14. Jahrgang | Nummer 13 | 27. Juni 2011

Wanted: Riester-Killer

von Sarcasticus

Zugegeben – die Überschrift ist etwas überzogen, denn steckbrieflich gesucht werden aus Altersvorsorgegründen riesternde Zeitgenossen ja noch nicht. Trotzdem bin ich froh, dass ich nicht dazu gehöre. So muss ich wohl auch künftig Behelligung seitens des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag wegen Verstoßes gegen geltendes Völkerrecht nicht gewärtigen.
Ist das der Anfang einer Glosse? Urteilen Sie selbst!
Riester-Anbieter wie der Versicherer Deutscher Ring legen das Geld ihrer Kunden, um es zu deren und zu eigenem Frommen zu mehren, unter anderem in Investmentfonds an. Einer davon ist der U.S. Mid Cap Value Fund der Firma Pioneer. Die Fonds wiederum investieren in Unternehmensaktien, um dort ihren Schnitt zu machen. Die cleveren Manager von Pioneer haben dafür zum Beispiel den Mischkonzern Textron ausgewählt, der neben Motorsägen, Rasenmähern und Hubschraubern auch Streumunition herstellt.
Als Streumunition werden Waffenträger (Raketen, Granaten und andere) bezeichnet, die eine große Zahl so genannter Bomblets enthalten, die über eine große Fläche verteilt werden und dort autonom explodieren. (Auch die Bundesluftwaffe verfügte für ihre Tornados viele Jahre über derartige Systeme.) Motto: „Eine Bombe, viele Ziele.“ Unter letzteren auch Tausende von Zivilisten, von toten und verstümmelten Kindern und Jugendlichen, Frauen – häufig lange nach Ende der betreffenden Kriege. Denn unter den Bomblets, wenn sie nicht sowieso mit Verzögerungszündern ausgestattet sind, findet sich stets ein gewisser Prozentsatz an Blindgängern. Die liegen dann in Afrika, in Südostasien, in Ex-Jugoslawien oder anderswo im Gelände herum, sind in der Vegetation oder im Boden praktisch unsichtbar und gehen erst hoch, wenn wer drauftritt.
Und weil das blanke Barbarei ist, hat sich dagegen schon vor Jahren internationaler Widerstand entfaltet und wurden diese Tötungsmaschinen schließlich in einer internationalen Konvention (Convention on Cluster Munition) geächtet, der bereits weit über 100 Staaten beigetreten sind und die 2010 in Kraft trat. Danach ist es nicht nur untersagt, Streumunition einzusetzen, sondern auch sie herzustellen, zu lagern oder ihre Herstellung lediglich zu unterstützen.
Allerdings sind die großen Streumunitionshersteller und -bevorrater dieser Welt wie Russland, China, Indien, Pakistan und andere der Konvention bisher nicht beigetreten. Auch die USA nicht, so dass mit Riester-Beiträgen – über einige finanzwirtschaftliche Relais – die Produktion amerikanischer Streumunition mitfinanziert werden kann. Nicht nur vom Deutschen Ring, auch von Allianz, Condor, WWK, Generali, Volkswohlbund, Stuttgarter, Basler, Neue Leben, Volksfürsorge … Gerade mal zwölf von 174 befragten Instituten schlossen nach einer Untersuchung der Stiftung Warentest, die Anfang des Jahres veröffentlich wurde, Anlagen in Streumunitionshersteller aus und konnten das glaubhaft belegen.
Die Bundesrepublik gehörte zu den Erstunterzeichnern der Konvention und hält nach allem, was bekannt ist, die Auflagen zur Nichtproduktion und Lagerung sowie zum Abbau vorhandener Bestände ein. Was allerdings das Riestern anbetrifft, darin sieht das Auswärtige Amt, wie ein Sprecher mitteilte, keinen Verstoß gegen die Streumunitions-Konvention.
Andere sehen das anders, so die norwegische Diplomatin Gro Nystuen: „Für uns in Norwegen war das nie eine Frage. Wir sind überzeugt, dass der Begriff ‚unterstützen’ auch das Verbot von Investitionen abdeckt. Und wir würden begrüßen, wenn andere Staaten diese Interpretation ebenfalls annehmen würden.“ Hier ist der Bundestag gefordert, auf eine entsprechende Verhaltensänderung der Bundesregierung zu drängen. Zugleich sollte das Parlament deutschen Unternehmen Investitionen in Hersteller von Streumunition – ob nun direkt oder auf dem Umweg über den Finanzmarkt – per Gesetz verbieten und Zuwiderhandlungen mit wirksamen Sanktionen belegen. Andere Länder haben das bereits vorgemacht – so etwa Norwegen, Belgien, Irland, Luxemburg und Neuseeland.

P.S.: In der nächsten Ausgabe wird sich ein Beitrag von Thomas Küchenmeister, dem ehemaligen Leiter der Anti-Landminen-Kampagne und jetzigen Gründer von „Facing Finance – Finanzmärkte im Visier“, damit befassen, dass nicht nur Riester-Anbieter Gewinn aus Streumunitionsherstellung ziehen sondern auch das führende deutsche Bankhaus.