von Bernhard Romeike
Jeder Präsident der USA beeinflusst die Welt auf seine Weise. Aktuell ist auf eine neuere Publikation zu Obama zu verweisen, die sich gut zwei Jahre nach Beginn der Präsidentschaft von Barack Obama zuallererst die Frage stellt, ob die USA und ihre Entwicklung mit den Anforderungen an eine friedliche Welt im 21. Jahrhundert in Einklang zu bringen sind. Das Ergebnis fällt ambivalent aus, und für jene, die das Versprechen „Yes, we can!“ ernst genommen haben, eher enttäuschend. Ein Imperium zu regieren, ist offenbar nicht möglich, ohne dessen innerer Logik zu folgen.
Durch seine offensive Sympathie-Werbung während der ersten Phase seiner Präsidentschaft hat Barack Obama auf der politisch-diplomatischen Ebene international atmosphärisch vieles zugunsten der USA verbessert, manches, wie bezüglich der strategischen Rüstungen im Verhältnis zu Russland, auch in der Sache. Doch gleichzeitig wurde der Rüstungshaushalt der USA weiter gesteigert, wurde der Afghanistankrieg nicht nur fortgesetzt, sondern intensiviert, wurden die Weichen zur qualitativen Weiterentwicklung der US-amerikanischen Atomwaffen gestellt und ist in Sachen Iran „die militärische Karte nicht vom Tisch“. Auf der anderen Seite setzen sich die schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen in den USA fort. Die Arbeitslosigkeit ist anhaltend hoch, massenhaft sind weiter Hausbesitzer zahlungsunfähig, die Bankenkrise treibt neuerlich Spekulationsblasen. Dies gehört zu dem politischen Hintergrund für die Tea Party Bewegung und den Kulturkampf in der innenpolitischen Szenerie der USA. Hinzu kommt, dass diese Leute nicht die konservativen Republikaner und die abenteuerliche Kriegspolitik von Bush II für den weltpolitischen Abstieg der USA verantwortlich machen, sondern Obama, der sich ja gerade bemüht, diesen Anpassungsprozess so flexibel wie möglich zu gestalten. Der Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Kapazität, militärischer Macht und weltpolitischer Rolle der USA bleibt ein zentrales Problem der internationalen Politik im ersten Viertel des 21. Jahrhunderts. Mit anderen Worten: Gelingt es, den welthistorischen Abstieg der USA von der „unipolaren“ Supermacht zu einer Macht unter anderen so zu gestalten, dass nicht weitere Kriege und Kriegsgefahren entstehen? Oder werden die innere Krise, die Entwicklung der Rechtskräfte und die innere Reformunfähigkeit die USA zum Problemfall Nr. 1 in der internationalen Politik machen?
Präsident Obama versucht der Herausforderung zu begegnen, indem er nicht keine, sondern eine andere imperiale Politik macht. Die Bezeichnung „liberaler Imperialismus“ ist dafür offensichtlich angemessen. Für die Obama-Administration war beispielsweise hinsichtlich der Beteiligung an dem Libyen-Krieg des Westens wichtig, dass es einen Beschluss des UNO-Sicherheitsrates gab. Sie wollte nicht wie Bush II als das Völkerrecht brechender Interventionist dastehen. Der liberale Imperialismus interveniert nicht frech über das Völkerrecht hinweg, sondern nur für das Gute in der Welt, für Demokratie und Menschenrechte. Das macht es dem liberalen Imperialismus im Unterschied zum rechten Imperialismus der USA einerseits schwerer – er muss mehr diplomatisch arbeiten, seine Schritte geschickter und mit mehr intellektuellem Aufwand ideologisch und politisch vorbereiten – und andererseits leichter, einen Krieg zu führen. Dem plumpen und oft einfältig erscheinenden Bush sah man die Frechheit und die Lüge beim Krieganzetteln schon von weitem an. Im Ausland hatte das regelmäßig Massendemonstrationen gegen ihn zur Folge, wo immer er auftauchte, während der charmante und kluge Obama den Eindruck zu erwecken versteht, als ginge es tatsächlich um Freiheit und Menschenrechte. Viele linksliberale, das Gute in der Welt wünschende Menschen nehmen ihm das ab.
Damit ist der liberale Imperialismus aber nicht unbedingt besser. Im Wahlkampf hatte Obama erklärt, dass er die extra-legalen Formen der Kriegsführung abschaffen wolle: keine Entführung vermeintlicher Terroristen mehr irgendwo in der Welt und deren Verfrachten zum Auftragsfoltern in Drittländer; Schließung des Sondergefängnisses in Guantanamo und Überstellung der dort Inhaftierten zu ordentlichen Gerichten mit Beweisaufnahme, rechtsförmiger Anklage und Verteidigungsrecht. Guantanamo gibt es aber immer noch. Inzwischen hat Präsident Obama den Befehl zum Einsatz von Drohnen (unbemannten bewaffneten Flugkörpern) gegen Personen gegeben, die angeblich Terroristen oder Befehlshaber von Terroristen sind. Das geschah zunächst in Pakistan, Afghanistan und Jemen. Im Libyen-Krieg sollte dann auch Gaddafi auf diesem Wege liquidiert werden. Ein solcher Drohneneinsatz ist die Anweisung zum Mord von Staats wegen, unter Auslassung aller Formen von Rechtsstaatlichkeit: der Ermordete ist dann tot, ohne dass er auch nur den Hauch einer Chance hatte, vor Gericht seine Unschuld zu beweisen oder die Anklage die Verpflichtung, den Nachweis seiner Schuld zu führen. Die Erschießung Osama bin Ladens war ein jüngster Präzedenzfall für derartige Praxis.
Die Kongresswahlen und die Wahl der Gouverneure in mehr als dreißig Bundesstaaten am 2. November 2010 haben zu einer Verschiebung der innerpolitischen Machtstrukturen zu Ungunsten von Barack Obama und der Demokratischen Partei geführt. Die Machtverschiebungen fanden wie bei keinem anderen innenpolitischen Ereignis zuvor seit langem besondere Aufmerksamkeit in der internationalen Öffentlichkeit, einschließlich in den linken beziehungsweise linksliberalen Strömungen vieler Länder. Mit einem gewissen Maß an Besorgnis wurde in den Massenmedien die Frage aufgeworfen, warum das „Projekt Obama“ für eine Erneuerung Amerikas, das zu dem grandiosen Wahlsieg der Demokraten 2008 beitrug, nach bereits 24 Monaten an innenpolitischer Unterstützung verlor. Vor allem gemessen an den großen Erwartungen, die mit der Wahl Obamas verbunden wurden, wog dieses Wahlergebnis um so schwerer. Ist er wirklich der Erneuerer, der das Konzept eines „New Deal“ wieder mit Leben zu erfüllen vermag, oder hat er mehr versprochen, als er je leisten will oder kann? Das bleibt eine Kernfrage der internationalen Politik, mindestens bis zu den Präsidentenwahlen 2012.
Zum Weiterlesen – Erhard Crome, Claus Montag, Otfried Nassauer: Zwei Jahre Obama. Halbzeitanalysen und Betrachtungen, Papers der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Berlin, Juni 2011 (www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/rls_papers/RLS-Papers_ZweiJahreObama.pdf)
Schlagwörter: Barack Obama, Bernhard Romeike, Claus Montag, Otfried Nassauer, Rosa-Luxemburg-Stiftung, USA