit compress 59 Zeilen, Zwischenräume und Titel immer mitgerechnet. Natürlich kann es zwischen 46 und 59 Zeilen jede beliebige Länge haben. Die Hauptsache ist, daß es sofort gedichtet wird und Freitag früh hier eintrifft.“ Und tatsächlich – in der Ausgabe vom 7. September findet kein „[…] Chanson“, dafür „Die Mühle“ von Theobald Tiger.

Volker Kauder, Agent provocateur der CDU Man muss Sie ja nun nicht für einen Geistesriesen halten, aber dass es unbewusste Dummheit war, die Sie zur CDU-parteitaglichen Emphase verleitet hat, dass „Europa jetzt Deutsch spricht“ – nein, so dumm sind Sie nicht. Dann also Kalkül? Ein Kalkül, das Uwe-Karsten Heye, Ex-Regierungssprecher bei Schröder und nun der Chef des Vereins „Gesicht zeigen!“, zum Beispiel so charakterisiert: „Es ist auf jeden Fall bestürzend, mit welcher Fahrlässigkeit Teile dieser Bundesregierung mit der europäischen Idee umgehen. Dieser Rückfall in nationale Egoismen spielt dabei eine große Rolle. Ich finde es oft völlig unangemessen und ohne Rücksicht auf die eigene Geschichte, wie da südeuropäische Länder behandelt werden – und mit welchem Gestus der Überlegenheit das gemacht wird. Dieses Denken findet sich in der Tat auch bei rechtsradikalen Gruppen. Ich finde, man muss den Schatz eines grenzenlosen Europas hüten und sich jede Art von neo-nationalistischen Rückfällen verbieten.“
Dem haben wir nichts hinzuzufügen.

Matt Andrejczak, Nachrichtenverbreiter bei Dow Jones – Danke, guter Mann, Sie haben mit ihrer Nachricht unsere Hoffnung auf Licht am Ende des Tunnels wieder aufleben lassen. „Tolle Neuigkeiten für Dividendenanleger“, lautet ihre frohe Botschaft kurz vor Weihnachten: „Ihr kriegt dieses Jahr einen fetten Zahltag.“ Nun sind damit freilich nicht wir alle, nicht mal alle Amerikaner gemeint, Dividendenanleger muss schon sein, wer ob dieser Nachricht seine Freude ausleben will. Aber geschult zu mitmenschlicher und zumal gratulierender Anteilnahme, freuen wir uns neidlos mit den von Ihnen Gemeinten. Dass ein unbelehrbares Redaktionsmitglied Aktienbesitzer als ebenso kriminelle Spekulanten bezeichnet wie Aktienausgeber, erwähnen wir hier lediglich distinguiert am Rande.

Klaus Blessing, ND-Autor – Unser Anliegen ist – wir wissen es – diffizil: Begriffe können gewiss nichts dafür, für welchen Geist und damit für welche Zwecke sie eingesetzt werden. Aber sie haben – ob verdient oder nicht – einen bestimmten Hautgout. Und so sind wir einigermaßen erstaunt, dass nun grade im ND der Begriff der Plutokratie“fröhliche Urständ feiert. Insofern Plutokratie eine Herrschaftsform bezeichnet, in der Herrschaft durch Vermögen legitimiert wird, ist dieser Begriff heute ganz sicher nicht fehl am Platze. Indes: Dies war auch eine der Lieblingsvokabeln der Nazis, Goebbels allen voran. Keine Ahnung, warum wir drauf kommen, aber: Ließe sich nicht locker und allemal verständlich auch heute beschreiben, was Plutokratie meint, ohne sich diesen Begriff zu Eigen zu machen? Sollten Sie sich möglicherweise bald durch Leute unterstützt fühlen, die ganz gewiss nicht die Ihren sind, dürften Sie sich anderenfalls nicht wundern.

Stefan Gruhner, Landesvorsitzender der Jungen Union (JU) Thüringen Es könne doch nicht sein, „daß T-Shirts mit FDJ-Emblemen oder Hammer und Sichel in einer demokratischen Gesellschaft toleriert werden“, haben Sie jenen Antrag Ihres Jugendklubs vehementiert, der beim jüngsten CDU-Bundesparteitag für das Verbot von DDR-Symbolen, einschließlich Rotkäppchen-Sekt, Spee und Burger Knäckebrot,  fordern sollte. „Das muss im Sinne der wehrhaften Demokratie aufhören und unter Strafe gestellt werden“, haben Sie markig geschlussfolgert, ums sich dann sicher unverzüglich jener Bräune zuzuwenden, die unter jungen Menschen Thüringens nicht erst aktenkundig ist, seit die „Kameradschaft Jena“ einen medialen Namen hat. Dass Sie erst 27 sind, ist Ihnen nun nicht vorzuwerfen. Auch nicht, dass pubertäre Einfalt Ihre Zeit braucht, bis sie sich – vielleicht – wieder legt. Aber selbst wenn letzteres nicht geschieht, sagen wir Ihnen eine große parteipolitische Zukunft voraus. Denken Sie an Ihren Vorgänger Philipp Mißfelder, der sich einst mit der gesundheitspoltischen Feststellung und zugleich Forderung „Ich halte nichts davon, wenn 85-Jährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen“ unsterblich gemacht hatte. Mißfelder ist heute Präsidiumsmitglied der CDU und MdB. Sind das Aussichten?!