von Heinz W. Konrad, Zürich
Um es gleich klarzustellen: Das in der Überschrift gebrauchte Bild hat nichts mit der berühmten Schweizer Produktion von wunderbarer Alpenmilch und den daraus erwachsenen Nachfolgeprodukten zu tun. Vielmehr bemühen es die eidgenössischen Gegner eines hierzulande immer wieder aufs Neue diskutierten EU-Beitritts des mittlerweile ziemlich solitär ungebundenen Alpen-Staates. Über den Hintergrund dieser freilich nicht zuletzt parteipolitisch und also lobbyistisch dominierten Debatte ist zumindest von Außen nicht so ohne weiteres verbindlich zu rechten. Denn klar ist eines: Träte die Schweiz der EU bei, würde sie – dank ihrer schon fast unwirklich stabilen Finanz- und Haushaltspolitik – ganz gewisse sofort in die Reihe der Geberstaten aufrücken oder wie besagte EU-Gegner es polemisch zuspitzen: stante pede einer der“ „Zahlemänner“ Europas werden.
Dass vor allem in Anbetracht der desolaten Finanzlage des EU-Wirtschaftsraumes daran zwischen Bodensee und Lago Maggiore kaum jemandem gelegen ist, dürfte nachvollziehbar sein. Gerade erst schreckt die Schweiz der Run des Euro in den sicheren Hafen des Franken mehr als unsanft auf – verschlechtert er doch die Situation der mehrheitlich ebenfalls exportorientierten Ökonomie Helvetiens. Als Einladung in den EU-Wirtschftsraum wird das hier nicht betrachtet.
Nun ist die Debatte über einen EU-Beitritt der Schweiz freilich alles andere als neu; er gehört zum politischen Leben des kleinen Alpenlandes, seit es die EU gibt, von der die Eidgenossen ja gewissermassen umzingelt sind. Das besagte Argument finanzwirtschaftlicher Nachteile ist deshalb eben nur eines von mehreren, die für die Helvetier durchaus strukturelle Bedeutung haben. Grosse Sorgen sind vor allem auf eine Errungenschaft gerichte, auf die die Schweizer nun wahrhaft stolz sein können: Nirgendwo in Europa (und sonst?) wird ein Staatsvolk dergestalt direkt in die staatlichen, kantonalen und kommunalen Entscheidungen so direkt einbezogen wie zwischen Bodensee und dem Lago Maggiore. Bei aller Unvollkommenheit auch dieses Prinzips und aller natürlich auch hier praktizierten Versuche, es parteipolitisch zu korrumpieren – der Schweizer Bürger weiss um den Wert seiner Stimme.Viele Male bereits hat er die Ambitionen der politisch Grosskopferten auflaufen lassen. Ob immer zum wirklichen Vorteil des Landes mag dahingestellt sein – die oktroyierte Hinnahme von Gesetzen und Verordnungen ist des Schweizers Sache jenenfalls nicht. Was in Deutschland in Gestalt von Volksabstimmungen erst in den Kinderschuhen steckt, hat man sich hier an selbigen bereits abgelaufen. Und wenn die EU-Gegner dann darauf hinweisen, dass der Schweiz bei einem EU-Beitritt innert des rund 750köptigen EU-Parlaments nicht einmal 20 Abgeordnetenplätze zustünden, das Land aber zum Nachvollzug von EU-Recht verpflichtet wäre, dann mag man verstehen, dass daraus mindestens Skepsis erwächst. Von wirksamer demokratischer Einflussnahme für die eigenen Belange könnte in einer solchen Konstallation in der Tat nicht die Rede sein.
Ein dritter Schutzschild gegen die EU wird in der Schweiz erhoben, wenn es um Migrationsfragen geht. Gerade eben erst hat der Bundesrat dazu eine ziemlich grundsätzliche Entscheidung gegen die EU getroffen. Von letzterer zu Verhandlungen darüber aufgefordert, die sogenannte Unionsbürgerschaft zu übernehmen, hat Bern diesem Ansinnen eine Abfuhr erteilt. Der Grund ist – wiewohl diskutabel – nicht unverständlich. Mit einem ausländischen Bevölkerungsanteil von immerhin 23 Prozent hat das knapp 7,8-Millionen Volk auch im Rahmen der in der EU vereinbarten „Personenfreizügigkeit“ bereits eine beachtliche, wenn auch nicht problemfreie Integrationsleistung vollbracht. Würde man, so argumentieren Schweizer EU-Gegner ebenso nachvollziehbar wie populistisch, durch Übernahme der „Unionsbürgerschaft“ den bisherigen Erfahrungsrahmen noch ausdehnen, müsste mit einer massiven Zuwanderung in die Sozialsysteme der Schweiz gerechnet werden. Das würde das Land aber ebenso wenig aushalten wie die dann zwangsläufige weitere Zersiedlung der Alpenrepublik sowie die Überforderung hinsichtlich Energiebedarf und Infrastruktur.
Nun ist bei solcherart Argumenten auch reichlich poltisches Kalkül zugange, die ehrenwerte Schweizer Demokratie macht diesbezüglich keine Ausnahme. Bissig fragen deshalb die EU-Befürworter, die man hier allerdings gerade mal mit einem Drittel der Stimmbürger veranschlagt, wie wohl der gemeine Schweizer reagierte, wenn in Anbetracht der mangelnden genuinen Verjüngung der Eidgenossen deren Lebensarbeitszeit in einer absehbaren Perspektive deutlich heraufgesetzt werden müsste. Und dass ein grosser Teil der Einwanderer und/oder der in der Schweiz nur als Arbeitskräfte auf Zeit Tätigen per Steueraufkommen nicht wenig zum helvetischen Staatshaushalt beitragen, wäre auch noch gründlicher zu verinnerlichen.
Keine Frage: Umbrandet vom Meer der EU samt der dort immer wieder hochschlagenden wirtschaftspolitischen Wellen ist es eine Frage der Zeit, wann und wie sich die Schweiz noch sehr viel stärker und vor allem rechtsverbindlicher in die EU integriert, als es das Land ja bereits jetzt via zahlreicher Abkommen tut. Dauerhaft als Solitär ein wagenburgähnliches Dasein zu fristen, dürfte dem Land nicht gegeben sein. So gesehen ist vieles offen in den Beziehungen der Europäischen Union zum – für die Union wiederum unverzichtbaren – Finanzplatz Schweiz.
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